Agent 47 mag der beste Auftragskiller der Welt sein, doch mit Zahlen hat er's trotzdem nicht. Eigentlich müsste Hitman 2 nämlich Hitman 7 heißen, schließlich gab's das erste Hitman 2 (Silent Assassin) bereits vor über 15 Jahren. Doch mit dem 2018er-Teil will Entwickler IO Interactive ja Hitman von 2016 fortsetzen, bei dem es sich wiederum eigentlich um Hitman 6 handelt.
Besitzt man nun neben dem neuen Hitman 2 aber zusätzlich die GOTY-Edition von Hitman (6), dann enthält Hitman 2 oder 7 den kompletten Vorgänger, man bekommt also quasi das Kombo-Produkt Hitman 6 plus 7.
Obwohl es nur Hitman 2 heißt und … wir lassen das jetzt, IO Interactive will hier natürlich Veteranen und Neulinge gleichermaßen ansprechen und schenkt sich deshalb eine sklavisch korrekte Nomenklatur.
Das dürfen die Dänen auch gerne tun, denn egal ob man Hitman 2 nun als zweite Staffel, waschechten Nachfolger oder siebten Teil bezeichnet: Dieses Spiel wird schleich-affinen Meuchel-Fans die morbiden Freudentränchen in die Augen treiben.
Im Test zeigt sich allerdings, dass man für den korrekten Hitman-Genuss unbedingt ein Herz für Zeitschleifen à la »Und täglich grüßt das Murmeltier« haben sollte.
Vorgänger inklusive: Wer den Vorgänger in seiner Spiele-Bibliothek besitzt, findet das komplette Spiel in Hitman 2 - inklusive aller Gameplay-Verbesserungen des Nachfolgers. Ein großartiges Feature! Der kostenlose Prolog des 2016er-Hitman ist in jedem Fall im Spiel und dient als zusätzliches Tutorial. Abgeschlossene Challenges werden leider nicht importiert.
Kurzes Abenteuer, langes Vergnügen
Um den Murmeltier-Einwurf direkt zu entwirren: Wer sich mit Hitman 2 beeilt, alle Hilfestellungen und Tutorials aktiviert und sich geschickt anstellt, der ist mit der Kampagne an einem Tag durch. Und das, obwohl die Entwickler hier (anders als beim Vorgänger) auf ein Episodenformat verzichten.
Ihr bekommt also das komplette Paket, alle sechs Aufträge direkt zum Release. Trotz dieser Fülle kann man Hitman 2 ziemlich rasant durchspielen und dann womöglich ebenso rasch den Umfang kritisieren.
Das sollte man beides aber nicht zwangsläufig tun, denn Hitman 2 will wie der Vorgänger auf eine ganz bestimmte Art gespielt werden. Wie in »Und täglich grüßt das Murmeltier« ist es eigentlich unabdingbar, einzelne Abschnitte häufiger zu wiederholen.
Ihr solltet Missionen immer und immer wieder angehen, um neue Strategien für das perfekte Attentat zu entdecken, kuriose Lösungen abseits der vorgegebenen Möglichkeiten auszuprobieren.
Das Spiel schlägt uns nach Abschluss einer Mission sogar vor, den Auftrag einfach nochmal auf diese oder jene Weise abzuschließen, bevor man mit der Story fortfährt.
Der Weg ist das Ziel
In Hitman 2 ist der Weg das Ziel. Wer mit dieser Leitlinie loslegt, kann problemlos Dutzende Stunden in den Missionen versenken. Die gigantischen Locations verstehen sich als eine Art kreative Killer-Sandbox: In der Rolle von Auftragsmörder 47 landet ihr mit nicht mehr als einem kurzen, nett gemachten Briefing an der Hand beispielsweise mitten in Mumbai, Kolumbien oder Miami und müsst irgendwie die Zielpersonen ausschalten.
Einfach die Flinte auszupacken, führt eigentlich nie zum Ziel. Stattdessen machen wir cleveren Gebrauch von Giften, Sprengstoffen, Verkleidungen und Ablenkungsmanövern, um die Wachleute und Zielpersonen heimlich nach unserer Pfeife tanzen zu lassen.
So schleichen wir uns durch die großen Areale, beobachten Wachpatrouillen, erklimmen Fenstersimse, mogeln uns in geschlossene Veranstaltungen und planen den perfekten Hit.
Detektivische Aufklärung wird hierbei stets belohnt: Wer sich besonders pfiffig anstellt, entdeckt sogenannte Signature Kills. So töten wir beispielsweise einen Filmproduzenten, indem wir die Ventilatoren am Filmset aufdrehen und den Kerl einmal über die Dächer von Mumbai blasen.
Dieser Mix aus Möglichkeiten funktioniert in Hitman 2 ebenso hervorragend wie im Vorgänger und motiviert ungemein.
Staffel 2 statt Hitman 2
Apropos Vorgänger: Wir haben es hier gedanklich mit einer zweiten Staffel zum Episoden-Hitman zu tun. Nachdem Hitman (2016) sehr gemächlich die ersten Puzzleteile einer spannenden Verschwörung auf dem Spielbrett verteilte, geht es nun in Hitman 2 glücklicherweise Schlag auf Schlag voran.
Nach jeder einzelnen Mission wird man mit spannenden Wendungen konfrontiert, die gleichzeitig ein neues Licht auf die ganz alten Serienteile werfen.
Obwohl die Story in der Hitman-Serie eigentlich seit dem guten alten Silent Assassin von 2002 eher Beiwerk ist, gelingt Hitman 2 ein beeindruckender Spagat, Veteranen und Neulingen eine gleichermaßen spannende Agentengeschichte zu präsentieren.
Blöd nur, dass die technische Qualität dieser Präsentation gegenüber dem Vorgänger spürbar nachgelassen hat. Statt richtiger Zwischensequenzen bestehen die Dialoge, die die Rahmenhandlung nach jeder Mission vorantreiben, lediglich aus animierten Standbildern.
Offenbar musste hier Zeit oder Geld eingespart werden. Aber gut, immerhin überzeugt die (ausschließlich englische) Vertonung. Und nach dem Abspann wollen wir dank des tollen Skripts händeringend wissen, wie es weitergeht!
Keine deutsche Sprachausgabe? Wie beim Vorgänger sprechen auch in Hitman 2 alle NPCs gestochen scharfes Englisch, egal ob in Mumbai, Miami oder Kolumbien. Es gibt zwar deutsche Untertitel und Menüs, jedoch keine deutsche Sprachausgabe.
Ein Hauch von Blood Money
Alles andere als nachgelassen hat die Qualität in den Missionen selbst. Die Glacier-Engine kämpft zwar immer noch mit ihren technischen Grenzen, Charakteranimationen sind beispielsweise recht steif, Gesichter ausdruckslos.
Nichtsdestotrotz protzt Hitman 2 mit detaillierten Umgebungen, stimmungsvollen Lichteffekten und clever eingesetzten Panorama-Aussichten als der bis dato schönste Serienteil. Und nicht nur in Sachen Grafik schlägt das Spiel seine eigene Serienvergangenheit.
Im Vorgänger glänzten einige Locations wie Sapienza und Hokkaido als die klaren Highlights der Kampagne, in Hitman 2 ist schlichtweg jedes Level herausragend gut gestaltet. Da fällt auch kaum ins Gewicht, dass es insgesamt einen Schauplatz weniger gibt als in Hitman (2016). Fehlende Masse schlägt der Nachfolger mit Klasse.
Die gigantischen Umgebungen bieten unglaublich viele Details, die besonders aufmerksamen Meuchelmördern beim Handwerk helfen können.
In Kolumbien spüren wir in einem lebendigen Fischerdorf die Höhlensysteme der Drogenbarone auf, im Großstadtmoloch von Mumbai erleben wir von prunkvollen Bollywood-Studios bis zu kriminellen Slum-Königreichen ein weites Spektrum der Korruption.
Und die Whittleton-Creek-Mission in einem idyllischen amerikanischen Vorort wirkt wie eine massiv erweiterte Fassung des legendären Auftrags »A New Life« aus Hitman: Blood Money.
Jedes Haus in dieser großen Nachbarschaft ist begehbar, erzählt seine eigene Geschichte, bietet besondere Möglichkeiten: zum Beispiel, ein potenzielles Scharfschützennest im Kinderbaumhaus einzurichten. Oder Maulwurfshügel mit Sprengstoff zu verminen.
Erweitertes Drum und Dran
Wer seine Attentate auf besondere Art und Weise erledigt, absolviert damit Dutzende Herausforderungen pro Level, schaltet neue Waffen, Gadgets oder Startpunkte frei. Neue Gegenstände wie Gift, Dietrich oder Brechmittel ermöglichen wiederum elegantere, neue Spielweisen.
Die Entwickler bemühen sich zudem spürbar, die einzelnen Aufträge mit eigenen spielmechanischen Besonderheiten zu würzen.
In Mumbai kennen wir zum Beispiel nicht alle Zielpersonen, in Kolumbien liegen diese hingegen sehr weit auseinander, in Whittleton Creek müssen wir zusätzlich auch Geheiminformationen aufdecken. Sogar einen optionalen Eskortierauftrag gibt's.
Das Meucheln bleibt Hitmans Kerngeschäft, die zusätzlichen Ziele lockern aber den Spielfluss auf. Im Herzen ähnelt der Spielablauf allerdings dennoch sehr dem des Vorgängers.
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