Schraubt, ihr Narren!
Eine Rallye im Rahmen der Meisterschaft besteht immer aus mehreren Wertungsprüfungen, die ich nacheinander absolvieren muss. Zwischen den Etappen hat mein Team aber nur 30 Minuten Zeit, um die Schäden zu beheben, die der allzu intime Kontakt mit einem Vertreter der Art Picea abies (zu Deutsch: gemeine Fichte) an meiner Karosse hinterlassen hat. Ich muss entscheiden, ob meine Mechaniker lieber 20 Minuten am Auspuff herumbiegen oder doch in zehn Minuten die Tannennadeln aus dem Motorblock pulen. Wenn ich einen Haufen Altmetall mit drei Rädern im Fahrerlager abstelle, gehe ich vermutlich mit einem Haufen Altmetall mit vier Rädern wieder an den Start.
Aus diesen Gründen hätte ich mir eine optionale Rückspulfunktion gewünscht, wie es sie in den anderen Dirt-Spielen gibt, um Anfängern den Einstieg zu erleichtern und die Zahl der Frustmomente zu verringern - selbst wenn das Rally-Feeling vielleicht etwas darunter leidet. Neu in der Konsolenversion sind insgesamt 22 Tutorial-Videos, die mir zum Beispiel erklären, welche Auswirkungen Straßenbeläge auf das Fahrzeug haben oder warum Untersteuern beim Rally-Sport generell schlecht ist. Die mittelmäßig aufgelösten Filmchen sind eine gute Einführung, ein echtes Fahrtraining, bei dem man das Gelernte anschließend anwenden kann, fehlt aber leider wie schon in der PC-Fassung.
Auf alten Pferden lernt man reiten
Zumindest der Fuhrpark kommt Einsteigern aber in gewisser Weise entgegen. Zu Beginn meiner Fahrerkarriere reicht meine Ingame-Geld nämlich nur für die Anschaffung eines Mini Cooper S oder eines Lacia Fulvia. Die Rennsemmeln aus den Sechzigern haben beide Frontantrieb und nur eine Handvoll Pferde unter der Haube und sind deshalb perfekt, um sich an das Fahren abseits befestigter Straßen zu gewöhnen. Erst nachdem ich in ein paar Events auf den vorderen Plätzen gelandet bin, reicht die Knete für ein sportlicheres Modell.
Fahrzeuge in 14 Fahrzeugklassen und Rennsportepochen stehen zur Auswahl. Der schnittige Lancia Stratos ist dabei, ebenso wie der legendäre Audi Quattro S1 oder der Subaru Impreza mit dem Colin McRae 1995 seinen einzigen Weltmeistertitel holte. VW Polo, Ford Fiesta, Mini Countryman und Hyundai i20 repräsentieren die aktuelle Rallye-Elite. Bevor ich mein Erspartes auf den Kopf haue, kann ich in selbsterstellten Rennen sämtliche Fahrzeuge ausprobieren. Mit meinem Geld heuere ich außerdem erfahrenere Mechaniker an, die aus meinen Fahrzeugen auch die letzten PS herauskitzeln.
Die Fahrzeugmodelle und Witterungseffekte sind zwar nicht so spektakulär wie in Project Cars, dafür beeindruckt mich die Detailverliebtheit der Entwickler. Dass ich in der Cockpitperspektive jedes Instrument ablesen kann gehört ja schon zum guten Ton unter Rennsimulationen, aber schaue ich nach rechts, entdecke ich neben mir sogar einen voll modellierten Copiloten, der die Streckenführung aus seinem Gebetbuch vorliest. Bei heftigen Überschlägen nimmt mein Fahrer sofort die Hände vom Lenkrad, um sich vor Verletzungen zu schützen. Außenspiegel splittern, heftige Einschläge mit einem Reifen sorgen erst für einen Plattfuß, bis sich das Gummi schließlich komplett verabschiedet und ich auf der Felge weiterfahre. Das sorgt für Atmosphäre pur.
Technisch setzen die Entwickler von Codemasters auf den Konsolen vor allem auf eine flüssige Framerate - und das zahlt sich aus. Auf beiden Systemen flitzt Dirt Rally mit konstanten 60 Bildern in der Sekunde über den Bildschirm, Ruckler oder Hänger konnten wir bei unserem Nachtest nicht feststellen.
Die PS4-Fassung liefert dabei die volle HD-Auflösung von 1080p, während die Xbox-One-Version auf eine dynamische Auflösung zurückgreift, die ebenfalls meist in 1080p läuft, je nach Spielsituation (Regen, viele Effekte) aber auf bis zu 900p heruntergeschraubt wird. Im direkten Vergleich sieht man den Unterschied zwar, aufgrund des tollen Geschwindigkeitsgefühls und des anspruchsvollen Fahrverhalten bleibt aber ohnehin so gut wie nie Zeit, die detaillierten Streckenumgebungen zu betrachten. Generell wirken beide Versionen etwas matschiger als das PC-Pendant, das ändert aber nichts am hervorragenden grafischen Gesamteindruck der Konsolenversionen.
Bergauf und im Kreis
Und was, wenn ich mich dann doch mal einsam fühle und partout keine Bäume mehr sehen kann? Dann stürze ich mich in den Rallycrossmodus. Hier gibt's dann eben doch wieder Blechkontakt und enge Überholmanöver. Auf drei speziellen Kursen (plus Varianten) kämpfe ich gegen bis zu fünf Kontrahenten um den Sieg. Neben dem Gasfuß ist hier sogar Köpfchen gefragt, denn jeder Fahrer muss einmal pro Rennen einen Umweg fahren, die sogenannte Jokerrunde, die deutlich mehr Zeit kostet. Wann der rechte Moment dafür gekommen ist, muss ich mir selbst überlegen.
Die Hillclimb-Events sind weniger abwechslungsreich dafür nochmal eine größere Herausforderung. Mit besonders schnellen Fahrzeugen und ohne Beifahrer, der mich vor gefährlichen Kurven warnt, habe ich mich schwergetan, die originalgetreu nachgebildete Strecke Pikes Peak überhaupt einmal unfallfrei zu bewältigen, geschweige denn eine Bestzeit zu fahren.
Online-Rennen gegen menschliche Gegner sorgen für für Langzeitmotivation. Dazu zählen tägliche, wöchentliche und monatliche Herausforderungen in denen ich gegen Konkurrenten aus aller Welt um die Bestzeit fahre. Als Belohnung winken dicke Geldboni. Außerdem kann ich selbst Wettbewerbe für mich und meine Freunde erstellen, an einer Online-Liga teilnehmen (erfordert die Registrierung auf Codemasters Race.net-Plattform) oder Rallycross fahren. Viele Online-Wettbewerbe setzen allerdings den Besitz bestimmter Autos voraus.
Dirt Rally schlägt einen ganz anderen Weg ein als die anderen Dirt-Spiele. Es richtet sich nicht an die große Masse der Rennspielfans sondern nur an solche, die den Kampf gegen die Strecke und die Uhr lieben und echtes Rallye-Feeling erleben wollen. Diesen Spielern liest es dafür nahezu jeden Wunsch von den Lippen ab.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.