Wenn es kracht, dann wird es richtig gut
Neben den Haupt- und Nebenmissionen gibt es allerdings einen weiteren Grund, die Staubstraßen von Rage 2 auf und ab zu fahren. Denn nur wenn wir die versteckten Archen aufspüren, können wir Rage 2 nach und nach zu dem Spiel machen, das es von Anfang an sein sollte. In diesen Archen, die meistens von Gegnerscharen bewacht werden, erhalten wir antike Nanotriten-Fähigkeiten und hochtechnologisierte Waffen.
Und es ist erst dieses Arsenal an aktiven Kampffertigkeiten und abwechslungsreichen Gewehren, Raketenwerfern und Co. die den größten Reiz des Shooters ausmachen. Mit Skills wie dem Grav-Sprung, der Zerschmettern-Fähigkeit oder dem Slam wird unser Move-Set stark erweitert. So entwickelt sich der Standard-Shooter dann doch noch ein zu einem überdrehten Action-Feuerwerk, in dem es stets kracht und sich ein echter Spielfluss einstellt.
Sämtliche der elf Nanotriten-Fähigkeiten lassen sich frei miteinander kombinieren, sodass es im Idealfall immer mehrere Aktionen gibt, mit denen ich auf eine Kampfsituation reagieren kann. Vielleicht rase ich also mit meinem Phönix-Kampffahrzeug auf die von Banditen besetzte Tankstelle zu, schieße mich mit dem Schleudersitz in die Luft, lasse den Wagen in die Menge rasen und explodieren. Die Überlebenden zermalme ich dann mit einer saftigen Stampfattacke.
In diesen Momenten spielt sich Rage 2 nahezu makellos. Die Steuerung ist präzise, die Effekte und die Soundkulisse untermalen das Action-Chaos perfekt. Es ist dann so überdreht, wild und gnadenlos, wie es der Rest des Spiels auch gern wäre. Doch abseits dieser Ballereien schafft es die Genialität nicht in die anderen Spielbereiche hinein.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Der Weg hin zu diesen herausragenden Momenten ist weit, denn selbst simple Sachen wie der Doppelsprung müssen erst freigeschaltet werden. Zwar gibt es in den Städten hin und wieder Hinweise auf die Verstecke der Archen, doch wer alle Waffen und Fähigkeiten haben möchte, muss geduldig die Karte ablaufen. Und selbst dann müssen noch zahlreiche Upgrades vorgenommen werden, bis wir wirklich kreativ in den Kampf ziehen und die Mutanten stilvoll über den Jordan schicken können.
Mit der weitläufigen Spielwelt von Rage geht nämlich auch ein unnötig kompliziertes Fortschrittssystem einher, das mit mehreren Währungen, Attributspunkten und Upgrade-Materialien aufwartet. So hat der erwähnte Grav-Sprung drei Level, die ich nach und nach mit dem Mineral Feltrit freischalte. Jedes Level hat noch einmal eigene Upgrades, für die es dann wieder Nanotritenverstärker braucht.
Cheatcodes für Ungeduldige
In den Einstellungen von Rage 2 lassen sich diverse Cheats aktivieren, die so manchen Umweg ersparen. So sorgt der Fortschritts-Booster für die doppelte Menge an Feltrit, während der Super-Overdrive den Spezial-Modus noch effektiver macht. Aber auch Quatsch lässt sich damit anstellen. Ein anwählbarer Erzähler kommentiert dann besonders gelungene Action mit entsprechenden Sprüchen. Ein Humor, der nicht jedem gefällt.
Bei den acht unterschiedlichen Waffen des Spiels herrscht eine ähnliche Logik: Feltrit ist für die einzelnen Stufen nötig, damit nach und nach Waffenkernmods eingebaut werden können. Fahrzeuge und Items wie Granaten und der Franchise-typische Wingstick können mit Autoteilen beziehungsweise Bauplänen ebenfalls aufgewertet werden. Und als wäre das nicht genug, gibt es dann auch noch die sogenannten Projekte, die vier verschiedene Perk-Trees stellen. Mit Projektpunkten können wir Munitionstaschen erweitern, Sprintgeschwindigkeiten erhöhen oder via Radar Collectibles aufspüren.
In der Regel störe ich mich nicht an Upgrade-Spiralen dieser Art, doch in Rage 2 werden dadurch viele Gameplay-Elemente spürbar hinausgezögert. Erst in den letzten Missionen der etwa 15-stündigen Kampagne hatte ich endlich das Gefühl, Rage 2 wirklich so zu spielen, wie es in den Trailern und Werbematerialien vorab präsentiert wurde. Bis dahin tritt die Spielmechanik einfach auf die Bremse, um den Umfang rechtfertigen zu können.
Die zwei Gesichter von Rage 2
An Rage 2 haben gleich zwei größere Studios gearbeitet. Sowohl die Shooter-Experten von id Software als auch Avalanche Studios, die vor allem für die Just Cause-Reihe bekannt sind, haben jeweils ihre Stärken und Schwächen. Es scheint allerdings, als konnte hier nur id Software die eigenen Qualitäten auch wirklich ausspielen.
Während die Bewegungsfreiheit, das Gunplay und das flüssige Kampfgeschehen wirklich gelungen sind, krankt Rage 2 an einer leeren Spielwelt, langweiligem Fahrzeug-Gameplay, eintönigem Art-Design und einer übergreifenden Geschichte, die belangloser kaum sein könnte. Leider werden in Rage 2 den weniger gut geratenen Dingen fast genauso viel Zeit eingeräumt, wie den wirklich interessanten und spaßigen Elementen.
Auf jede packende Schießerei, in der ich meine Gegner mit Vortex-Strudeln in die Luft schleudere und sie dann im Overdrive-Modus mit dem Feuersturmrevolver in Brand setze, folgt eine einschläfernde Fahrt durch das matschige Ödland, an deren Ende eine schwach inszenierte Zwischensequenz wartet, die mich dann wieder auf den Weg schickt. Die Entscheidung, für Rage 2 einen Open World-Ansatz wie beim ersten Teil zu wählen, ist der wohl größte Fehler des Spiels.
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