Vorbesteller-Boni haben ja öfter mal keinen so guten Ruf, ihnen wird Geldmacherei nachgesagt und manchmal mag da auch was dran sein. Die Halo Wars: Definitive Edition gehört aber mit Sicherheit zu den Positivbeispielen. Dass Microsoft hier im Rahmen der Preorder-Edition von Halo Wars 2 ein acht Jahre altes Spiel für moderne Plattformen (neben Xbox One auch für den PC) restauriert, aufhübscht und mit einem voll funktionsfähigen Online-Modus samt der kompletten DLC-Sammlung ausstattet, verdient definitiv ein Fleißpünktchen.
Dabei sind die grafischen Extras gar nicht der Grund, der Halo Wars auch 2017 noch so interessant macht. Denn als größter Pluspunkt dieses Spiels entpuppt sich eindeutig die tolle Singleplayer-Kampagne - zumindest dann, wenn ihr gewisse Voraussetzungen mitbringt.
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Endlich eine ordentliche RTS-Kampagne!
Wir machen jetzt mal einen kleinen Lesertest, um rauszufinden, ob euch Halo Wars Spaß machen wird. Lest dazu bitte zuerst den folgenden Absatz: Halo Wars spielt im Jahr 2531, knapp 20 Jahre vor den Ereignissen des allerersten Halo: Combat Evolved. Die UNSC Spirit of Fire schwebt über den Ruinen des »geglasseden«, aber zurückeroberten Planeten Harvest - ein Pyrrhussieg, den die Erdtruppen nur mit Hilfe der SPARTAN-II-Commandos gewinnen konnten.
Doch die Allianz heckt offenbar schon einen neuen Plan aus: UNSC-Sergeant Forge erspäht auf der Planetenoberfläche den Arbiter und seine Truppen, der in einer Blutsväter-Architektur auf Befehl des Propheten Regret nach einer geheimen Waffe sucht. Im Streit darüber entbrennt die umfangreiche Kampagne mit ihren knapp 15 Missionen.
So. Alles verstanden? Falls nicht, dann treffen Sie genau den Kern des größten »Haken der Halo-Wars-Kampagne: Sie wurde in erster Linie für Fans der Shooter-Serie gemacht.
Aliens vs. Menschen. Noch Fragen?
Klar, die Rahmenhandlungen dürfte man so oder so halbwegs nachvollziehen können - das Setting »Menschen vs. Aliens« klingt ja auch recht eingängig. Aber die hervorragend inszenierten Zwischensequenzen von Halo Wars setzen voraus, dass Ihnen diese ganzen Fraktionen, Namen und Einheiten bereits im Vorfeld etwas bedeuten.
Das Halo-Universum hat eine extrem reichhaltige Hintergrundgeschichte, gefüttert durch unzählige Bücher, Comics und Spiele. Fans dieses Kanons bekommen hier eine tolle Prequel-Geschichte, die die Anfänge des erbitterten »Human-Covenant-War« ins Zentrum rückt. Die Entwickler haben die SciFi-Welt mit sehr viel Liebe zum Detail umgesetzt, die Spartaner greifen beispielsweise auf exakt das gleiche Waffenarsenal zurück wie der Master Chief in den Shooter-Ablegern der Serie. Und wenn die kleinen Supersoldaten einen feindlichen Banshee-Jäger knacken, indem sie die Pilotenkanzel mit der Faust zu Klump hauen, dann seufzt der Fan vor Freude.
Fachfremde müssen jedoch damit leben, dass das Setting sie wahrscheinlich weniger in seinen Bann zieht - die Kampagne bleibt unterm Strich aber trotzdem durchweg unterhaltsam. Das liegt nicht zuletzt an dem tollen Missionsdesign.
Deftige Volksküche
Die Spielmechanik von Halo Wars ist wie deftige Volksküche. Es verzichtet auf ein ausgeklügeltes Rezept aus unzähligen, fein-aromatischen Zutaten, verrührt stattdessen grobe Kost zu einem deftigen Gericht, das am Ende trotzdem ziemlich gut schmeckt. Im Vergleich zu etablierten PC-Strategiespielen wirken die Gefechte stark reduziert: Es gibt lediglich zwei spielbare Fraktionen (Menschen und Aliens), die sich Panzer, Soldaten und Flugzeuge auf den Hals hetzen. Eine eigene Kampagne haben nur die Menschen der UNSC.
Spielerisch erwartet uns kompakten Basisbau, bei dem wir an vorgegebenen Stellen Fabriken, Reaktoren oder Kasernen zusammenschrauben. Ein paar Extras gibt's dann aber doch: Alle Einheiten lassen sich upgraden, Flugzeuge bekommen beispielsweise kleine Bordschützen, und unsere Truppen sammeln Erfahrung, um Veteranenränge freizuschalten.
Die »Skirmish Matches« spielen sich flott und unterhaltsam, aber eben wie die Einsteiger-Variante moderner RTS-Titel. Profis dürften die KI in diesen schnellen Gefechten recht schnell aufs Kreuz legen. Doch wo den »2 vs. 2«- oder »1 vs. 1«-Schmarmützeln nach einer Weile die Luft ausgeht, bleibt die Kampagne bis zum Schluss spannend, weil sie die einfachen Spielmechaniken immer wieder aufs Neue clever kombiniert.
Mal müssen wir mit zwei Panzern in die Gruft einer antiken Alien-Rasse stürmen, um Sergeant Forge und seine Leute zu retten. An anderer Stelle wird die Menschenstadt Arcadia von Feinden überfallen, wir müssen die Fluchtschiffe und Zivilistenströme an der Seite der Spartans in einem gnadenlosen Rückzugsgefecht verteidigen.
Koop-Kampagne! Hach!
Im nächsten Auftrage fliehen wir mit einer Handvoll Soldaten und bauen in einer Grube ein verzweifeltes Verteidigungsnest, das wir bis zur Ankunft von Verstärkungstruppen halten müssen. Doch die Vergeltung am Ende ist dafür umso süßer. Halo Wars würzt jede dieser Missionen mit Nebenaufgaben - im gerade erwähnten Beispiel erscheint plötzlich ein gegnerischer Artillerieturm, der unser Nest beharkt.
Wir können uns starrsinnig verbunkern oder riskieren eine schnelle Flucht nach vorn, um das Ding trotz angreifender Feinde auszuschalten. Und das Sahnehäubchen: Die komplette Kampagne funktioniert auch im Koop mit einem Kumpel.
Zu zweit teilt man sich die heimische Basis. Jeder Spieler lenkt die Truppen, die er selbst damit gebaut hat. Fehlt in einer Mission der Basenbau, dann kriegt jeder eine Hälfte der verfügbaren Truppen. Das funktioniert reibungslos, auf höchstem Schwierigkeitsgrad bleibt Halo Wars auch im Koop eine knallharte Erfahrung. Lediglich der gemeinsame Ressourcen-Pool nervt ein wenig, weil man seine Truppenrekrutierung permanent mit dem Kollegen abstimmen muss. Trotzdem: Gemeinsam spielt sich Halo Wars extrem launig, gerade weil RTS-Titel mit Koop so eine Seltenheit sind.
Tolle Technik mit Hindernissen
Ein Strategiespiel fürs Gamepad und die Konsole zu optimieren, ist keine leichte Aufgabe. Aber das hat Halo Wars schon 2009 mit Bravour gemeistert - und die Definitive Edition steht dem in nichts nach. Klar, man muss sich an das Steuerungsschema gewöhnen, aber nach einer Weile lassen sich die Einheiten problemlos und zielgenau übers Feld manövrieren. Einziger Haken: Komplexere Manöver sind schwierig durchzuführen. Wir können beispielsweise keine Einheiten zu festen Gruppen zusammenfassen. Und Multitasking mit mehreren Truppentypen wird schnell zur Fummelaktion.
Unterm Strich ist Halo Wars trotzdem ein sehr kurzweiliges und gelungenes Echtzeitstrategie-Spiel, das sich an eine ganz spezielle Zielgruppe richtet. Und damit meinen wir nicht mal unbedingt die Halo-Fans (wobei die klar die bevorzugten Spieler sind), sondern Freunde von Kampagnen und Koop-Features in RTS-Titeln. Halo Wars spielt ihr nicht wegen der Skirmish-Gefechte oder dem PvP-Modus. Diese Modi sind zwar alle vorhanden und funktionieren rund, allerdings bleibt die Kampagne klar das Highlight.
Sowohl in puncto Gamedesign als auch im Hinblick auf die opulent inszenierte Geschichte lohnt sich Halo Wars allein wegen der coolen Missionen, die beides clever miteinander kombinieren. Das darf Halo Wars 2 alles gerne erben.
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