Die Bewohner des Städtchens Far Harbor im gleichnamigen sowie nach Automatron und Wasteland Workshop dritten Fallout 4-DLC haben es nicht leicht: Radioaktiver Nebel rund um den Ort bedroht die Bevölkerung und erzeugt mutierte Riesenmonster, die regelmäßig in Scharen angreifen. Und weil das Leben auf der Insel im US-Bundesstaat Maine noch nicht spannend genug ist, haben sich dort auch die durchgeknallten Kinder des Atoms niedergelassen und den Bewohnern Far Harbors den Krieg erklärt.
Bisher bleibt es bei kleineren Schießereien, was sich jedoch schlagartig ändern könnte, sobald die Kollegen vom Atomkult eine Möglichkeit finden, die Nuklearraketen in ihrer Basis abzufeuern. Die fröhlich verstrahlten Nachbarn von Far Harbor bewohnen nämlich ein altes Atom-U-Boot.
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Zudem gibt es auf der Insel eine Zuflucht der Synths. Der Chef der künstlichen Lebensformen will, dass bei ihm alle Synths in Frieden leben können, ohne ihre Identität verheimlichen zu müssen. Für dieses Ziel nimmt er notfalls Opfer in Kauf und schnell stellt sich heraus, dass er selbst einiges an Dreck am Stecken hat. Also jede Menge spannende Konflikte, deren Ausgang wir in Far Harbor wir maßgeblich mitbestimmen.
Viel Grauzone, viel Freiheit
Das Spannende: Keine der drei Gruppierungen auf der Insel ist eindeutig gut oder böse. Jeder hat seine eigene Motivation und auf allen Seiten gibt es Hinrichtungen und Morde, aber auch vollkommen unschuldige, liebenswerte Charaktere. Wer soll leben und wer soll sterben? Die Entscheidungen im Story-DLC fielen uns stellenweise deutlich schwerer als bei der Hauptstory.
Nicht ganz fehlerfreier Hafen
Far Harbor zieht uns mit seiner Story und seiner tollen Atmosphäre voll in seinen Bann. Umso ärgerlicher ist es da, wenn uns gelegentlich auftretende Bugs unsanft in die Realität zurückholen. Beispielsweise dann, wenn ein gescriptetes Event festhängt und sämtliche involvierten NPCs einfach nur in der Landschaft herumstehen wie die Ölgötzen. Mit etwas Glück reicht es da, einen Spielstand zu laden oder das Spiel neu zu starten.
Einmal mussten wir auch irgendwo 24 Stunden warten und später zurückkehren, um eine eingefrorene Script-Sequenz korrekt abspielen zu können. Dem Spielfluss helfen diese Macken freilich nicht. Fairerweise muss man aber auch erwähnen, dass wir über wenige solcher Hänger gestolpert sind und diese allesamt wie beschrieben beheben konnten.
Apropos Entscheidungen: Nicht nur das Schicksal der Inselbewohner liegt in unserer Hand - auch unsere Vorgehensweise bestimmen wir hier öfter selbst als noch im Hauptspiel. Nicht jeder Konflikt muss zwingend mit der Waffe gelöst werden! Mit der nötigen Überredungskunst enden einige Auseinandersetzungen unblutig.
Man kann versuchen, die neue Story möglichst friedlich zu Ende zu bringen und nur ein paar Bauernopfer bringen. Alternativ löscht man das gesamte Pack aus und geht über Berge von Leichen; oder irgendwas dazwischen.
Diese Freiheit macht Far Harbor so spaßig, zumal uns viele der neuen Charaktere schnell ans Herz wachsen. Die sind nämlich klasse geschrieben und haben hervorragende Sprecher, auch in der deutschen Fassung. Da kommt schon mal der eine oder andere Moment auf, in dem man sich fragt: »Verdammt, wie soll ich mich entscheiden?« Eine absolut positive Überraschung, wenn man bedenkt, wie sehr uns der Verbleib eines gewissen Familienmitglieds im Hauptspiel kalt gelassen hat.
Ein paar Lückenfüller
Wer sich überwiegend auf die Hauptmissionen im DLC konzentriert, sieht nach rund zehn Stunden die Endsequenz. Lässt man sich Zeit, erforscht alles gründlich und absolviert auch die Nebenaufträge, bekommt man doppelt so viel Spielzeit für seine 25 Euro. Damit liegt Far Harbor umfangstechnisch ungefähr in der Mitte der Witcher-3-Addons Hearts of Stone sowie Blood and Wine, bietet unter dem Strich also ein gutes, wenn auch nicht überragendes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Die meisten neuen Inhalte sind wirklich großartig, allerdings werden wir bei Sidequests auch immer wieder mal durch die Gegend geschickt, um irgendwelche Ghule zu plätten oder verlorengegangenen Krempel zu finden. Doch auch hier gibt es Highlights wie den Mordfall im Cliff's Edge Hotel, den wir lösen sollen. Dort stöbern wir nach Beweisen und sprechen mit Verdächtigen, bevor wir schließlich den Killer entlarven.
Die überwiegend grandiose Hauptgeschichte kommt ebenfalls nicht ganz ohne Längen aus. So müssen wir in einer Sequenz Daten aus einem Computersystem beschaffen. Das funktioniert über eine Simulation, die wir per Baumenü-Steuerung verwenden. Über diese platzieren wir Codeblöcke, lenken Energiestrahlen um und manövrieren Eindringlinge in das System.
Wenn man das mal kapiert hat, macht es tatsächlich Spaß, aber ganze fünf Level hätte es davon nicht gebraucht. Daran sitzt man schon mal eine Weile, zumal die Arbeit durch die fummelige Steuerung noch erschwert wird. Alles muss haargenau platziert und richtig rotiert werden, was ohne die nötige Geduld für Bissspuren in der Peripherie sorgen kann.
Erforschen lohnt sich
Die neue Landmasse mag nicht ganz so prall gefüllt mit Markierungen sein wie das Commonwealth, trotzdem gibt es dort haufenweise zu entdecken. Neben zum Setting passenden Klamotten, Fleischerhaken und Wollmützen gibt es auch ein neues Marine-Rüstungsset, das alle Helden erfreuen wird, die bevorzugt ohne Powerarmor unterwegs sind.
Mit dem Harpunengewehr spießt man Feinde auf und nagelt deren Köpfe an die Wand. Ein NPC verkauft abgerichtete Vierbeiner - und wer will seine Siedlung nicht mit mutierten Hunden und wilden Wölfen verteidigen? Schade nur, dass die Kläffer nicht als Begleiter-Ersatz für Dogmeat einspringen können.
Einen neuen Mitstreiter gibt's aber trotzdem. Old Longfellow kennt sich bestens auf der Insel aus, führt uns auf Wunsch durch den Nebel und ist ansonsten vergleichsweise öde. Da haben wir viel lieber Nick Valentine dabei, denn im DLC erfahren wir ein paar interessante neue Details über dessen Herkunft. Für Häuslebauer gibt es vier neue Siedlungen obendrauf.
Zudem lauern einige neue Gegner wie mutierte Anglerfische, Schlinger, ein übergroßer Einsiedlerkrebs, aber auch die üblichen Verdächtigen wie Ghule, Mirelurks und Raider, die hier ausnahmsweise Fallensteller heißen. Viele alte und neue Gefahren in den Ruinen, Höhlen und alten Fabrikgebäuden also, die in erster Linie erfahrene Spieler ansprechen und herausfordern sollen, die mit der Hauptstory von Fallout 4 bereits fertig sind.
Großartige Atmosphäre
Der größte Teil der Insel ist in dichte Nebelschwaden gehüllt. Alles wirkt unheimlich und gespenstisch, Gegner kommen manchmal scheinbar aus dem Nichts, was besonders auf höheren Schwierigkeitsgraden für zusätzlichen Nervenkitzel sorgt. Der entsprechende Effekt sieht zudem deutlich besser aus als der übliche radioaktive Niederschlag - dagegen kann selbst das leuchtende Meer nicht anstinken. Wer sich langsam aber sicher an Boston sattgesehen hat, findet hier eine willkommene Abwechslung.
Von der eingeschränkten Sicht und ein klein wenig Strahlung abgesehen, geht von dem wabernden Dunst allerdings kaum eine Bedrohung aus, obwohl uns die Inselbewohner immer wieder erzählen, wie unheimlich gefährlich der Nebel doch sei.
Bei ausgeschaltetem Radio gibt es zudem stimmige neue Hintergrundmusik, die unsere Abenteuer hervorragend untermalt. So mag der Ausflug auf die neue Landmasse vielleicht nicht ganz so umfangreich ausfallen, wie wir uns erhofft haben. Doch dafür ist das Erlebnis bis auf ein paar Aufgaben von der Stange und kleinere Aussetzer absolut unterhaltsam.
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