In Lara Croft and the Temple of Osiris lässt sich fast alles mit Sprengstoff regeln. Eine Horde Krokodile an den Fersen? Einfach Sprengsatz fallen lassen. Antike Säulen im Weg? Mine dranpacken. Keine Lust, eine mannshohe Messingkugel mit der Hand auf den Schalter zu schieben? Kein Problem - lässt sich mühelos mit Sprengstoff an die gewünschte Stelle katapultieren. Und dann gibt's da natürlich noch unzählige brüchige Wände, die Laras unendlichen Vorrat an Knallkörpern provokant anlächeln. Warum wir das so herausstellen? Weil ferngezündete Minen in den meisten Spielen nur was für Spezialisten sind, die sich die Zeit nehmen, das Schießeisen links liegen zu lassen, um geduldig Korridore mit Knallkörpern vollzupflastern. Im neuen Spin-off der britischen Archäologen läuft das sehr viel unkomplizierter.
Jetzt wird der Skeptiker vielleicht sagen, dass das doch schon im Vorgänger Lara Croft and the Guardian of Light anno 2010 ging. Stimmt - und um eines vorwegzunehmen: Temple of Osiris erbt nahezu jede Spielmechanik von seinem Vorgänger, sowohl Stärken als auch Schwächen, aber der Titel reichert sie mit neuen Elementen an. Besagte Haftminen etwa spielen eine noch gewichtigere Rolle, gerade bei den Kämpfen gegen große Feinde. Und auch der Koop-Modus wurde erweitert. So könnte der kleine Lara-Croft-Ableger, der bisher eher eine erfolgreiche Einzelkuriosität war, mit dem zweiten Teil und all seinen Neuerungen tatsächlich erfolgreich in Serie gehen.
Mehr als Bomberman
Nun ist Lara Croft ja weit mehr als eine Sprengmeisterin. Als Grabräuberin klettert, rätselt und schießt sie sich durch allerhand Ruinen, weicht Fallen aus und sackt wertvolle Schätze ein. So weit, so bekannt. Temple of Osiris setzt dieses Tomb-Raider-Rezept sogar deutlich klassischer um als das letzte »große« Tomb Raider mit seinem actionlastigen Überlebenskampf. Statt mordlüsterner Inselbewohner und lebensfeindlicher Natur gibt's Gräber, Wüsten und allerhand Bezüge zur antiken Geschichte.
Tatsächlich können Serienveteranen viele Parallelen zu Tomb Raider 4: The Last Revelation aus dem Jahr 1999 entdecken: Wieder spielt das Geschehen in Ägypten, wieder müssen wir der finsteren Gottheit Seth eins auf die Mütze geben, und wieder muss sich Lara mit einem Archäologie-Konkurrenten messen. Der heißt aber nicht mehr Werner von Croy, sondern Carter Bell - und hat bei einem Streifzug versehentlich die halbe ägyptische Mythologie entfesselt.
Das hat eine gute und eine böse Folge. Die böse: Sturmgott Seth verflucht die konkurrierenden Archäologen und schickt sich an, die Welt zu zerstören. Die gute: Die Götter Horus und Isis stellen sich in Menschengestalt auf unsere Seite. Also beschließen wir als Lara, das Kriegsbeil mit Carter vorerst zu begraben, um zu viert einen Gott aus dem Verkehr zu ziehen.
Ein großes und vermeintlich spannendes Unterfangen, allerdings spielt die Story eigentlich eine untergeordnete Rolle. Wie schon bei Guardian of Light dient die Handlung bloß als Auslöser, um die vier Helden durch eine fallenbestückte Ruine nach der anderen zu führen. Zwar gibt's wesentlich mehr Zwischensequenzen als im Vorgänger, die sind jedoch alles andere als beeindruckend. So zoomt das Geschehen stets raus, wenn die Figuren reden, weil jede Form von Lippenbewegung fehlt.
Und auch zwischen den Figuren entsteht keine Dynamik, denn selbst wenn die beiden alten Gottheiten ab und an die Veränderungen seit der Antike kommentieren, geben die Dialoge nicht mehr als ein Schmunzeln her. Eine emotionale Story wie in Tomb Raider darf man folglich nicht erwarten - als Motivation geht der Kampf Gut gegen Böse aber gerade noch in Ordnung.
Lara als Kammerjäger
Wo es den Zwischensequenzen in Sachen Inszenierung an Raffinesse mangelt, trumpfen die einzelnen Abschnitte der Spielwelt gegenüber dem Vorgänger spürbar auf. So kämpfen wir in isometrischer Draufsicht auf einer rollenden Felskugel inmitten eines einstürzenden Tempels gegen den wild gewordenen Gott Khepri (im Prinzip einen überlebensgroßen Mistkäfer mit Feueratem), fliehen vor einem gigantischen Krokodil und weichen dabei Stachelfallen und umstürzenden Steinsäulen aus, nur um im nächsten Level ein hungriges Sandmonster mit clever platzierten Spiegeln auszutricksen.
Dazwischen kämpfen wir gegen Feuerskelette, Alligatormenschen, riesige Skarabäuskäfer und diverse andere Monster. Trotz der eher distanzierten Draufsicht schafft es Temple of Osiris, die Spielwelt mit Leben und vor allem mit Dynamik zu füllen. Wo der Vorgänger abseits einiger Highlights noch deutlich statischer Raum für Raum aneinanderreiht, verleiht der Nachfolger jedem Level eine eigene Note und würzt das Rätseln, Klettern und Erkunden mit spektakulären Verfolgungsjagden und opulenten Bosskämpfen.
Und auch das Erkunden wurde gegenüber Guardian of Light gehörig erweitert. Fast schon wie in einem Action-Rollenspiel gibt's an jeder Ecke Upgrades, Gegenstände und Münzen einzusacken. Mit letzteren können wir immer wertvollere Schatztruhen freischalten, die wiederum mit variierender Wahrscheinlichkeit Ausrüstungsgegenstände für unsere Helden enthalten. Das reicht von neuen Waffen bis hin zu Zauberamuletten, Outfits oder Boosts, die beispielsweise den Radius unserer Sprengminen erhöhen. Der Jagd nach Beute kommt eine erheblich größere Bedeutung zu als im Vorgänger, und sie motiviert tatsächlich ungemein.
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