Konsequenzen & das Nemesis-System
Spannend ist, wie sich die diversen Entscheidungen in Pyre auswirken. Wie in Visual Novels üblich liegt der Fokus außerhalb der Kämpfe auf Gesprächen. Auf minimal animierten Screens können wir unseren eigenen Charakter formen, indem wir unsere Hintergrundgeschichte auswählen oder die Beziehung zu den Begleitern beeinflussen. Sagen wir einem verunsicherten Rukey beispielsweise, dass sein Schnurrbart nicht so schick ist wie er glaubt, nimmt er das nicht positiv auf und verliert Hoffnung, was sich auf seine Rückkehrgeschwindigkeit nach einer Verbannung im nächsten Kampf auswirkt.
Nicht weniger spannend ist die Tatsache, dass wir selbst entscheiden, welche Figuren aus dem Spiel verschwinden. Tragen wir den Sieg in einem der besonderen Rites davon, dann darf einer unserer Begleiter das Exil verlassen. Wer, das liegt in unseren Händen - sofern sich die Kandidaten bereits als würdig erwiesen haben. Nur erfahrene Nightwings mit einem bestimmten Level dürfen nämlich zurück ins Commonwealth. Wir müssen also entscheiden, ob wir einem befreundeten Charakter die Freiheit schenken, so aber dauerhaft einen geschätzten Freund und Kämpfer verlieren, oder ob wir lieber eine Nervensäge loswerden wollen.
Der Clou an der Sache: Um ungeliebte Figuren loszuwerden, müssen wir dennoch vorher ausreichend mit ihnen gespielt haben, denn ansonsten haben sie sich nicht für die Freiheit qualifiziert. Die Mechanik von Pyre zwingt uns, mit allen Charakteren zu spielen und irgendwann sogar unsere Favoriten freizulassen. Ein Abschied, der nicht nur spielerisch nicht immer ganz leicht fällt.
Neben relativ offensichtlichen Arten der Konsequenzen durch Entscheidungen besitzt Pyre zudem eine eigene Version des Nemesis-Systems, das wir aus Spielen wie Mittelerde: Mordors Schatten kennen. Ein verlorenes Match bedeutet nämlich nicht "Game Over", weder für uns, noch für unsere KI-Gegenspieler.
Stattdessen betrauern die Charaktere entweder die Niederlage oder freuen sich über den Sieg, bis sie irgendwann wieder aufeinander treffen. Denn in Pyre treten wir immer wieder gegen dieselben Gruppen an, fast wie in der realen Fußball-Bundesliga. Und wie bei echten Mannschaftssportarten verändern sich die Teams mit jedem Match und werden stärker. Zum Beispiel, weil sie durch ihren Sieg beflügelt oder durch ihre Niederlage motiviert wurden. Oder eben durch neue, bessere Mannschaftsmitglieder.
Wunderschöne Abwechslungslosigkeit
Während das Nemesis-System durchaus spannend ist, kann es im späteren Spielverlauf Langeweile nicht verhindern. Zwar sind unsere Gegner eine wilde Mischung aus Kreaturen und Persönlichkeiten, etwas mehr Abwechslung hätte hier aber am Ende nicht geschadet. Da hilft es auch nicht gerade, dass unser Hauptgegner die vielleicht blasseste Figur ist, der wir im Exil begegnen.
Und so schön die handgemalten Hintergründe und Charaktere auch sind, irgendwann haben wir alle Schlachtfelder gesehen. Die Entwickler versuchen zwar, den Look von Pyre durch unterschiedliche Jahreszeiten frisch zu halten, bei nur zehn Arenen hält sich die Abwechslung trotzdem in Grenzen. Zudem unterscheiden sich die auftauchenden Hindernisse auf dem Feld fast ausschließlich optisch. Seien es nun Dornenranken, eine Kluft oder mysteriöse Zeichen auf dem Boden, die sich nicht überqueren lassen - letztlich sind es alles einfach nur unterschiedliche Blockaden.
Schön, schöner, Pyre
Pyre ist schön. Oder besser: Pyre ist atemberaubend schön. Dank der vielen liebevollen Details strotzt die handgemalte Fantasy-Welt nur so vor Atmosphäre, und selbst wenn wir die Abwechslungslosigkeit des Leveldesigns beklagen, so fällt es doch schwer, sich an Pyre satt zu sehen.
Die wundervolle Grafik gibt sich die Hand mit atmosphärischen Lichteffekten sowie einem fantastischen Sounddesign sowie Soundtrack und schafft ein so stimmungsvolles Komplettpaket, wie wir es mittlerweile von Supergiant Games erwarten. Selbst wer nicht weiß, von wem Pyre entwickelt wurde, wird die visuelle Handschrift der Macher von Transistor und Bastion wieder erkennen. Und das ist eine Leistung, die bei Weitem nicht jedem Entwickler gelingt.
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