Seite 2: Layers of Fear im Test - Eine Lage Horror, bitte

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Umdenken gefragt

Je weiter der Künstler in seinen Wahnsinn abdriftet, desto extremer werden die Ereignisse. Was mit einer flackernden Glühbirne beginnt, endet mit schaurig verunstalteten Bildern, Labyrinthen aus mit schwarzem Teer verstopften Fluren und jeder Menge wirklich gut inszenierter Schockelemente. Dazu kommt eine Reihe von teilweise sehr kniffligen Rätseln.

Perspektivwechsel: Manchmal wirkt ein Blick an die Decke Wunder. Perspektivwechsel: Manchmal wirkt ein Blick an die Decke Wunder.

Auch, wenn es zum Beispiel »nur« darum geht, die richtige Zahlenkombination für einen Safe zu finden, spielt Layers of Fear konstant mit unserer Wahrnehmung und unserer Idee davon, wie Spiele zu funktionieren haben. Einmal scheinen wir in einem endlosen Gang gefangen, bis wir auf die Idee kommen, einfach andersherum zu gehen.

Ein anderes Mal durchsuchen wir mehrere Minuten lang ein Arbeitszimmer, obwohl ein einziger Blick an die Decke unser Rätsel gelöst hätte. Aber wer schaut auf der Suche nach einem Gegenstand schon nach oben? Wir, wie sich herausstellt, und zwar für den Rest des Spiels. Wahrscheinlich wären viele der Rätsel aber auch erheblich einfacher zu durchschauen, wenn wir nicht andauernd Angst hätten, von einer Halluzination um die Ecke gebracht zu werden. Und das, obwohl die Zusammentreffen mit unserer Exfrau, wie in vielen zerrütteten Ehen üblich, nur sehr selten stattfinden. Die erschreckt uns jedes Mal so, dass wir in Ohnmacht fallen und irgendwo im Haus wieder aufwachen. Der Grusel im Spiel wird aber trotzdem kaum von Monstern erzeugt.

Unser Maler sieht überall Ratten. Unser Maler sieht überall Ratten.

Schizophrenie
In Layers of Fear haben wir es mit einem Maler zu tun, der fest davon überzeugt ist, dass sein Haus von Ratten verseucht ist. Diese kleinen Parasiten scheinen überall zu sein, nicht nur in den Wänden, auch im Kinderzimmer und sogar in seiner Prothese. Er hört das Getrappel immer und überall und fühlt sich von ihnen verfolgt. Auch seine Frau scheint es auf ihn abgesehen zu haben, seinen Freunden oder seinem Agenten kann er sowieso nicht mehr trauen. Nicht einmal seine Haushälterin darf in sein Zimmer. Eines der Dokumente, das wir finden, nennt eine paranoide Schizophrenie als eine mögliche Ursache für seine Wahnvorstellungen.

Wichtig zu wissen: Nicht jeder Mensch mit Schizophrenie halluziniert automatisch andauernd Parasiten. Die sogenannten schizophrenen Episoden, die oft durch traumatische Ereignisse ausgelöst werden, kommen in Schüben. Dazwischen ist es möglich, dass niemandem sonst die Krankheit auffällt. Paranoide Schizophrenie ist außerdem nicht die einzige Ausprägung der Krankheit, es wird momentan zwischen fünf Typen unterschieden. In Europa leidet etwa 1% der Bevölkerung daran. Während die Symptome mit heutiger Medikation gut in den Griff zu bekommen sind, hat der Maler nicht so viel Glück: zu seinen Lebzeiten waren Psychopharmaka noch nicht weit genug entwickelt.

Ist da jemand?

Die Gegenstände an sich sind nicht gruslig. Es ist die Kombination, die uns erschreckt. Die Gegenstände an sich sind nicht gruslig. Es ist die Kombination, die uns erschreckt.

Ein Großteil der Spannung entsteht in Layers of Fear unterschwellig. Wir verbringen sehr viel Zeit damit, Schränke und Schubladen zu öffnen und dort nach Hinweisen zu suchen, Bilder zu betrachten und Zeitungsartikel zu lesen. Das ist an sich keine spannende Aufgabe. Dass wir als Spieler trotzdem angespannt auf der Sofakante sitzen bleiben, liegt auch an der großartigen Soundkulisse. So unangenehm die verstörenden Bilder und surrealen Kulissen auch sein mögen: Ohne die Musik wirkt das Spiel in großen Teilen wie ein Rundgang durch ein Avantgardistisches Museum.

Ein Plattenspieler, der auf einmal statt harmonischer Klassik verzerrte Schreie wieder gibt, ein ominöses Rauschen in der Nähe bestimmter Bilder oder das ständige Getrappel kleiner Füßchen in den Wänden. All das baut eine Spannung auf, die komplett ohne abgetrennte Gliedmaßen, Zombies oder Dämonen funktioniert. Wir haben konstant das Gefühl, verfolgt zu werden, obwohl niemand da ist.

Das Atelier des Künstlers wechselt mit jedem Kapitel seine Einrichtung. Das Atelier des Künstlers wechselt mit jedem Kapitel seine Einrichtung.

Der wahre Horror

Eine Sache reißt uns jedoch immer wieder aus der Spannung raus: Layers of Fear ruckelt. Zu Beginn fällt es noch nicht so sehr auf, zumal wir im Spiel weder rennen noch kämpfen. Unser animierter Spaziergang verlangt dem System keine große Leistung ab. Das ändert sich jedoch im Verlauf des Spiels. Je mehr passiert, desto schlechter kommt das Spiel damit klar. Gerade das Finale leidet sehr darunter. Gruselmomente verlieren einfach an Dramatik, wenn das Geschehen auf dem Bildschirm andauernd stockt. Das ist ein bisschen, als würde Samara aus »The Ring« aus ihrem Fernseher purzeln, anstatt sich langsam hinauszuwinden.

Das Bildnis des Dorian Gray
Das einzige der vielen Bücher, von dem wir im Laufe des Spiels den Titel sehen, ist »Das Bildnis des Dorian Gray« von Oscar Wilde. In dem Roman wird ein junger Mann (Dorian Gray) von einem Künstler gemalt. Das entstandene Portrait hat magische Kräfte: Es nimmt sämtliche Bösartigkeit aus dem Gesicht des Grays. Doch als der junge Mann nach einiger Zeit auf das Bild blickt und erkennt, wie verdorben er eigentlich ist, attackiert er das Bild mit einem Messer.

In diesem Moment wird die Kraft des Bildes aufgehoben, und der Schönling verwandelt sich in eine verschrumpelte Leiche. Eine der Botschaften des Buches ist also, dass wir nicht ewig vor unseren Fehlern davonlaufen können. Irgendwann müssen wir uns ihnen stellen. Auch der Maler in Layers of Fear versucht, seine Probleme in Alkohol und Arbeit zu ertränken, und doch holen sie ihn immer wieder ein.

Die Zusammentreffen mit unserer Frau sind alles andere als angenehm. Die Zusammentreffen mit unserer Frau sind alles andere als angenehm.

Das ist kein »Saw«

Da kommt es Layers of Fear sehr gelegen, dass das Spiel nicht rein auf gut gesetzten Jumpscares basiert. Die Atmosphäre, die verstörenden Situationen und nicht zuletzt die Geschichte des Malers selbst sind es, die uns schaudern lassen. Spieler mit lauten Geräuschen erschrecken kann jeder. Layers of Fear erschafft Angst mit allem, was eher im Augenwinkel stattfindet: Der Schatten am Rand unseres Gesichtsfeldes, das seltsame Geräusch, das vielleicht doch nicht nur der Wind war, oder das Gemälde, dass sich verändert, wenn gerade niemand hin sieht.

Layers of Fear ist nichts für Slasher-Fans, die von einem irren Killer gejagt werden wollen. Wer sich aber (am besten mit einem Paar Kopfhörer) auf die Atmosphäre einlässt, wird sechs Stunden lang auf Trab gehalten. Das Haus hat viele, detailreich gestaltete Räume, die Rätsel sind teilweise sehr anspruchsvoll und die Geschichte um den Maler und seine Familie ist ebenso spannend wie tragisch. Wer Kunst bis jetzt immer eher langweilig gefunden hat, wird sie nach Layers of Fear mit anderen Augen sehen.

Layers of Fear - Grafik-Vergleich: PC gegen PS4 Video starten 3:46 Layers of Fear - Grafik-Vergleich: PC gegen PS4

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