Ein famoses Schleichspiel
Im ersten Schritt packt das Spiel einen der größten Kritikpunkte des Vorgängers - den zu seichten Schwierigkeitsgrad - und löst das Problem in Luft auf. Mit seinen vier Härtegraden spricht Dishonored 2 jeden Spielertypen an: Wer nur feierabends gute Unterhaltung sucht, greift zu Leicht oder Normal, Hardcore-Schleicher kriegen auf den höheren Stufen allerdings echt was zu kauen. Die Sichtkegel der Wachen erlauben keine Fehler, und die KI reagiert verflucht clever auf unser Handeln. Wenn Emily oder Corvo beispielsweise eine Tür offen stehen lassen, die vorher geschlossen war, dann wird das untersucht. Falls eine Wache plötzlich verschwindet, suchen die Kollegen nach ihr - aber nur, wenn sie sie kurz zuvor noch gesehen haben.
Damit stellt Dishonored 2 als Schleichsimulation die Genre-Konkurrenz ganz schön in den Schatten, die Regel »Im Schatten bist du unsichtbar« aus Thief oder Splinter Cell wirkt dagegen wie ein antiquierter erster Gehversuch. Und wer es richtig gnadenlos mag, kann sogar das Zeichen des Outsiders ablehnen und das komplette Spiel ohne Fähigkeiten angehen. Arkane baut den Verzicht auf die - abermals sehr mächtigen - Fähigkeiten also in die Story ein. Das ist elegant und löblich, im ersten Dishonored erforderte er noch Selbstdisziplin. So reizt uns das Spiel auch zum zweiten Durchgang, nachdem wir's schon auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad absolviert haben. Ohne Kräfte wird alles nochmal viel spannender.
Stichwort »Zeichen des Outsiders«: Dishonored 2 spielt sich im direkten Vergleich erstmal ähnlich wie der Vorgänger. Nach wie vor ist das Leisetreten der beste Weg, nicht an der ersten Straßenecke von Wachen aufgeknüpft zu werden. Die neun riesigen Level bestehen in der Regel aus zwei Teilen: Erst müssen wir durch die Straßen von Karnaca zu einem speziellen Schauplatz schleichen, im Anschluss dann in dieser Location ein Ziel erledigen. Doch egal, wo wir uns befinden: Überall sind Wachen, die uns beim ersten Blickkontakt angreifen. Wenn es zum Kampf kommt, wehren sich Emily und Corvo mit Klinge, Pistole und Armbrust. Wer flink pariert, kann brutale Kontermanöver einleiten - allerdings überrumpeln uns mehrere Feinde in Windeseile, weil sie ebenfalls zur Pistole greifen, während wir mit den Kollegen beschäftigt sind. So gehört sich das in einem Schleichspiel.
Skills zum Verlieben
Wer leise bleibt, hat die Wahl, ob er Feinde komplett umgeht, durch Würgegriff ins Reich der Träume schickt oder mit dem Schwert dem Jenseits übergibt. Jedes Vorgehen hat Vor- und Nachteile: Lassen wir die Wachen in Ruhe, erschweren wir uns das Erkunden der riesigen Areale, das In-den-Schlaf-Würgen dauert hingegen fast schon unerträglich lange. Und als Mörder kassieren wir ein schlechtes Chaos-Ranking und damit mehr Blutfliegen und das schlechtere Ende. Außerdem müssen wir die Körper der »ruhenden« Wachen irgendwie verschwinden lassen. Auch im Manövrieren durch den Level gibt's keinen Königsweg - natürlich kann man sich clevere Wege suchen, um hastig durchzueilen, damit verpasst man aber diverse Runen und Knochenartefakte, mit denen sich die Fertigkeiten der Helden verbessern lassen.
Wenn wir stattdessen alle Runen einsammeln wollen, wird das Durchspielen ohne Alarm fast schon zur Unmöglichkeit. Es sei denn, wir schaffen es, die Wachen exakt im richtigen Moment mit einer exakt geworfenen Flasche exakt lange genug abzulenken, um zur Rune und wieder in Deckung zu huschen - das Timing macht den Unterschied und sorgt für Nervenkitzel. Solche Abwägungen machen enorm viel Spaß und motivieren für mehrere Durchläufe.
Mehr zu den verschiedenen Skills von Emily und Corvo
Beispielsweise liegt einmal eine Rune mitten auf einem Straßenplatz. Doch wenn wir einfach hinrennen, merken wir schnell, dass wir mitten in eine Falle getappt sind. Von überall stürmen Räuber auf uns zu. Dishonored 2 zwingt uns, clever über die Spielmechaniken nachzudenken. Am Ende sind wir überrascht, welche verrückten Aktionen möglich sind, wenn wir die Fertigkeiten raffiniert einsetzen. Die magischen Outsider-Kräfte von Emily und Corvo belohnen das Experimentieren. Im Straßenplatz-Beispiel können wir uns etwa über die Oberleitungen teleportieren und jeden Räuber von hinten erwischen. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten.
Oder wir platzieren als Emily mitten auf dem Platz eine hypnotische »Mesmerize«-Boje, die die Fieslinge aus ihren Verstecken lockt. Oder wir verwandeln uns in einen Rattenschwarm und versuchen so, unerkannt an die Rune zu kommen. Die Skills funktionieren vorbildlich, nur Emilys »Weitreichen «, das als Teleporter und Greifhaken für Items und Gegner herhalten muss, bedient sich in der Hitze des Gefechts sehr unpräzise. Versucht ihr mal, einen Gegner, hinter einem Geländer zu greifen: In fünf von zehn Fällen teleportiert ihr euch versehentlich zu ihm. Ansonsten geht die Steuerung mit Gamepad aber voll in Ordnung.
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