Left Alive im Test - Selbst auf der PS2 wäre das kein Hit geworden

Ein Kriegsgebiet, drei Überlebende, ein politisches Komplott und technisch überlegene Invasoren: Left Alive hat zwar spannende Ideen, aber scheitert am schlechten Game Design.

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Left Alive im Test für PS4. Left Alive im Test für PS4.

Trümmer, Flammen und Leichen überall - der junge Mech-Pilot Mikhail hat in Left Alive als einziger aus seiner Einheit einen verheerenden Angriff auf die fiktive osteuropäische Stadt Novo Slava überlebt. Die wurde von Truppen aus Garmonia überfallen, das Land ist im Clinch mit Mikhails Heimat Ruthenia. Dummerweise liegt Novo Slava genau an der Grenze zwischen den beiden Ländern und ist Mittelpunkt des Konflikts.

Mikhail interessiert sich aber gerade nicht um das große Gerangel der Mächte, sondern will einfach nur aus der verwüsteten Stadt entkommen. Ganz im Gegensatz zu Polizistin Olga, die eher zufällig Anzeichen für eine große Verschwörung findet und der Sache auf den Grund gehen will. Der Ausbruch des Krieges ist irgendwie auch mit Leonid verbunden, der den Tumult genutzt hat, um aus dem Gefängnis auszubrechen.

Die Wege dieser drei, in separaten Missionen spielbaren Charaktere kreuzen sich im Laufe der Geschichte. Sie haben zwar nur geringe Abweichungen in ihren Fähigkeiten, aber jeweils unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschehnisse. Das klingt spannend, allerdings verderben viele, viele Mängel den Spaß an diesen Perspektivenwechseln.

Technisch erinnert Left Alive eher an einen PlayStation 3-Titel. Die Beleuchtung und das Umgebungsdesign vermitteln trotzdem Atmosphäre. Technisch erinnert Left Alive eher an einen PlayStation 3-Titel. Die Beleuchtung und das Umgebungsdesign vermitteln trotzdem Atmosphäre.

Da ist etwa die Technik, Left Alive sieht nicht aus wie ein Spiel der aktuellen Konsolengeneration. Einige Animationen wirken ungelenk, die Framerate stottert manchmal und Texturen wirken schwammig. Darüber könnte man aber mit viel gutem Willen hinwegsehen, denn die stimmungsvolle Beleuchtung, das Artdesign und die Geschichte vermitteln trotz dieser Schwächen eine düstere Atmosphäre.

Der Tod schwebt in der Luft

Eigentlich ist die Welt von Left Alive auch faszinierend. Schließlich ist das Spiel ein Ableger der Front Mission-Reihe, einer Serie von taktischer Rundenstrategie mit großen Mechs, die Wanzer genannt werden. Inhaltlich mischt Front Mission stets Science Fiction mit plausibel wirkenden Kriegsszenarien.

Left Alive stellt zwar nicht so tiefgründige ethische Fragen wie die Hauptserie, schafft es aber trotzdem, eine bedrückende Stimmung aufzubauen. Das liegt vor allem an der Gestaltung von Novo Slava: Die Invasion findet zur Weihnachtszeit statt.

Fliegende Überwachungsdrohnen sind zahlreich, aber sie können immerhin mit einem Schuss vom Himmel geholt werden Fliegende Überwachungsdrohnen sind zahlreich, aber sie können immerhin mit einem Schuss vom Himmel geholt werden

Deshalb gibt es überall dekorierte Tannenbäume oder Lichterketten, die wie ein Echo des vergangenen Friedens wirken. Dichter Schnee fällt vom Himmel, während Gebäude und Fahrzeuge in Flammen stehen. Die Wanzer von Garmonia stampfen durch die Straßen, Soldatentrupps töten die letzten Überlebenden. Es ist eine gespenstische Stimmung, die vom Spiel glaubwürdig vermittelt wird.

Allein gegen eine Übermacht

Das Gefühl von Ausweglosigkeit vermittelt vor allem auch das Kräfteverhältnis zwischen den drei Hauptcharakteren und der Garmonischen Armee. Zwar gibt es Waffen wie Schrotflinte, Maschinengewehr oder Granaten, aber die Feinde sind zäh, exzellent ausgerüstet und klar in der Überzahl.

Left Alive sieht aus und steuert sich wie ein klassischer 3rd-Person-Shooter, orientiert sich spielmechanisch aber stark an an Survival- und Stealth-Spielen. Wer direkt auf die Gegner zustürmt, wird innerhalb von Sekundenbruchteilen von schwerem Geschütz durchsiebt. Also heißt es vorsichtig und leise sein und um Soldaten herumzuschleichen.

Oder sie in Fallen locken, denn auf der Straße liegen lauter Materialien herum, die sich zu tödlichen Werkzeugen umfunktionieren lassen. So kann man sich aus Draht, einem leeren Gefäß und etwas Sprengstoff eine explosive Stolperfalle bauen.

Feindliche Wanzer dienen oft als Barrieren, um den Spieler durch den Level zu leiten. Die linearen Wege sind aber selten so offensichtlich und man läuft oft ins offene Messer. Feindliche Wanzer dienen oft als Barrieren, um den Spieler durch den Level zu leiten. Die linearen Wege sind aber selten so offensichtlich und man läuft oft ins offene Messer.

Es gibt Situationen im Spiel, bei denen es für die Präparierung eines Ortes genug Zeit gibt, bevor ein Trupp eintrifft. Wenn der Gegner dann nichtsahnend in die Falle tappt und durch eine gut geplante List überrumpelt wird, fühlt man sich für kurze Zeit überlegen.

Da jeder Charakter nur ein gewisses Gewicht tragen kann, braucht es allerdings etwas Taktik bei der Verwaltung von Ressourcen. Schleppt man lieber Fallen-Bauteile mit oder Munition? Apropos: Letztere ist ständig knapp, Nahkampfwaffen zerbrechen schnell.

Dazu kommen feste, teils weit auseinander liegende Speicherpunkte. Das macht - in Kombination mit den übermächtigen Gegnern - Left Alive zu einem extrem schweren Spiel.

Nicht schwer, sondern unfair

Es gibt allerdings einen schmalen Grat zwischen schwer und unfair. Left Alive ist Letzteres, weil im Gegensatz zu den Fallen die übrigen Mechaniken nicht funktionieren. Der Spielablauf fühlt sich nicht nur wegen der schwerfälligen Steuerung kaputt und ungelenk an. Obwohl Schleichen das Kernkonzept ist, gibt einem das Spiel kaum Fähigkeiten dazu an die Hand. Nähert man sich zum Beispiel einem Soldaten auf Zehenspitzen, kann man ihn nicht lautlos ausschalten.

Deckungen sind oft nutzlos. Selbst wenn wir hier nicht um die Ecke gelinst hätten: Die Soldaten entdecken einen so oder so. Deckungen sind oft nutzlos. Selbst wenn wir hier nicht um die Ecke gelinst hätten: Die Soldaten entdecken einen so oder so.

Es ist lediglich möglich, ihm eins mit dem Brecheisen überzuziehen, aber das macht natürlich Geräusche. Es gibt keine schallgedämpften Waffen oder Tarnanzüge. Granaten und Molotowcocktails sind ebenfalls alles andere als subtil. Hilfreich sind da bloß leere Dosen, die man zur Ablenkung von Patrouillen in eine Richtung werfen kann. Aber wehe, der Alarm wird ausgelöst! Dann sind auf einmal alle Feinde auf der Karte alarmiert. Alle, selbst wenn sie weit weg und außer Sichtweite sind!

Außerdem fliegen am Himmel so viele Überwachungsdrohnen herum, dass es sehr schwer ist, sich wieder zu verstecken. Das könnt ihr zum Beispiel in Müllcontainern, öffentlichen Toiletten oder Verkaufsständen. Diese Stellen im Alarmzustand zu erreichen ist aber fast unmöglich, weil Soldaten beim Zielen ein absolutes Adlerauge haben. Fast jede Kugel trifft, selbst aus großer Distanz. Und wenn ein feindlicher Wanzer in der Nähe ist, pustet der einen sowieso mit einem Schuss um.

Schlechtes Design, viele Fehler

Wann ein Gegner unsere Helden entdeckt, scheint ohnehin dem Zufall überlassen zu sein. Manchmal erspähen sie uns, obwohl Mikhail sich hinter einer Mauer versteckt und nicht sichtbar sein dürfte. Nachladen sollte man in dieser vermeintlich geschützten Position auch nicht, denn aus einem unerfindlichen Grund macht der Hauptcharakter dann einen Schritt aus der Deckung.

Die Wanzer-Missionen sind rar, kurz und längst nicht so komplex wie in richtigen Mech-Spielen. Allerdings darf man hier seinen Frust ablassen! Die Wanzer-Missionen sind rar, kurz und längst nicht so komplex wie in richtigen Mech-Spielen. Allerdings darf man hier seinen Frust ablassen!

Ein weiteres Problem ist das Leveldesign: Jedes Kapitel findet in einem großen, weitläufigen Areal statt. Das gibt viel Freiraum zur Erkundung und man kann sogar die Kanalisation oder Gebäude betreten. An von Soldaten bewachten Engstellen haben die Spieldesigner aber nur einen möglichen Schleichpfad vorgesehen, der lediglich durch Ausprobieren zu entdecken ist. Das ruiniert das Konzept der weitläufigen Karten.

Ein Ärgernis ist auch die KI von Zivilisten: Ab und an trifft man eine hilflose Person, die Geleitschutz bis zum nächsten Sicherheitsbunker braucht. Eine optionale Nebenaufgabe, die aber oft unlösbar ist. Denn die Schützlinge stürmen einfach drauflos - aber den Befehl stehen zu bleiben kann man ihnen nur geben, wenn man direkt daneben steht. Also muss man in unmittelbarer Nähe bleiben und den Weg freischießen. Und das klappt im Umkehrschluss natürlich nicht, weil die Gegner zu stark sind und die Ausrüstung zu schwach ist.

Den Frust über all die Probleme von Left Alive kann man dann nur entladen, wenn man selbst einen Wanzer steuert. Dann geht es mit Raketen gegen andere Riesenroboter und man vergisst im Meer der Explosionen den Ärger - allerdings nur selten, denn diese Szenen sind rar und kurz. Wenn nicht einmal coole Mechs ein Spiel retten können, ist einiges schief gelaufen.

Left Alive - Screenshots ansehen

Michael Cherdchupan
@the_whispering

Ich möchte eigentlich mehr über die spannende Welt von Front Mission sowie die drei Charaktere und ihre Geschichte erfahren. Frust überlagert aber das gesamte Erlebnis. Der hohe Schwierigkeitsgrad ergibt sich durch eine Vielzahl kaputter Mechaniken. Die wurden entweder nicht zu Ende gedacht oder sind einfach schlecht programmiert. Dazu kommen überstarke Gegner, knappe Munition und eine schwerfällige Steuerung.

Wer sich an Left Alive heranwagen möchte, braucht deshalb eine Engelsgeduld und eine gigantisch hohe Frustresistenz. Mit einem Patch für KI und Balance könnte Entwickler Ilinx das Spiel zwar theoretisch verbessern, aber selbst dann wäre Left Alive lediglich für Spieler interessant, denen ein unverbrauchtes Setting wichtiger ist als einwandfreie Technik.

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