Fallout 76 im Test - Supermutant in der Identitätskrise

Fallout 76 zählt schon jetzt zu den meistdiskutierten Rollenspielen aller Zeiten. Unser Test analysiert, für wen sich der Ausflug ins Ödland lohnt und wer lieber im Bunker bleiben sollte.

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Fallout 76 im Test für PS4 und Xbox One. Fallout 76 im Test für PS4 und Xbox One.

Fallout 76-Spieler können sich ab sofort das kostenlose Wastelanders-Update für PS4, Xbox One (und PC) herunterladen, das entscheidende Änderungen und Neuerungen ins Ödland von Appalachia bringt: Lebende, menschliche NPCs samt Dialogsystem und eine komplett neue Hauptquest, die wieder mehr an die alten Fallout-Spiele erinnert.

In unserem separaten Test zu Wastelanders erklären wir, warum Fallout 76 dank des Updates eine zweite Chance verdient und insbesondere Singleplayer-Fans anspricht:

Aufwertung für Fallout 76: Die NPCs machen das Spiel nicht nur lebendiger, sondern auch abwechslungsreicher. Deshalb haben wir die Wertung des Haupttests zu Fallout 76 basierend auf unserem separaten Wastelanders-Test angepasst und vergeben eine 70 (vormals 64 mit Abwertung).

Hier ist unser Original-Test zu Fallout 76 (ohne Wastelanders):

Fallout 76 mag zwar mit den typischen Worten "Krieg, Krieg bleibt immer gleich" beginnen, schickt uns diesmal aber unter ganz anderen Bedingungen in die Postapokalypse. Mit dem neuesten Serienteil lässt Bethesda nämlich klassische Singleplayer-Traditionen hinter sich und liefert erstmals in der Geschichte der Endzeit-Reihe ein reines Online-Rollenspiel.

Ein mutiger Schritt, der die Community spaltet. Während sich die einen darauf freuen, endlich mal ein Fallout gemeinsam mit Freunden erleben zu können, trauern die anderen einer klassischen Solo-Erfahrung hinterher.

In der Theorie hat Fallout 76 durchaus das Potenzial, beide Lager miteinander zu versöhnen. West Virginia alias Appalachia bietet Platz für einsame Wölfe und Koop-Rudel, will sowohl Singleplayer- als auch Multiplayer-Erfahrung sein. In der Praxis führt allerdings genau dieser Kompromiss zu einigen Problemen, die man von Bethesda-Rollenspielen so bislang nicht kannte.

Strahlende neue Welt

Vor 25 Jahren haben Atombomben die Erde nahezu komplett zerstört. Wohlbehütet in einem Schutzbunker mitten in West Virginia sind wir von den verheerenden Auswirkungen des Großen Kriegs verschont geblieben, wagen uns jetzt aber an die Oberfläche.

Unsere Aufgabe? Das Ödland von Appalachia wieder aufbauen und herausfinden, was mit ihren Bewohnern geschehen ist. Die wurden nämlich größtenteils von einem geheimnisvollen Virus dahingerafft, der sie entweder getötet oder in willenlose, Zombie-artige "Verbrannte" verwandelt hat.

Nachdem wir im gewohnt umfangreichen Editor unseren Wunschhelden zusammengebastelt haben, scheucht uns Fallout 76 im Vergleich zum Vorgänger recht schnell aus den dicken Vier-Bunker-Wänden. Unseren Pip-Boy geschnappt, nicht lang herum geschnackt und wir betreten die große weite Open World.

Orte in Appalachia, die einen Besuch wert sind:

Ski-Resort Pleasant Valley Ein verlassenes Ski-Gebiet voller Mützen tragender Verbrannter

Whitespring-Resort Eine gigantische Hotel-Anlage voller Loot und Roboter, die hier noch arbeiten, als wäre nichts gewesen.

Damm von Grafton Ein riesiger vergifteter See voller Mirelurks

Was beim ersten Blick auf unseren zukünftigen Spielplatz sofort auffällt: Bethesda verlässt sich zwar auf das gleiche technische Grundgerüst wie in Fallout 4, hat aber merklich an der Präsentation geschraubt. Insbesondere die Bäume zeichnen mit ihrem bunten Herbstlaub ein für Fallout ungewohnt malerisches Bild - unterstrichen von schönen Lichteffekten, die unseren postapokalyptischen Streifzügen bei Sonnenuntergang fast schon ein romantisches Ambiente verleihen.

Technische Apokalypse
Wir haben während unseres Tests einige typische Bethesda-Bugs erlebt: Schwebende Mitspieler, festgefrorene Feinde und Grafikfehler. Unspielbar wurde Fallout 76 deshalb aber nicht. Viel nerviger sind häufige Framedrops: Gerade in Orten mit vielen Gebäuden, also zerstörten Städten und Siedlungen, bricht die Bildrate unverhältnismäßig stark ein - an einigen Stellen sogar so heftig, dass wir zuerst dachten, das Spiel hätte sich aufgehängt.

Doch nicht nur visuell überzeugt die Spielwelt. Appalachia ist ebenso riesig wie variantenreich. Wir wandern durch dicht bewachsene Wälder, kraxeln über raue Gebirge, stapfen durch modrige Sümpfe. An jeder Ecke entdecken wir interessante Orte. Verlassene Flughäfen. Zerstörte Siedlungen. Verwinkelte Minen. All das lädt zum Erkunden ein, birgt fast immer wertvollen Loot sowie Dutzende verschiedene Gegnertypen, die uns mit eigenen Angriffsmustern und Fähigkeiten individuell herausfordern.

Das Szenario entpuppt sich als der Star von Fallout 76. Umso ärgerlicher, dass Bethesda auf erzählerischer Ebene diesmal so viel Potenzial verschwendet.

Leblos erzählte Ödland-Geschichten

In Fallout 76 sind alle menschlichen NPCs bereits tot oder haben sich in Monster verwandelt. An die daraus resultierende Einsamkeit müssen wir uns gewöhnen. In Fallout 76 sind alle menschlichen NPCs bereits tot oder haben sich in Monster verwandelt. An die daraus resultierende Einsamkeit müssen wir uns gewöhnen.

Die Story von Fallout 76 könnte uns fesseln, wenn es denn menschliche Protagonisten gäbe, die sie tragen könnten. Neben Robotern und KI-Monstern bevölkern nur wir Appalachia. Andere Ödlandbewohner wie Raider, Siedler, Polizisten, Mediziner und Feuerwehrleute haben entweder bereits ins radioaktiv verseuchte Gras gebissen oder gehen als Mutanten auf uns los.

Wir führen weder Dialoge, noch treffen wir Entscheidungen. Stattdessen erzählt Fallout 76 seine Geschichten komplett über Tonbänder, Terminals und Briefe. Die denkbar schlechteste Storytelling-Methode in einem Spiel mit Multiplayer-Fokus, in dem wir uns in der Regel via Voice-Chat mit unseren Mitspielern unterhalten und uns deshalb nur schwer auf Questanweisungen oder Hintergrundinformationen konzentrieren können.

Schnappen wir doch mal etwas auf, dann müssen wir feststellen, dass die meisten Geschichten aus Appalachia furchtbar belanglos sind.

Neben Holobänder und Terminals springen Roboter als Questgeber ein. Ein richtiges Dialogsystem mit Antwortmöglichkeiten gibt es diesmal aber nicht. Neben Holobänder und Terminals springen Roboter als Questgeber ein. Ein richtiges Dialogsystem mit Antwortmöglichkeiten gibt es diesmal aber nicht.

Im Laufe der Hauptquest müssen wir beispielsweise nach einer bestimmten Person suchen, die ein Wasseraufbereitungsgerät bei sich trägt, stoßen am Ende aber nur auf ihre sterblichen Überreste.

Etwas später in der Story schließen wir uns der örtlichen Feuerwehr an, indem wir eine Reihe von theoretischen wie praktischen Prüfungen absolvieren. Interessante Figuren, für die sich der ganze Aufwand lohnen würde, arbeiten hingegen nicht mehr in der Feuerwache. Wir treffen lediglich auf Roboter, die uns mit ihren mechanischen Stimmen durch die Gegend scheuchen.

Jede einzelne Fallout 76-Quest gehen wir mit dem Wissen an, dass wir sowieso keine menschlichen Schicksale beeinflussen oder Beziehungen zu KI-Charakteren aufbauen können. Weil alle Auftraggeber bereits das Zeitliche gesegnet haben, fühlen sich unsere Quests sinnlos an, erscheinen uns niemals wirklich wichtig. Anstatt die Zukunft der Menschheit zu gestalten, wühlen wir in den toten Überresten ihrer Vergangenheit.

Immerhin glänzt Fallout 76 wie die Vorgänger durch Environmental Storytelling - also Geschichten über die Umgebung zu erzählen. So besuchen wir auf unserer Reise ein Skigebiet hoch im kalten Norden der Map, in dem sich aber nur noch Pudelmützen tragende Verbrannte tummeln und uns mit Ski-Schwertern an die Gurgel wollen. Ein kleiner, witziger Moment, der stellvertretend für den pechschwarzen Humor des Spiels steht.

Von A nach B nach C und wieder zurück

Viele Sammelquests jagen uns von Ort zu Ort, unterschieden sich spielerisch aber nur kaum voneinander Viele Sammelquests jagen uns von Ort zu Ort, unterschieden sich spielerisch aber nur kaum voneinander

Aber nicht nur erzählerisch, sondern auch spielerisch enttäuscht Fallout 76. Dröge Sammel-Quests schicken uns von A nach B nach C und wieder zurück.

So müssen wir etwa in einem verlassenen Raider-Stützpunkt nach einem Bauteil für einen Signalverstärker suchen und ihn anschließend in einem bestimmten Keller südlich davon zusammenbasteln. Das fertige Teil bringen wir dann zu unserem Robo-Auftraggeber zurück, der wiederum in einem ganz anderen Ort auf der Map, hoch oben auf einem Turm residiert.

Geh hier hin, besorge das, komm wieder zurück. Dieses langweilige Schema zieht sich durch ein Großteil der Haupt- und Nebenmissionen und macht uns zu einem Boten, der blind den unpersönlichen Anweisungen von Tapes, Terminals und Robotern folgt. So mechanisch unsere Auftraggeber sind, so sehr roboten wir selbst auf unserer Reise und suchen dabei vergebens nach spielerischem Witz, nach Kreativität, nach Seele.

Gerade wer als einsamer Wolf durchs Ödland streift, dürfte es deshalb mit Fallout 76 schwer haben. Eine klassische Rollenspiel-Erfahrung wie in den Singleplayer-Ablegern bekommt ihr hier nicht geboten. Wirklich Spaß bereitet Fallout 76 nur, wenn wir mit Freunden im Koop losziehen, Quests dabei völlig links liegen lassen und Appalachia abseits des Wegesrandes erkunden.


Mikrotransaktionen & Ingame-Shop
Fallout 76 verfügt über Mikrotransaktionen. Im sogenannten Atom-Shop werden allerhand kosmetische Items wie Emotes, Skins und Camp-Möbel angeboten, die sich über die Währung Atome erstehen lassen. Atome können wir im Spiel direkt verdienen, indem wir Herausforderungen abschließen - oder wir erwerben sie mit echten Euros. Da wir aber während des Spielens genug Atome verdienten und viele im Shop erhältlichen Items auch im Spiel fanden, fühlten wir uns während unseres Abenteuers zu keiner Zeit aufgerufen, Echtgeld auszugeben.

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