Mit Life is Strange: Before The Storm erhält Dontnods Adventure Life is Strange ein drei Episoden langes Prequel, nach dessen Ankündigung Fans des Vorgängers zwei Schocks verdauen mussten: Ashly Burch, die ursprüngliche Synchronsprecherin von Protagonistin Chloe Price, wurde wegen des SAG-AFTRA-Streiks ersetzt und Dontnod gab die Entwicklung in die Hände des Third-Party-Studios Deck Nine, das mit Zak Garriss außerdem einen neuen Lead Writer Feder führen ließ.
Im Vorfeld blickten wir deshalb mit leichter Skepsis auf das Prequel, die nach dem Ende der ersten Episode "Erwachen" aber verpufft ist. Der rund drei Stunden lange Auftakt zu Life is Strange: Before The Storm ist ganz bestimmt nicht ohne Schwächen - dafür aber genauso charmant wie das Original.
Warum keine finale Wertung? Wie bei den Telltale-Adventures oder anderen Episoden-Spielen verzichten wir vorerst auf eine Wertung, bis alle drei Episoden erschienen sind und wir Life is Strange: Before the Storm als Gesamtwerk beurteilen können.
Die Geschichte einer Rebellin
Die Geschichte setzt drei Jahre vor den Ereignissen von Life is Strange an. Wir steuern diesmal nicht die Life is Strange-Heldin Max, sondern ihre beste Freundin Chloe, eine stinkwütende und Marijuana rauchende 16-Jährige, die mit mehreren Problemen gleichzeitig zu kämpfen hat: Ihr Vater ist bei einem Unfall ums Leben gekommen, in der Schule gilt sie als Außenseiterin und der neue Freund ihrer Mutter ist ihrer Meinung nach ein "schnauzbärtiges Arschloch".
Wir schließen Chloe sofort ins Herz. Während Max in Life is Strange die ordentliche Schülerin verkörperte, die das Für und Wider einer Situation im Kopf stets haargenau abwägte, posaunt Chloe in Before the Storm jederzeit das heraus, was sie gerade denkt. "Mum dreht ihre Scheiße um, wenn sie das erfährt!" platzt es ihr aufgeregt heraus, kurz nachdem wir uns zu Beginn der Episode auf ein Konzert der Punkband "Firewalk" geschlichen haben. Das macht die rebellische Chloe im Vergleich zur lieben, netten Max zu einer erfrischend anderen Heldin, die neben ihrem kreativen Wortschatz auch eine neue Spielmechanik mitbringt.
Wütende Kraft der Widerworte
Anders als ihre Freundin kann Chloe zwar nicht durch die Zeit reisen, wodurch getroffene Entscheidungen nicht mehr einfach wie zuvor zurückgespult werden können. Anstatt übernatürlicher Fähigkeiten dürfen wir diesmal jedoch von den Superkräften eines Teenagers Gebrauch machen: Widerworte.
Bei unserer anfänglichen Mission, in die Konzerthalle unserer Lieblingsband zu kommen, steht uns beispielsweise ein Türsteher im Weg, der uns den Zutritt verweigert. Das lassen wir aber nicht auf uns sitzen und versuchen stattdessen, ihn solange zu bequatschen, bis er uns reinlässt.
Es folgt ein kleines Dialog-Spielchen, bei dem wir auf bestimmte Aussagen, zum Beispiel "Ein Mädchen wie du?", unter Zeitdruck mit der richtigen Antwort ("Ein Mädchen wie du, das auf deinen dicken Bizeps scheißt!") reagieren müssen, bis wir das Gespräch irgendwann "gewonnen" haben. Und es bringt nicht nur Abwechslung in die Dialoge, sondern verstärkt zusätzlich das Gefühl, in der Haut eines aufmüpfigen Teenies zu stecken.
Erzwungene Liebe
Im Mittelpunkt der Geschichte steht aber nicht nur Chloe. Während des Konzerts treffen wir auf einen zweite Figur, die für die Geschichte eine nicht minder wichtige Rolle spielt: Rachel Amber, mit der wir zwei betrunkene Typen in die Flucht schlagen und anschließend gemeinsam einen unvergesslichen Abend verbringen.
Im Laufe der ersten Episode entwickelt sich recht schnell eine sehr innige Beziehung zwischen Chloe und Rachel, die - wenn wir die entsprechenden Gesprächsoptionen auswählen - mehr als nur freundschaftlicher Natur ist. Die mögliche Romanze zwischen Chloe und Max in Life is Strange erfreute sich insbesondere in der Queer-Community großer Beliebtheit, musste sich aber gleichzeitig den Vorwurf gefallen lassen, die Beziehung der beiden viel zu vorsichtig abzuhandeln, anstatt sie explizit zum Ausdruck zu bringen.
In Before the Storm wird die Liebe zwischen Chloe und Rachel ganz sicher nicht nur subtil angedeutet. Schon bei unserem zweiten Treffen mit Rachel in einem Zug, erhalten wir die Option, mit ihr zu flirten. Das machen wir natürlich und sehen Chloe anschließend dabei zu wie sie auf Rachels Aufruf "lass uns etwas Lustiges machen!" einfach mit "ich bin schon entjungfert, sorry!" antwortet. Sicher ist das ein wenig plump, macht uns aber sofort klar, wie es um die Beiden gestellt ist.
Doch so explizit das romantische Interesse der beiden Figuren zum Ausdruck gebracht wird, so forciert ist es auch. In der Geschichte wird nicht klar, wie es überhaupt dazu gekommen ist, dass sich beide Figuren plötzlich so nahe stehen. Uns hätte vielleicht eine Sequenz während des Konzerts gefehlt, in der die Motivationen der beiden Figuren näher erläutert werden, die ihre spätere Zuneigung erklären.
Gelungener Auftakt
Am Ende fällt das aber nicht so sehr ins Gewicht wie anfangs befürchtet. Trotz deutlicher Schwächen in der Charakterisierung seiner Figuren gelingt es der ersten Episode von Life is Strange: Before the Storm, uns emotional mitzureißen. Das liegt einerseits an den sympathischen Charakteren und andererseits an der Art und Weise, wie das Spiel seine Geschichte inszeniert.
Wie der Vorgänger greift Before the Storm auf einen stimmigen Soundtrack (hier von Indie-Künstlerin Daughter) und eine Naturkatastrophe (hier ein Waldbrand) zurück, was die Dramatik passend untermalt. Die Dialoge sind zuweilen zwar ungeschickt, aber das macht gleichzeitig auch den gewissen Charme des Spiels aus. Fast zwei Jahre nach dem erscheinen der finalen Episode von Life is Strange fühlte sich "Erwachen" wie eine Rückkehr nach Hause an, die uns lachen, mitleiden und peinlich berührt erröten ließ - ganz nach dem Vorbild des Teenagerdramas von Dontnod.
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