16 Jahre nach Release des Kultklassikers Psychonauts steht nun der Nachfolger in den Startlöchern. Schon 2016 konnte Psychonauts 2 via Crowdfunding-Kampagne ganze 3,8 Millionen US-Dollar zusammensammeln - ein Zeichen dafür, wie viele Fans sich noch immer eine Fortsetzung wünschten. Nun erscheint das Spiel endlich für PS4, PS5, Xbox One und Xbox Series X/S.
Psychonauts 2 dürfte dabei nicht nur Fans des Originals glücklich machen, sondern bietet (nach anfänglichen Schwierigkeiten) auch Neueinsteigern eine wundervolle, skurrile Geschichte.
Vom Psychonauten zum Praktikanten
Psychonauts 2 schließt beinahe nahtlos an den ersten Teil an. Der zehnjährige Rasputin "Raz" Aquato hatte sich dort nichts sehnlicher gewünscht, als Psychonaut zu werden - ein Mitglied einer internationalen Geheimorganisation aus Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten, die in die Köpfe anderer Leute eindringen können. Dort sammeln sie dann Informationen oder helfen Leuten bei ihren geistigen Problemen.
Nachdem Raz im ersten Teil seine Fähigkeiten unter Beweis stellen konnte, wurde ihm sein Wunsch nun auch erfüllt und er darf seinen ersten Tag als Psychonaut antreten - zumindest kurzfristig. Im Hauptquartier der Psychonauts angekommen wird er nämlich direkt zum Praktikanten heruntergestuft und soll sich um die Mail-Abfertigung kümmern. Raz schmeckt das natürlich gar nicht, besonders da es anscheinend einen Maulwurf bei den Psychonauten gibt. Scheinbar will der die böse Maligula zurückbringen, die vor langer Zeit von den Psychonauten zurückgeschlagen wurde.
Der zweite Teil bringt viele beliebte Charaktere aus Psychonauts zurück, wie etwa Sasha, Milla, Lili oder Ford Cruller. Während Fans sich über das Wiedersehen freuen dürften, kann der Einstieg für alle, die den Vorgänger nicht gespielt haben doch etwas verwirrend sein. Zwar fasst das Spiel die Handlung des ersten Teils gleich zu Beginn in einem knapp vierminütigen Video zusammen, allerdings funktioniert das besser als Auffrischung, da das Setting kaum erklärt wird.
Natürlich treffen wir im Spielverlauf aber auch auf neue Charaktere, die allesamt auf ihre Art skurril-liebenswert sind: ob nun die Praktikantin Sam (die mit Tieren sprechen kann und diese so zwingt, für sich zu arbeiten), die Lehrerin Hollis (die eigentlich Ärztin werden wollte) oder auch einfach ein eingelegtes Gehirn, das so lange ohne Körper war, dass es mit Sinneseindrücken nicht mehr klarkommt.
Diese Charaktere kennenzulernen und sie besser zu verstehen, indem wir in ihre Köpfe schlüpfen, gehört klar zu den großen Stärken von Psychonauts 2. Jeder Charakter hat seine eigenen Macken und das Spiel schafft dabei den Spagat, diese auf skurril-humorvolle Weise darzustellen und zugleich einfühlsam mit dem Thema geistige Gesundheit umzugehen.
Psychonauts 2 gibt uns nie das Gefühl, dass wir über jemanden urteilen, vielmehr baut es Empathie zu den Problemen der Charaktere auf. Auch Raz zeigt sich hier als großartiger Protagonist, der nicht nur neugierig und einfühlsam ist, sondern auch seine Fehler eingesteht, nachdem er etwa versehentlich im Kopf von Hollis rumpfuscht und ihr dabei eine Spielsucht verpasst hat - die er prompt wieder rückgängig machen muss. Hoppla.
Auf Problemsuche in Gedankenwelten
Das mit dem Rumpfuschen ist übrigens wörtlich zu nehmen, denn dank seiner Fähigkeiten kann Raz seinen Geist in die Gedankenwelt anderer Personen projizieren. Diese mentalen Welten spiegeln dann wieder, wie es der betreffenden Person geht. Die Welt von Zahnarzt/Bösewicht Doktor Loboto etwa besteht aus Mundinnenräumen und Zähnen, während die gedankliche Welt von Hollis anfangs ein Krankenhaus ist und sich dann in ein Casino wandelt.
Ziel von Raz ist es hier, die Ursachen der Probleme zu finden, indem er die riesigen geistigen Welten erkundet. Hier gilt es auch kleine Rätsel zu lösen, ehe wir vorankommen können. Einige davon sind ziemlich offensichtlich, etwa als wir eine (verdächtig nach einem Monsterball aussehende) Süßigkeit auf eine riesige Zunge legen müssen, damit die den Weg freigibt. An anderer Stelle war die Lösung aber etwas weniger naheliegend, sodass wir uns zumindest die Möglichkeit einer Hilfestellung gewünscht hätten.
Das Erkunden lohnt sich übrigens, denn abseits der Hauptquest gibt es Collectibles wie Trugbilder, Körnchen von Weisheit oder geistigen Müll zu finden, durch die Raz aufleveln kann. Einige von ihnen sind aber gar nicht so leicht zu finden und manche können wir auch erst erreichen, wenn Raz eine bestimmte Psi-Fähigkeit bekommen oder entsprechend aufgelevelt hat. Das ist aber kein Problem, denn wir können jederzeit in bereits besuchte mentale Welten zurückkehren.
Dabei könnten viele der Welten aber durchaus etwas kürzer sein. Führt jede zu Anfang noch eine eigene Spielmechanik ein, zieht sich diese bis zum Ende durch, sodass es hier an Abwechslung fehlt - besonders da es teilweise noch untergeordnete Level innerhalb der Welten gibt, die wir erst einmal abschließen müssen.
Apropos Psi-Kräfte: Davon gibt es wieder einige in Psychonauts 2. Neben Telekinese, Psi-Schlag, Pyrokinese, Schweben und Hellsehen, die wir bereits aus dem ersten Teil kennen, erhalten wir noch einen Haufen weiterer Fertigkeiten. So etwa Mentale Verbindungen, mit denen Raz sich beispielsweise an höher gelegene Orte schwingen kann, oder auch die Fähigkeit, die Zeit zu verlangsamen. Die sind ziemlich intuitiv und schnell erlernt.
Leider können wir jeweils nur vier dieser Fertigkeiten aktiv nutzen, da sie auf den Schultertasten des Controllers liegen. Brauchen wir also gerade eine bestimmte Fähigkeit, haben sie aber nicht ausgerüstet, müssen wir jedes Mal ein Menü öffnen (was das Spiel zum Glück pausiert), um manuell die Fähigkeit auf eine der Tasten zu legen. Das kann besonders in Kämpfen den Gameplay-Flow stören.
Kampfsystem mit kreativen Designs und Anpassungsmöglichkeiten
Dafür helfen uns diese Fähigkeiten aber nicht nur bei den (teils durchaus anspruchsvollen) Platforming-Passagen des Spiels, sondern sind auch im Kampf nützlich. Wir müssen uns in den Köpfen anderer Leute nämlich auch gegen ihre personifizierten Ängste wehren. Zweifel etwa sind traurige Schleimmonster, denen wir mit Pyrokinese auf den Leib rücken können, während das fliegende Bedauern ein schweres Gewicht mit sich trägt, das es auf uns abwirft, wenn wir es nicht vorher mit unserem Psi-Schlag aus der Ferne erwischen.
Manche Gegner gibt es dabei nur in einzelnen Gedankenwelten. Unser Freund, das körperlose Gehirn etwa ist von neuen Sinneseindrücken so überfordert, dass es direkt eine Panikattacke bekommt - ein dürres Wesen mit Totenschädel, das viel zu schnell ist, als dass wir es erwischen könnten. Erst wenn wir die Fähigkeit bekommen, die Zeit zu verlangsamen, sind wir in der Lage, es zu besiegen. Klar, denn auch im realen Leben können wir Panikattacken überwinden, indem wir bewusst versuchen, uns zu beruhigen. Designentscheidungen wie diese machen die Probleme in Psychonauts greifbar.
Auch die Bosskämpfe sind ähnlich strukturiert. Während wir uns bei den meisten Gegnern auch einfach mit roher Gewalt durchprügeln können, müssen wir in den Bosskämpfen erst einmal die richtige Taktik finden, um sie zu besiegen.
Wer keine Lust auf fordernde Kämpfe hat, kann das Spielerlebnis auch nach Belieben anpassen. In den Optionen des Spiels können wir dabei verschiedene Einstellungen ändern und so etwa Raz unbesiegbar machen. Auch Optionen für bessere Textlesbarkeit und mehrere Modi für Farbenfehlsichtigkeit gibt es. Lediglich für die Platforming-Elemente gibt es wenige Anpassungsmöglichkeiten. Hier kann nur der Fallschaden ausgestellt werden. Zum Glück sind die Rücksetzpunkte großzügig verteilt.
Technische Performance: Psychonauts 2 lief bei uns im Test auf Xbox Series X/S flüssig und ohne Bugs oder Crashes. Lediglich im Hauptquartier waren manchmal Gespräche von Charakteren durch die Wand hindurch zu hören, als wären sie im gleichen Raum.
Eine charmante Welt
Psychonauts 2 liefert mehr von der charmanten Spielwelt voller einzigartiger Charaktere, die bereits den ersten Teil so besonders gemacht hat. Der Artstyle ist gewohnt skurril und hat uns direkt in die frühen 2000er zurückversetzt. Ein toller Soundtrack rundet das Ganze ab, besonders begeistert hat uns der "Brain in a Jar"-Song, der von Jack Black gesungen wird.
Mit knapp 20 Stunden Spielzeit gibt es zudem einiges für uns zu entdecken, auch wenn wir gern mehr optionale Nebenmissionen gehabt hätten, von denen leider nur fünf im Spiel sind. Wer nach dem Durchspielen aber noch nicht genug hat, kann problemlos weitermachen, denn wir werden einfach in das Hauptquartier zurückgeworfen. Von hier aus kann Raz nicht nur verpasste Collectibles einsammeln, sondern auch die verschiedenen Charaktere nochmal aufsuchen, um neue Zwischensequenzen freizuschalten.
Nach einem etwas verwirrenden Start bekommen wir in Psychonauts 2 eine ebenso abgedrehte wie liebevolle Geschichte präsentiert, die uns wie wohl kein anderes Spiel in die Köpfe ihrer Charaktere blicken lässt.
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