Sich mit gottgleichen Gegnern anzulegen, hat im Action-Genre allerspätestens seit den Eskapaden unseres Lieblingsspartaners und Aggressionstherapiekandidaten Kratos Hochkonjunktur. Die Auseinandersetzungen mit mystischen Wesen aus der nordischen Mythologie hat die Indie-Szene dem AAA-Koloss allerdings voraus.
2015 durften Spieler beispielsweise in Jotun in die Rolle einer Wikingerkriegerin schlüpfen, die sich den Einzug nach Walhalla durch den Kampf gegen die titelgebenden Riesen verdienen musste, es folgten Spiele wie Hellblade: Senua's Sacrifice und Vikings: Wolves Of Midgard. Fimbul schlägt thematisch in eine ähnliche Kerbe, bietet allerdings eine weitaus dramatischere Ausgangslage.
Geschwisterkeilerei mit Folgen
Direkt zu Beginn des Spiels müsst ihr als alternder Berserker Kveldulver einen Angriff eures Bruders Knut abwehren, der von Rachegelüsten getrieben euer Haus anzündet. Dieser Drang, sich gegen sein eigen Fleisch und Blut zu wenden, wird durch den namensgebenden Fimbulwinter hervorgerufen. Dabei handelt es sich um die letzte lange Kälteperiode vor der Götterdämmerung Ragnarök.
Nachdem ihr euch aus eurem brennenden Heim befreit und in bester Hack&Slay-Manier andere Wikinger zu Kleinholz verarbeitet habt, wird euch schnell eine noch viel wichtigere Aufgabe übertragen: Das Amulett Ymnerfir zu finden und den König der Jötunn davon abzuhalten, mit Hilfe des Schmuckstücks das Ende der Welt zu beschleunigen.
Diese Herausforderung meistert ihr mit Hilfe von Schwert, Axt, Speer und Schild im Rahmen der dynamisch gestalteten Kämpfe. In der ersten halben Stunde macht es noch einen Heidenspaß, Gegnern mit geschickten Rollmanövern auszuweichen und mit aneinandergereihten Kombos zu erledigen. Danach stellt sich aber schnell Langeweile ein.
Immer dieselben Gegnerwellen ohne Grips, keine Unterschiede in der Handhabung von Axt und Schwert, hakelige Kampfanimationen und fixierte Kamerapositionen aus der Hölle - bei so vielen kleinen Stolperfallen helfen auch Spezialfertigkeiten wie das unnötig martialisch betitelte Hinrichten oder die Heilfähigkeit Lebensbanner nicht. Die Skills, die ihr je nach Stärke der Fertigkeit bei entsprechend gefüllter Komboleiste auslösen könnt, schaltet ihr durch das Besiegen von bestimmten Bossen frei.
Nichts Halbes und nichts Ganzes
Wer an dieser Stelle hofft, dass zumindest in den Kämpfen gegen haushohe Trolle oder schwertschwingende Jötunn ein gewisses Maß an Taktik nötig ist, wird enttäuscht. Vielmehr beschränken sich die Handgemenge darauf, zu warten, bis euer Gegner eine optisch gekennzeichnete Schwachstelle offenbart, euren Speer darauf zu werfen und die danach zu Boden gehenden Bösewichte mit euren Klingen zu bearbeiten. Eine wirkliche Herausforderung stellen diese besonderen Auseinandersetzungen, vom ersten Miniboss bis zum großen Endkampf, nie dar.
Ebenso reibungsfrei gestalten sich die zwei Schleichpassagen, in denen ihr als junger Kveldulver Monster mit Fackeln verscheuchen oder den Blicken von Riesen ausweichen müsst. Und über die wenigen und mehr als simplen Umgebungsrätsel breitet man ohnehin besser den Mantel des Schweigens.
Bei einer derart starken und potentiell interessanten Story-Grundlage könnte man vermuten, dass Fimbul seine Gameplay-Schnitzer vielleicht durch besondere Erzählstrukturen oder kluge Wendungen ausgleicht. Und in der Tat versucht das Spiel, euch die kompakte Geschichte um Kveldulvers Rache durch einige Twists und Wendungen besonders schmackhaft zu machen - oder besser gesagt durch deren Andeutung.
Denn die vielen losen Enden der kleinen Storys im Spiel, beispielsweise die der jungen Königin Thora, des durch die Jötnar versklavten Trolltrios oder eures Bruders, werden nie zufriedenstellend aufgelöst. Die Charaktere wirken blass, ihre Beweggründe kaum nachvollziehbar und oberflächlich.
Comic oder Kinderbuch?
Immerhin stimmt die Präsentation an dieser Stelle: Da innerhalb der stimmig gestalteten, minimalistischen Spielwelt hauen, stechen und ausweichen die einzigen Interaktionsmöglichkeiten sind, erzählt Fimbul seine Geschichte in mit viel Liebe zum Detail illustrierten Comic-Sequenzen.
In manchen davon dürft ihr auch Entscheidungen treffen, beispielsweise ob ihr besiegte Bossgegner am Leben lasst. Diese Wahlmöglichkeiten haben allerdings so gut wie keinen Einfluss auf das weitere Spielgeschehen, was das Prinzip relativ witzlos macht.
Unfreiwillig komisch hingegen lesen sich manche der deutschen Dialogzeilen, in denen nicht nur Grundlegendes wie der Plural von Jötunn falsch übersetzt wurde. Vieles klingt gestelzt und extrem unnatürlich - gerade für das knorrige Wikinger-Setting. Bonuspunkte gibt es allerdings für die Monologe der Nornen.
Die basieren auf altem Versmaß und sind an tatsächliche Abschnitte aus dem Ende der Völuspá, dem bedeutendsten Gedicht des nordischen Mittelalters, angelehnt. Warum die drei weisen Frauen Fimbul trotz ihres Wissens um die Lebens- und Schicksalsfäden der Menschen auf die Spielewelt losgelassen haben, wird aber wohl ihr Geheimnis bleiben.
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