Babynahrung, Digitalkameras, GPS, Schaumstoff und natürlich Teflonpfannen - all das verdanken wir der Weltraumforschung! Denn für die Sicherheit von Mensch und Material im All ist das Allerallerbeste gerade noch gut genug, zumindest wenn die NASA hinter der Expedition steckt. In Journey to the Savage Planet schickt uns jedoch die eher zwielichtige Firma Kindred Aerospace ins Unbekannte, nach eigenem Bekunden das viertbeste (und stolz drauf!) private Weltraum-Unternehmen.
Unser Auftrag: einen exotischen Planeten erforschen und herausfinden, ob der für eine Kolonie (oder zur Rohstoffausbeutung) taugt. Nebenbei sammeln wir Reparaturroh- und Treibstoff für unser bei der Landung dezent beschädigtes Raumschiff Javelin. Das ist nämlich genauso viertklassig wie unsere sonstige Ausrüstung, die wir im Lauf des Spiels immer weiter verbessern. Aber genug gequasselt, stürzen wir uns doch lieber direkt aus der Schiffsluke in die Abenteuer von Journey to the Savage Planet!
Küken-Kicker
Die ersten Schritte auf unserer neuen, einfallslos benamsten Heimatwelt AR-Y 26 sind zaghaft, schließlich haben wir außer einer etwas windigen Pistole (immerhin mit endloser Munition) keine richtige Waffe.
Das wird auch das ganze Spiel über so bleiben, Journey to the Savage Planet ist schließlich kein Shooter, sondern ein Action-RPG. Entsprechend unspektakulär ist auch das Gunplay. Ja, man trifft die Gegner problemlos. Aber nein, das macht bei weitem nicht so viel Spaß wie etwa in Remnant: From the Ashes oder Halo.
Typhoon Studios
Hinter dem jungen Entwickler Typhoon Studios stecken zwei alte Hasen. Firmengründer Alex Hutchinson hat für Ubisoft die Produktion von Assassin's Creed 3 und Far Cry 4 geleitet. Mit offenen Spielwelten und Koop-Modi kennt er sich also aus. Sein Kompagnon Reid Schneider war am ersten Splinter Cell beteiligt, später dann an Mad Max und Batman: Arkham Knight. Typhoon Studios wurden 2017 gegründet, im Dezember schnappte sich Google die Firma für die Entwicklung von Stadia-Titeln. Journey to the Savage Planet könnte also das erste und letzte Spiel des Entwicklers sein, das für "normale" Konsolen erscheint.
Zum Glück sind die ersten Widersacher eher harmlos, die allgegenwärtigen Pufferbirds greifen nicht an, solange man nicht auf sie schießt oder nach ihnen tritt. Die Viecher begleiten uns allerdings durch das gesamte Abenteuer, sind dann auch in aggressiveren Varianten vertreten und tragen später sogar Schutzschilde.
Ähnliches gilt auch für andere Gegner: Fliegende Tintenfische gibt's in mehreren Ausführungen (spucken Schleim oder Säure), ebenso lästige Megamoskitos und anderes Getier. Insgesamt ist die Gegnerparade trotz dieser Varianten ziemlich überschaubar, da wäre mehr drin gewesen. Dafür sind die (wenigen) Bosse teils richtig schick und auch ordentlich knifflig. Freut euch schon mal auf die Rotzschlecker-Matriarchin!
Der Cousin vom Schwager von Samus Aran
Aber hey, es geht in Journey to the Savage Planet schließlich nicht ums Ballern, sondern ums Erkunden - und hier grüßt die Metroid-Serie an allen Ecken und Enden. Schon in der ersten Spielstunde auf der himmelhoch aufragenden Alienwelt stoßen wir auf etliche (Noch-)Sackgassen, von denen nach einem kurzen Scan (Hallo, Metroid Prime!) klar ist, wie man sie überwinden kann.
Forscher-Duett
Wer mag, kann den Planeten AR-Y 26 auch zu zweit im Koop-Modus erforschen. Allerdings gibt's keinen Splitscreen, das Duett funktioniert nur online. Während unserer Testphase waren die Server leider noch nicht live. Sollte der Koop-Modus irgendwelche Besonderheiten bieten (oder Probleme machen!), lest ihr das auf GamePro.de.
Da gibt's Hochzieh-Ankerpunkte, sprengbare Wände und zunächst unüberwindbare Abgründe, für die unser Held entsprechend Enterhaken, Granaten und einen Doppel-, Drei- oder gar Vierfachsprung braucht. Und ähnlich wie in Nintendos Vorlage funktioniert auch hier die "Ich komme später noch mal her"-Karotte perfekt. Man hat einfach keine Ruhe, bis nicht die letzte Wand im Startgebiet zerdeppert ist, auch wenn man eigentlich schon viel weiter wäre.
Dafür gibt's keine echten Rätsel. Mal einen Pufferbird in einen Fleischwolf kicken, damit sich eine Tür öffnet ist das höchste der Gefühle.
Etwas blöd: Journey to the Savage Planet hat keine Karte, Spieler sind komplett auf ihr gutes Gedächtnis (oder Notizen, für das ultimative Retrogefühl) angewiesen. Unverständlich, schließlich hat Star Wars Jedi: Fallen Order gerade erst vorbildlich gezeigt, wie so eine Karte funktionieren kann, ohne das Spiel zu leicht zu machen. Andererseits ist die Welt auch nicht so riesengroß und Kompass-Upgrades helfen später, anfangs unerreichbare Schätze wiederzufinden.
Upgrade-Showstopper
Klingt alles super, allerdings macht sich Journey to the Savage Planet die Upgrade-Suchtspirale durch ein paar fragwürdige Designentscheidungen kaputt. So sind die diversen Verbesserungsstufen an unseren Erforscherrang gebunden. Wer die beste Ausrüstung haben will (große Granatentasche, Vierfachsprung, Ausweichen in der Luft etc.), muss vorher etliche "Experimente" durchführen.
Viele davon sind simpel (bestimmte Gegner untersuchen, Pflanzen scannen), andere dagegen extrem knifflig und oft nur durch Zufall zu schaffen. Vier Pufferbirds per Klebgranate fixieren und dann innerhalb von drei Sekunden abschießen - das schafft man gerade noch so. Aber zwei Gegner gleichzeitig im Säureregen eines erledigten Super-Tintenfischs verätzen? Erst mal so ein fliegendes Viech finden! Und dann auch noch zwei Opfer drunter lotsen. Und all das, während besagter Oktopus seine Säure in unsere Richtung schleudert - das macht keinen Spaß.
Zweites Ärgernis: Für alle Upgrades braucht man Rohstoffe (Karbon, Silizium, Aluminium etc.), die erledigte Gegner zurücklassen. Anfangs sind für die Ressourcenbeschaffung noch kleinere Ernte-Jagdausflüge nötig, der Grind-Faktor hält sich aber in Grenzen. Das ändert sich, wenn ab einer gewissen Stufe die seltenen Alien-Legierungen nötig sind. Schillernde "Eier", von denen es insgesamt gerade genug im Spiel gibt, um alle Upgrades freizuschalten.
Diese Eier sind in der Regel sehr gut versteckt (wobei man später einen Legierungs-Scanner bekommen kann), durch kleine Rätsel geschützt (zum Beispiel drei in der Umgebung verteilte, leuchtende Kugeln zerballern), oder werden von besonders mächtigen Gegnern bewacht. Die Kapyenas (Hyänen) und Spießmander (Stachelechsen) etwa sind im Vergleich zu den normalen Vögelchen und Tintenfischen sehr gefährlich und obendrein schwer zu treffen weil sauschnell. Da fehlt es am Balance-Feinschliff.
Bright Souls
Generell wirkt der Schwierigkeitsgrad etwas unausgegoren, was umso schwerer wiegt, da es nur diesen einen gibt. Kinderleichte Pufferbird-Kickereien wechseln sich ab mit harten Gefechten gegen gleich mehrere Kapyenas. Mitten im fröhlichen Erkunden ist plötzlich virtuoser Umgang mit Enterhaken und Doppelsprung gefragt, sonst kommt man nicht weiter.
Immerhin: Journey to the Savage Planet ist gnädig, wenn unser Forscher ins Gras beißt. Der 3D-Drucker im Raumschiff spuckt einfach einen neuen Abenteurer aus. Mit dem sollten wir dann tunlichst zum Ort des Ablebens marschieren (wird im Kompass markiert) und dort alle bis zum Tod gesammelten Rohstoffe einsammeln - das kennt man aus diversen Soulslikes. Um allzu herbe Verluste zu vermeiden, lohnt es sich, die überall verteilten Teleporter zu aktivieren und die gesammelten Ressourcen regelmäßig im Raumschiff abzuliefern.
Da muss man ohnehin immer wieder mal hin, um am 3D-Drucker die Upgrades freizuschalten. Und um die klamaukigen Videobotschaften anzuschauen, die uns regelmäßig von der Erde erreichen.
Komischer Ausbeuter
Journey to the Savage Planet setzt auf schwarzen Humor, wie wir ihn etwa aus Fallout oder auch The Outer Worlds kennen. Wir sind als Astronaut für unseren profitgierigen Arbeitgeber nur eine Nummer. Und der unsympathische Firmenchef versäumt keine Gelegenheit, uns das unter die Nase zu reiben. Das geschieht entweder durch Mails im Bordcomputer (checkt auch den Papierkorb!) oder durch Videobotschaften. Die sind absichtlich amateurhaft und "cheesy", aber durchaus lustig - wenn man diese Art von Humor mag.
Gleiches gilt für die mit realen Menschen gefilmten Werbespots, die im Raumschiff-TV laufen. Die preisen etwa Nährschleim an, Puppen aus Fleischresten oder "sexy Blobs aus deinem Sonnensystem". Spaßig sind auch die ständigen Kommentare unseres digitalen Assistenten Eko (die sich im Optionsmenü reduzieren lassen).
Allerdings gibt er die auch mitten in Gefechten von sich, wenn man gerade keine Zeit zum Lesen hat. Wohl dem, der die ausschließlich englische Sprachausgabe versteht, eine deutsche Synchronisation gibt es nämlich nicht.
In Sachen Technik gibt sich das Spiel solide: Die Weitsicht ist stellenweise wirklich imposant, und die knalligen Farben sorgen für einen ganz eigenen Stil. Dazu passen die skurrilen Monster, auch wenn die stellenweise etwas polygon- und texturarm wirken.
Das dürfte der Preis dafür sein, dass wir die ganze Spielwelt ohne Ladepausen oder ähnliche Unterbrechungen erkunden können, die gibt's nur beim Teleportieren in ein anderes Gebiet. Ein Extralob verdient der sparsam eingesetzte Soundtrack, der die besondere Atmosphäre von Journey to the Savage Planet untermalt.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.