Was für eine schwere Geburt! Final Fantasy 15 hing über zehn Jahre am Nabel seiner Entwickler, die wie Besessene an ihrem ungeborenen Baby herumdokterten. Die letzte Dekade war geprägt von Namensänderungen, Entwicklerwechsel und Neukonzeptionen - aus dem ehemals geplanten Spinoff zu Final Fantasy 13 wurde ein eigenständiges Spiel mit eigenem Universum, eigener Hintergrundgeschichte und eigenen Charakteren.
Eine so bewegte und holprige Entwicklungsphase hinterlässt ihre Spuren: Man merkt Final Fantasy 15 in jedem Pixel an, wie viel Arbeit hineingeflossen ist. Es ist spektakulär, wunderschön und eines der ambitioniertesten Rollenspiele der letzten Jahre - in mancher Hinsicht aber sogar zu ambitioniert.
Prinz eines gefallenen Königreichs
Final Fantasy 15 wirft euch ohne Umschweife und große Erklärungen direkt ins kalte Abenteuerwasser: Der Held Prinz Noctis Lucis Caelum verlässt mit seinen besten Freunden Prompto, Ignis und Gladiolus die Königsstadt Lucis, um mit dem Orakel Lunafreya getraut zu werden. Die Hochzeit hat politische Gründe, sie soll eigentlich die Wogen zwischen dem Königreich und dem Niflheimer Imperium glätten. Doch das Friedensabkommen scheitert: Kaum hat Noctis seine Heimat verlassen, infiltrieren feindliche Truppen den Thronsaal, legen Lucis in Schutt und Asche und töten König Regis - den Vater von Noctis.
Der junge Prinz tut das, was vermutlich jeder machen würde, zumindest in Rollenspielen: Er schwört Rache, Niflheim muss fallen. Die meisten Spieler dürfte das jedoch anfangs kaum jucken, denn die offene Spielwelt lockt mit dutzenden Nebenaufgaben, Sehenswürdigkeiten, versteckten Schätzen, Minispielen und jeder Menge Monstern - reichlich Möglichkeiten und Gründe also, um von der Geschichte abzulenken.
Etwas, das sich ein traditionell story-lastiges Final Fantasy eigentlich nicht leisten kann. Die Lösung der Entwickler wirkt jedoch reichlich unelegant: Ab einem gewissen Punkt lassen Noctis und seine Crew die Startregion hinter sich, ab dann folgt das Abenteuer einem streng linearen Pfad und widmet sich voll und ganz den Figuren und der Handlung. Final Fantasy 15 wählt also bewusst den umgekehrten Weg wie die bisherigen Serienteile, die stets linear begannen und ihre Welt dann sukzessive, zumindest teilweise öffneten. Das wird nicht jedem Fan gefallen.
Unterschiede PS4/Pro
Auf der Standard-PS4 läuft Final Fantasy 15 weitestgehend flüssig, nur hin und wieder kommt es zu leichten Einbrüchen der Bildrate. Außerdem gibt's Popups in der offenen Welt. Beide Probleme sind allerdings nicht gravierend.
Auf der PS4 Pro habt ihr die Wahl zwischen zwei Grafikoptionen: »Visuell« und »Leistung«. Bei letzterer Einstellung sieht FF15 genauso aus wie auf der PS4, läuft aber flüssiger. Bei »Visuell« werden Vegetation, Schatteneffekte und Antialiasing hochgeschraubt, was in deutlich glatteren Objektkanten und einem schärferen Bild resultiert. Dann müsst ihr jedoch hin und wieder kleinere Framedrops in Kauf nehmen. Möglich, dass ein künftiger Patch die Performance auf der PS4 Pro weiter verbessert.
Ein Fest für Pfadfinder
Die ersten Stunden gehören dank der beeindruckenden Open World dafür zu den faszinierendsten der Seriengeschichte: Eos ist wunderschön und abwechslungsreich gestaltet. Da stapfen gigantische Saurierwesen durch einen See, Chocobos hoppeln aufgeregt durch den Wald und im Zentrum erstreckt sich ein riesiger Meteorkrater. Darüber hinaus entdeckt ihr immer wieder besondere Items und Waffen in entlegenen Winkeln - Erkunden wird belohnt.
Wer die Augen nicht offenhält, marschiert womöglich an den teils gut versteckten, und völlig optionalen Dungeons vorbei. Die sind zwar aufgrund des schlauchartigen Aufbaus und den sehr kargen Umgebungen teils schockierend hässlich gestaltet, belohnen euch am Ende aber immer mit einem kleinen Bosskampf und einer von insgesamt 13 Beschwörerwaffen, die verheerenden Schaden anrichten, euch aber im Kampf auch Lebensenergie abknabbern. In den Kerkern und Gruften werdet ihr außerdem mit kleineren Schalterrätseln und Geschicklichkeitseinlagen konfrontiert, echte Kopfnüsse dürft ihr aber nicht erwarten.
Generell obliegt es euch, wohin ihr als nächstes reist. Die Freiheit ist überwältigend. Um einen Teil der Karte und somit wichtige Punkte wie Händler, Ortschaften oder Schätze aufzudecken, reicht es, in einem nahegelegenen Restaurant oder Café mit dem Angestellten zu plaudern. Und auch wenn die Spielwelt weder zu groß noch zu klein ausfällt, ist es äußerst mühsam, sich zu Fuß fortzubewegen. Abhilfe schaffen Chocobos sowie das Regalia-Königsgefährt. Die Kiste folgt jedoch nur Straßen und kleineren Feldwegen, völlig frei könnt ihr nicht herumbrausen. Daher gestaltet sich die Reise von A nach B zuweilen etwas umständlich, zumal ihr den Regalia hin und wieder auftanken müsst - ein ebenso nerviges wie überflüssiges Spielelement.
Massenweise Aufgaben und Nebenquests
Jäger und Sammler kommen auch bei den zahlreichen Nebenmissionen auf ihre Kosten, die euch teilweise zu tollen Sehenswürdigkeiten führen, euch teilweise aber auch in einen knackigen Bosskampf verwickeln. Unvergessen bleibt zum Beispiel der erste Kontakt mit einem Behemoth, den ihr zu seinem Nest verfolgen und dort schließlich niederstrecken müsst. An anderer Stelle infiltriert ihr eine Niflheimer Basis voller Mechs, tötet einen dicken Titan auf einer Brücke und flüchtet durch einen Lava spuckenden Vulkan.
Neben vielen denkwürdigen Erlebnissen bietet Final Fantasy 15 aber ebenfalls einige generische Botengänge und stupide Tötungs-Missionen. Edelsteine sammeln, Fotos knipsen und Strommasten überprüfen gehören zu den weniger kreativen Beschäftigungen. Die typische Suchtspirale aus Leveln und die Suche nach neuen Ausrüstungsgegenständen entschädigt jedoch für alles. Locker 50 Stunden dürfen Abenteurer für alle Neben- und Hauptmissionen einplanen.
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