Der Walking-Simulator
Weniger klar ist jedoch, wo es in den sechs zusammenhängenden Gebieten von Shropshire weitergeht: Wo finde ich den nächsten Handlungsschnipsel? In Dear Esther war das aufgrund der Linearität kein Problem, in Everybody's Gone to the Rapture kann die Rätselreise jedoch schnell frustrieren. Hier wird dem Spiel die offene Welt manchmal zum Verhängnis, weil es abseits der paar Hotspots einfach nichts zu tun gibt.
Außerdem sind viele Passagen optional. Wenn wir uns also nicht die Mühe machen, penibel auf jedes Detail zu achten, kann es passieren, dass wir an potenziellen Flashback-Schauplätzen vorbeilaufen und somit einige Handlungsstränge gar nicht mitbekommen.
Klar, wir könnten jederzeit zu bereits erkundeten Gebieten zurückkehren, jede noch so kleine Hütte durchforsten oder einen Abstecher in den Wald machen, wäre da nicht ein großer Haken: das unfassbar langsame Schritttempo. Unser namenloser Protagonist bewegt sich normalerweise nur im Schneckentempo vorwärts, dass es auch eine Sprintfunktion gibt, haben wir erst nach dem ersten Durchlauf erfahren, weil es die Entwicklerversäumt haben, die Funktion in der Tastenbelegung zu dokumentieren. Dennoch: Auch der »Sprint« ist vergleichsweise lahm.
Das ist natürlich eine bewusste Entscheidung der Entwickler, um das Tempo auszubremsen und dem Spieler mehr Zeit zu geben, die Atmosphäre aufzusaugen. So überlegen wir uns aber gleich zweimal, ob wir wirklich jeden Winkel von Shropshire unter die Lupe nehmen wollen - der zähe Gang ist eine Qual.
Ein Traum für die Sinne
Dafür ist die Atmosphäre gelungen. Die erschafft das Abenteuer vor allem durch einen gekonnten Einsatz stilsicherer Klangeffekte: Die meiste Zeit über hören wir nichts anderes als unsere Schritte, den Wind oder hin und wieder das statische Rauschen einer Anomalie. Doch in dramatischen Schlüsselszenen schwillt die Hintergrundmusik plötzlich an, eindrucksvolle Chorgesänge und der Klang von Streichinstrumenten hallen minutenlang nach.
Eindrucksvoll sind auch die malerischen, abwechslungsreichen Kulissen. Auch nach über fünf Stunden haben wir uns an Shropshire nicht sattgesehen, weil wir überall kleine Details wie Picknickkörbe oder durchwühlte Reisekoffer finden. Das Erkunden lohnt sich aber in den meisten Fällen nicht, da uns die Hälfte der Häuser, Campingwagen und Scheunen verschlossen bleibt. Schade.
Bleibt die Frage, ob es sich trotzdem lohnt, bis zum Ende durchzuhalten. Wer auf eine von Anfang bis Ende rational erklärte Geschichte hofft, wird enttäuscht. Everybody's Gone to the Rapture widmet sich weniger dem Wie und dem Warum, als vielmehr dem Schicksal der Menschen eines kleines Dorfes, die plötzlich von einer nicht greifbaren Macht bedroht werden und daher nicht wissen, wie sich verhalten sollen. Das berührt uns definitiv, die spielerischen Schwächen bremsen die Erfahrung aber spürbar aus.
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