Auf Hochzeiten kann schnell was schiefgehen. Jemand tritt der Braut auf die Schleppe, die Torte fällt vom Tisch, der Brautvater bringt mithilfe von Söldnern alle Gäste um. Fall Drei ist besonders ärgerlich, aber genau die Art von Hochzeit, die wir zu Beginn von Game of Thrones - A Telltale Games Series erleben. Als loyale Anhänger der Starks geht's dort auch für Haus Forrester ziemlich schnell bergab, dem Haus, den wir als Knappe Gared dienen und für dessen Überleben wir uns fortan an verschiedenen Orten und mit unterschiedlichen Charakteren einsetzen.
Von der blutigen Feier bis zum Staffelfinale geben wir im gewohnten Telltale-Mix aus Gesprächen, Point & Click und Quicktime-Events unser Bestes, streiten mit Irren und verhandeln mit Königinnen - und müssen am Ende resignierend feststellen, wie wenig unsere Entscheidungen bedeuten.
Eine Stark(e) Familie
Dass sich die Geschichte um die unbekannten (aber nicht frei erfundenen) Forresters dreht, ergibt aus erzählerischer Sicht Sinn: Während prominente Figuren wie Cersei Lannister oder Jon Snow den Pfaden folgen müssen, die sie auch in der Serie beschreiten, können wir uns als Spieler frei zwischen den Mächtigen bewegen und unsere eigene Geschichte schreiben.
Schade nur, dass die Entwickler diesen spielerischen Vorteil nicht für sich stehen lassen, sondern aus Haus Forrester für den höheren Widererkennungswert auch noch einen nahezu identischen Klon der beliebten, aber arg gebeutelten Starks aus Buch und Serie machen.
Da gibt es den ehrbaren, todgeweihten Vater und den genauso ehrbaren, aber impulsiven Erstgeborenen. Dazu die Löwenmutter, die das Wohl der Familie vor politische Schachzüge stellt und die älteste Tochter, hin- und hergerissen zwischen den Freuden und Gefahren des höfischen Lebens. Fehlen nur noch der ob seiner neugewonnenen Verantwortung mit sich hadernde jüngere Sohn, das kämpferische Mädchen und der Jüngste im Kleinkindalter. Selbst Knappe Gared wirkt wie eine leicht abgewandelte Version von Jon Snow.
Die einzigen Figuren, die aus der »Stark« vorgegebenen Charakterzeichnung ausbrechen, sind Asher Forrester, der wegen einer Romeo-und-Julia-Affäre im Exil in Essos lebt sowie seine Freundin Beshka, die sich gemeinsam mit Asher als Söldner durchschlägt. Klar, die Familientragödie funktioniert als Stilmittel ebenso wie in der Serie, wird dadurch aber viel vorhersehbarer. Hinzu kommt noch, dass die einzelnen Abschnitte mit einer Person oft so kurz ausfallen, dass mitunter der Gesamtüberblick leidet.
Stumpfe Schwerter schneiden nicht
Da sich die Familiengeschichten so »Stark« ähneln, ahnen wir schon, dass das Leben der Forresters auf Messers Schneide steht und wir uns besser sehr genau überlegen, in welcher Situation wir welche Entscheidung treffen. Das verheißt uns das Spiel bereits in der ersten Episode, in der wir vor allem auf die Bluthochzeit reagieren und das sich schlagartig verfinsternde politische Klima in den Griff bekommen müssen - und die, ganz spoilerfrei gesprochen, mit einem Paukenschlag endet, den nichts in der gesamten nachfolgenden Staffel übertreffen kann.
Was sich als erschütternder Einstieg ins Gedächtnis brennt, macht es den übrigen Episoden allerdings umso schwerer, denkwürdige Augenblicke zu schaffen, weil die Entwickler ganz nach Serienrezept immer weiter an der Eskalationsschraube drehen müssen, um neue emotionale Tiefschläge zu produzieren. Eine Grausamkeit folgt auf die andere, bis sie uns irgendwann einfach kalt lassen.
Es gibt zwar auch zwischendurch Momente, in denen wir einfach kurz vor dem Bildschirm sitzen und staunen, die lassen sich jedoch an einer Hand abzählen und leben hauptsächlich von den authentischen Seriencharakteren, die trotz Zeichentrickoptik ihren realen Vorbildern wie aus dem Gesicht geschnitten sind und uns nachvollziehbar das Leben schwermachen.
Wer beispielsweise denkt, es wäre einfach, Königin Cersei Honig ums Maul zu schmieren, erntet als Speichellecker nichts als ihre Verachtung. Trotzig und frech dürfen wir uns allerdings ebenfalls nicht gebärden, schließlich stehen wir vor der mächtigsten Frau von Westeros. Na ja, Cersei kann man's halt auch nie rechtmachen, spannend ist das Gespräch trotzdem.
Jetzt entscheiden oder für immer schweigen
Das klingt nach spannenden Wortgefechten und macht tatsächlich Spaß, solange wir den Regeln des Spiels folgen und brav aus den unterschiedlichen Dialogoptionen auswählen. Entscheiden wir uns nämlich erst einmal, nichts zu tun und zu schweigen, offenbart sich das schwache Grundgerüst des Spiels.
Denn in den meisten Fällen ist es ganz egal, ob wir etwas tun oder uns nebenbei Tee kochen, die Handlung schreitet so oder so voran. Das wird besonders deutlich, wenn mal wieder ein Besuch von Serienpsychopath Ramsay Bolton ansteht. Der taucht in fünf von sechs Episoden nämlich nur auf, um alle unsere Erfolge zu ruinieren und die Geschichte wieder auf den von den Schreibern vorgesehenen Kurs zu bringen.
»Passt doch gut ins Bild, ist doch in der Serie auch so«, könnte man sagen. Aber die Serie konsumieren wir als Zuschauer, was mit unseren Lieblingen passiert, können wir nicht ändern. Das Spiel dagegen lässt uns erst mal zwei Stunden arbeiten, nur um dann wieder alles über den Haufen zu werfen. Das ist höchst unbefriedigend und zerstört vollkommen die Illusion der Entscheidungsfreiheit, die Telltale uns vorgaukeln möchte.
Dieses Muster zieht sich von der ersten bis zur letzten Episode und vermiest uns die eigentliche Geschichte und den Wiederspielwert, denn selbst das große Finale können wir nicht wirklich beeinflussen. Am Ende haben wir viel gespielt, aber nicht mehr erreicht als ein schweigender Zuschauer. Das Gefühl, das bleibt? Eigentlich hätten wir es auch sein lassen können.
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