Die Reise zum Preview-Termin von Dragon Age: Inquisition führt ins kanadische Hinterland. Das Gebäude 4445 Calgary Trail in Edmonton, Alberta, versprüht den Charme eines usbekischen Männergefängnisses. Der graue Betonklotz grenzt an einen mehrspurigen Highway, im Erdgeschoss befindet sich eine Zahnklinik, im Foyer bitten Hinweisschilder der Hausverwaltung erfolglos darum, die Blumenkübel vor dem Eingang nicht als Aschenbecher zu benutzen. Als ich Bioware zum letzten Mal besucht habe, kurz vor der Veröffentlichung von Neverwinter Nights im Jahr 2002, befanden sich die Büros noch im historischen Szene-Viertel, geraucht wurde auf einer wunderschönen Dachterasse mit Blick über die Skyline.
Jetzt also ein steriler Kasten mitten im Industriegebiet: Das passt wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge zum zweifelhaften Image, das Bioware heute in gewissen Spielerkreisen genießt. Seit der Übernahme durch EA, so liest man in einschlägigen Foren und Kommentaren immer wieder, habe sich das Studio zum Fließbandwaren-Produzenten entwickelt, die alte Magie sei 2009 mit Dragon Age: Origins gestorben. 4445 Calgary Trail jedenfalls unterstreicht diesen Eindruck mit Nachdruck; unwillkürlich vermutet man hinter den schwarz getönten Scheiben eine bürogewordene Legehennenbatterie im amerikanischen Großraum-Layout. Doch der hässliche Schein trügt.
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Alte Stärken wiederbeleben
»Überaus bewusst«, antwortet Bioware-Chef Aaryn Flynn auf die Frage, wie bewusst sich sein Studio der teils scharfen Kritik an Dragon Age 2 sei. Wir sitzen in einem hellen und freundlichen Konferenzsaal (er trägt den Namen »Baldur's Gate«), überhaupt wollen die über mehrere Etagen verteilten Büroräume so überhaupt nicht zum äußerlichen Erscheinungsbild passen. Im großen Aufenthaltsraum stehen Tischtennisplatte und Flipper, im dritten Stock schaut ein kleines Mädchen das Kinderprogramm, während ihr Vater am Grafikdesign von Dragon Age: Inquisition arbeitet. »Als wir uns intern die Frage gestellt haben, ob wir nach Dragon Age 2 überhaupt noch mit der Serie weitermachen wollen, lautete die überwältigende Meinung: Oh ja, wir wollen, es gibt so viele spannende Geschichten und coole Sachen in dieser Welt, aber ein paar Punkte müssen wir wirklich verbessern.«
Aaryn Flynn ist ein ernster Mann, der selten lächelt. Er hat die Studioleitung nach dem Weggang der beiden Bioware-Gründer Greg Zeschuk und Ray Muzyka im Jahr 2012 übernommen, Inquisition ist das erste Spiel, das nahezu vollständig unter seiner Verantwortung entsteht, und er legt Wert darauf, dass seine Mitarbeiter anschaulich erklären, inwiefern es die Fehler des Vorgängers ausbügelt. Vor unserem Gespräch demonstriert Produzent Cameron Lee eine aktuelle Version des Spiels und übersieht eine kleine Besonderheit im Kampfsystem. »Cameron, bitte erkläre das, nachdem die Zwischensequenz vorbei ist«, schaltet sich Flynn ein. Als Lee trotzdem sofort zur Erklärung ansetzt, unterbricht Flynn ruhig, aber bestimmt: »Ich sagte, nachdem die Zwischensequenz vorbei ist, Cameron«.
Auf das Kampfsystem sind Flynn und Co. spürbar stolz, denn es stellt einen Aspekt in den Mittelpunkt, der in den Konsolenablegern der Dragon Age-Reihe bisher mit Abwesenheit glänzte: die taktische Kamera. Wir dürfen das Spiel jederzeit pausieren, aus dem Geschehen zoomen und sämtlichen Mitgliedern der maximal vierköpfigen Gruppe präzise Befehle erteilen. Oder wir steuern lediglich einen Charakter aktiv und verlassen uns ansonsten auf die KI, der wir analog zu Origins explizite Vorgaben machen, welche Fähigkeiten sie unter genau welchen Voraussetzungen einzusetzen hat.
Inquisition greift dabei erneut auf das an gängige Online-Rollenspiele angelehnte »Aggro-System« zurück. Wir brauchen also einen Tank, der sich von den versammelten Feinden richtig übel verdreschen lässt, damit die Schadensausteiler unbehelligt Schaden austeilen können - und die Heiler ungestört heilen. Mehr Einfluss kommt offenbar den unterstützenden Rollen zu, weil Bioware in den gezeigten Szenen die Frostbyte-3-Engine (Battlefield 4) geschickt einsetzt, um den Kämpfen mehr taktische Tiefe zu geben.
So kommt es beispielsweise vor, dass ein feindlicher Bogenschütze nur unter hohem Risiko zu erreichen ist, weil er auf einer erhöhten Position lümmelt. Setzen wir ihm allerdings eine clever platzierte Eiswand vor die Nase, dann muss er seine Position notgedrungen verlassen oder wertvolle Zeit damit verschwenden, das Hindernis zu zerstören. In der Zwischenzeit lassen sich seine Nahkampf-Kumpel in Ruhe verhauen.
Gut gelöst: Bewegen wir in der taktischen Ansicht das Fadenkreuz über einen Gegner, dann sehen wir nicht nur seine Stufe sowie seine Lebensenergie, sondern auch seine Klasse, also Magier, Nahkämpfer, Bogenschütze oder Unterstützer. Entsprechend akribisch können wir unser Vorgehen planen, zumal die Kamera in der aktuellen Version eine angenehm große Reichweite hat und sich der Blickwinkel stufenlos einstellen lässt. Lediglich die maximale Zoomdistanz dürfte gerne noch einen Tick höher ausfallen, aber daran wird laut Bioware noch gearbeitet.
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