Ist der Elusive-Target-Zug abgefahren?
Apropos Elusive Targets: Knapp ein Dutzend dieser zeitlich begrenzten Spezialmissionen wurden seit Release des Intro Packs veröffentlicht und können mittlerweile nicht mehr gespielt werden, weil der Timer abgelaufen ist. Trotzdem bleibt der Live-Aspekt auch für jetzige Käufer eines der spannendsten Features: Zum einen sollen bis zum Erscheinen der zweiten Staffel konstant neue Inhalte erscheinen, außerdem rechnen wir fest damit, dass alte Elusive Targets früher oder später bei speziellen Events wieder verfügbar sein werden.
Aber auch abseits davon gibt's mit den »Escalation Missions« Dutzende Nebenmissionen, in denen wir in den Schauplätzen der Kampagne alternative Attentatsziele mit speziellen Bedingungen um die Ecke bringen müssen - beispielsweise mitten in der Pariser Modenschau mit einer extrem sichtbaren Breitaxt. Wer stattdessen lieber an seiner Leistung in den Storymissionen rumtüfteln will, hat pro Szenario zwischen 70 und 100 Herausforderungen, an denen er sich messen kann. Einige sind relativ einfach, beispielsweise die Zielpersonen in Paris mit dem Scharschützengewehr wenige Sekunden nacheinander auszuknipsen.
Ohne Internet nicht machbar
Andere fordern hingegen richtig Hirnschmalz oder Geschick. Wenn Agent 47 in Marrakesch auf dem belebten Basar fünf Ziele mit fünf unterschiedlich orchestrierten Unfällen ausschalten muss - und das als Wahrsager verkleidet - dann scheitern viele schon daran, überhaupt die richtige Verkleidung aufzutreiben. Die Challenges sorgen zwar mit ihren witzigen und cleveren Ideen für enorm viel Langzeitmotivation, sie frustrieren aber auch, weil man ohne Internet-Guide nahezu unmöglich alle lösen kann. Bei dem gerade erwähnten Wahrsager-Attentat müssen wir die Mission im Missionseditor selbst zusammenschustern, weil die Standard-Kampagne überhaupt keinen Job mit fünf Zielen anbietet. Und der einzige Wahrsager im Level, dessen Verkleidung wir stehlen könnten, sitzt mitten auf dem Basar. Erst wenn wir ihm fünf Münzen auf den Teller werfen, verzieht er sich in sein Versteck - und kann von uns beklaut werden.
Nur die härtesten Fans werden solche Gimmicks ohne Internet herausfinden. Wenn ihr die 100 Prozent knacken wollt, könnt ihr euch als Spieler also darauf einstellen, mit Tablet, Smartphone oder Second Screen neben dem Spielbildschirm YouTube-Videos abzuarbeiten, um alle Belohnungen zu bekommen. Auch hier entpuppt sich Hitman wieder als Hardcore-Fan-Titel, das von Iterationen, Wiederholungen und dem Perfektionismus seiner Community lebt.
Enthusiasten, die sich auf dieses Auftragsbündel einlassen, bekommen dafür eine extrem suchterregende Spielerfahrung. Kein Wunder, dass in den Kommentaren der GameStar-Community immer wieder Leser von ihren 200 Spielstunden berichten. Wenn IO Interactive Hitman 6 als ultimative Attentatsfantasie verkauft, dann ist das hier wirklich mehr als Marketing-Geplapper, sondern tatsächlich ziemlich nah an der Wahrheit.
Wir haben unzählige Abende allein damit verbracht, im Missionseditor coole Aufträge zu erstellen. Das geht ganz einfach: Man markiert irgendeine Zielperson in einem Schauplatz, bringt sie auf eine spezielle Art um und entkommt. Dieser Durchlauf dient dann als Blaupause für einen Community-Auftrag, den man bequem per Square-Netzwerk veröffentlicht. Andere Abende haben wir an unseren Highscores geschraubt, die Hokkaido-Mission beispielsweise absolviert, ohne eine der Zielpersonen auch nur zu berühren. Am Wochenende sitzt man mit Freunden vor dem Bildschirm und erledigt unter Hochdruck das Elusive Target, während man gemeinsam über die perfekte Strategie philosophiert. Denn hier hat man nur den einen goldenen Versuch. Es gibt Dutzende von Gadgets, mit denen man experimentieren kann: Zum Beispiel die explosive Gummi-Ente, die bei uns erst letztens zwei Zielpersonen beim Restaurant-Diner in Bangkok am künftigen Fleischverzehr gehindert hat.
Was hat sich seit Episode 1 getan?
Seit Release der ersten Episode haben die Entwickler außerdem an diversen Baustellen gearbeitet. Die Ladezeiten sind verkürzt worden, das Inventar wirkt deutlich aufgeräumter, und Icons im Menü, die vorher erst nach Sekunden laden wollten, sind jetzt blitzschnell da. Außerdem erscheint auch rückwirkend neuer Content für ältere Aufträge. Lediglich das Schussgefühl bleibt einer der spielerischen Stolpersteine: Das Schießen macht in Hitman noch genauso wenig Spaß wie bei Release des Intro Packs, sowohl auf Konsolen als auch PC. Die Waffen haben quasi keinerlei Trefferfeeback, fühlen sich klobig und unpräzise an, während die Feinde uns auf irrsinnige Distanzen mit der Pistole in Windeseile aus dem Leben fegen. Klar, bei einem Stealth-Spiel soll Schleichen der Königsweg sein, aber nicht unbedingt nur deshalb, weil die Alternative keinerlei Spaß macht. Gut, am Ende kommt's aufs Gleiche raus: Hitman spielt man besser geduckt.
Dann entfaltet es sich als eines der derzeit besten Stealth-Games. Wir mischen uns unters Volk, um Ziele und Gelegenheiten zu erspähen, schleichen uns in abgesperrte Bereiche, schlagen heimlich Wachen KO und zerren sie in den nächstgelegenen Schrank. Agent 47 studiert seine Umgebung stets bis ins letzte Detail. Wenn er den Abzug drückt, sind alle Vorbereitungen getroffen und im besten Fall kriegt nicht mal das Opfer selbst mit, was gerade geschieht. Mit den Live-Features, den abwechslungsreichen Schauplätzen, den kreativen Herausforderungen und bizarren Nebenaufträgen schafft das sechste Hitman-Abenteuer eine sehr gute Grundlage, um all die Stärken auf ein neues Niveau zu hieven, die die Serie seit jeher ausmachen.
Hätte man dafür zwangsläufig das Episodenformat gebraucht? Wahrscheinlich nicht. Und dass Käufer der Full Experience jetzt doch nur die erste Staffel einer noch immer nicht fertigen Geschichte haben, dürfte Gegnern dieses Release-Modells zurecht neue Munition liefern. Hitman ist mehr Fan-Spiel als frühere Serienteile, die sich mit ihren üppigen Kampagnen an eine breitere Masse richteten. Auf der anderen Seite wurde zuletzt Hitman: Absolution genau dafür harsch durch die Community kritisiert. Wir halten das Episodenformat unterm Strich für ein gelungenes Experiment: Denn dadurch blicken wir auf acht Monate voller aufregender Hitman-Geschichten zurück, die wir in den abwechslungsreichen Sandbox-Schauplätzen erlebt haben. Durch die konstanten Updates war und ist Hitman eher ein fortdauernder Service als ein abgeschlossenes Spiel - und als solcher funktioniert es super. Mit einem klassischen Vollpreis-Hitman hätten wir uns sicherlich nicht so ausdauernd beschäftigt. Und genau deshalb darf man es auch nicht wie eine klassische Kampagne spielen, wenn man Spaß damit haben will.
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