Warme Schlappen packen besser
Doch was bringen 1.000 PS, wenn unser Kübel nur geradeaus fahren kann? Oder anders gesagt: Große Zahlen allein machen noch kein gutes Rennspiel, auf der Strecke muss es passen. Zum Glück passt hier bei Project Cars 2 ebenfalls fast alles.
Die Fahrphysik war schon im ersten Teil überzeugend, wurde aber noch mal merklich verfeinert. Besonders der Reifenzustand, die Temperatur unserer Schlappen und der Füllstand des Tanks machen sich noch stärker bemerkbar. In der Aufwärmrunde nach dem Verlassen der Box schlittern wir wie eine betrunkene Kuh über die Fahrbahn. Haben wir dann aber etwas Temperatur in den Gummis, kleben wir selbst in schnellen Kurven förmlich auf dem Asphalt und machen der Konkurrenz die Hölle heiß.
Die Fähigkeit der KI-Gegner lässt sich mit den Reglern Aggressivität und Können stufenlos feinjustieren. Die Drivatare der Forza-Reihe sind zwar weiterhin unerreicht, dennoch stellen sich die Computerfahrer in Cars 2 mehr als ordentlich an. Sie fahren angriffslustig, machen aber auch nachvollziehbare Fehler. Nur beim Indie-Car-Racing kam es bei uns während des Warmfahrens zu dämlichen Unfällen. Das muss gepatcht werden.
Die Boliden fahren sich alle glaubwürdig und unterschiedlich. Gerade Gewichtsunterschiede und das Verhalten bei Lastwechseln sorgen für unliebsame Überraschungen, wenn wir beispielsweise aus dem modernen Supersportler McLaren 720S in einen Oldtimer wie den 1952er Mercedes 300SL umsteigen. Der antike Sportwagen fühlt sich an wie eine Babyschaukel.
Da heißt es Daumen drücken, dass es wenigsten trocken bleibt. Dank bis zu vier dynamischer Wetterwechsel pro Rennen ist das aber keinesfalls garantiert. Nebel, Regen und sogar Schnee werden in verschiedenen Intensitäten simuliert. Achja, und einen Tag-Nacht-Wechsel gibt es ebenfalls. Ganz harte Hunde können sich also in finsterer Nacht und während eines Blizzards auf die Strecke wagen. Viel Spaß!
Diesmal mit Gefühl
Damit das Fahren im Grenzbereich trotzdem Spaß macht, lassen sich zahlreiche Fahrhilfen einzeln ab- oder zuschalten. Lasst euch nicht täuschen, PC 2 bleibt immer eine Simulation. Wer Arcade-Racing sucht, sollte lieber zu Forza Horizon 3 greifen, doch dank verfeinerter Kontrollen beherrscht man die Boliden auch mit dem Gamepad sehr gut.
Das Lenkrad ist wie üblich die beste Wahl. Nachdem das erste Project Cars in Punkto Force-Feedback noch vom Konkurrenten Assetto Corsa in die Tasche gesteckt wurde, spürt man diesmal wirklich jede Feinheit der Strecke in den Fingern. Vorbildlich sind die drei verschiedenen Voreinstellungen für die Rütteleffekte, auf dem PC können wir jeden Wert aber auch selbst festlegen.
Eine wirklich geniale Idee, die wir ab jetzt in jedem Rennspiel sehen wollen, ist der Renningenieur. Stellen wir fest, dass unser Bolide schlecht eingestellt ist, etwa wenn wir auf der langen Geraden an den Drehzahlbegrenzer stoßen, können wir mit dem Mechaniker über das Problem reden. Basierend auf unserem Feedback nimmt das Spiel dann vollautomatisch Änderungen am Wagensetup vor. Das erleichtert Einsteigern das Finden der perfekten Einstellung ganz enorm.
Nicht so ideal, die Linie
Kritisch ist dagegen die optionale Ideallinie, die in unserer Testversionnur unzuverlässig funktioniert. Sie wird ohnehin nur in Kurven angezeigt, auf manchen Streckenteilen fehlt sie aber plötzlich völlig. Namco Bandai hat uns versprochen, dass dieser Fehler bis zum Release behoben wird. Das muss auch sein, denn wenn wir uns momentan auf die Hilfsanzeige verlassen, führt das fast unweigerlich zum Crash und damit praktisch zum Ende unseres Rennens - anders als in den Forza-Spielen fehlt nämlich eine Rückspulfunktion.
Simulationsfans werden an dieser Stelle aufschreien, weil wir das Fehlen dieses Features kritisieren, echte Rennfahrer können die Zeit schließlich auch nicht zurückdrehen. Echte Rennfahrer werden aber auch nicht plötzlich von ihrem Partner überrascht, von Freunden in Skype angerufen oder sonstwie in ihrer Konzentration gestört. Es gibt unzählige Gründe, die zu einem Fahrfehler führen können. Wenn man deshalb ein langes Rennen in der letzten Runde verliert, ist das mehr als ärgerlich. Wir sind der Meinung, so eine Option sollte zum Standard im Rennspielgenre gehören. Wem das zu unrealistisch ist, der muss sie ja nicht nutzen.
Schonwieder Knäckebrot
Volle Wahlfreiheit herrscht dafür in der Karriere von Project Cars 2. Wir können nahezu frei entscheiden, in welcher Rennklasse unser selbst erstellter Michael Schumacher seinen Triumphzug beginnt. Fangen wir ganz unten beim Kart-Racing an oder legen wir gleich in der Formel A los? Lediglich die Wettbewerbe der höchsten zwei Leistungsklassen sind zunächst gesperrt. Außerdem lassen sich besondere Herausforderungen freischalten.
Doch das reicht nicht aus, um wirklich zu motivieren. Klar ist es nett, sich mit seinem Fahrer langsam hochzuarbeiten, doch abseits der Rennen gibt es nichts zu tun und noch weniger zu sehen. Wir managen keinen Rennstall, interagieren nicht mit unseren Teamkollegen oder gar der Presse und verwalten keine Sponsoren. Statt animierter Zwischensequenzen oder Siegerehrungen warten selbst beim Gewinn einer Meisterschaft nur ein Mini-Videoschnipsel und dröge »Herzlichen Glückwunsch«-Nachrichten auf uns. »Trocken wie Knäckebrot mit Sandaufstrich«, kritisierte Kollege Tobi die Kampagne des Vorgängers und ärgerlicherweise gibt es diesbezüglich kaum Fortschritte. Eine verschenkte Chance!
Die Grafik leidet unter einer ähnlichen Stagnation. Während die Fahrzeugmodelle nach wie vor klasse aussehen und teils kaum vom Original zu unterscheiden sind, wirken die Strecken teilweise extrem steril und bieder. Das ist bei Grand-Prix-Pisten zu verschmerzen, auf Stadtkursen fallen matschige Texturen und sogar Pop-Ups aber unangenehm ins Auge. Die Effekte schwanken zwischen sehenswert (Spiegelungen, Wetterübergänge) und Murks (Spritzwasser, gerissene Scheiben). Im Foto-Modus entstehen dennoch Bilder, die auch als Desktop-Hintergründe taugen.
Project Cars 2 spielt man also weder, weil es so gut aussieht, noch weil es sonderlich motiviert. Was hier begeistert, ist das intensive Erlebnis auf der Strecke - die Essenz des Rennfahrens. Unsere Herausforderungen müssen wir uns größtenteils selbst basteln - haben dazu aber auch alle Möglichkeiten. Ob das am Ende reicht, um Forza Motorsport 7 zu schlagen, das gerade in Sachen Inszenierung und Spielerbindung ordentlich auftrumpfen dürfte, kann erst unser Test des Konkurrenten abschließend klären.
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