Technik-Check für PS5/Xbox Series X und die Last Gen
Selten war es schwerer, die Technik eines Spiels zu beurteilen, als im Fall von Cyberpunk 2077. Grund ist der, dass sich von der Xbox One S bis zur PS5 alle Konsolenversionen teils drastisch voneinander unterscheiden.
Fangen wir zunächst mit den Problemen an, die alle Versionen gemein haben: Bugs, Abstürze und mehr. Wie genau das aussieht, zeigt unser GamePro-Video
In Open World-Spielen ist es keine Seltenheit, dass zum Release in der Spielwelt nicht alles einwandfrei funktioniert. Auch in Cyberpunk erleben wir Objekte wie Autos oder Waffen, bei denen die Schwerkraft aussetzt. Sehen NPCs, die statt auf dem Stuhl zu sitzen, einen Meter daneben Platz nehmen. Wir sehen unsere Spielfigur im Spiegel mit einer Frisur, die im Editor nicht unsere erste Wahl war. Auch erleben wir Clipping-Fehler, merkwürdig verrenkte Körper und ab und an hakelige Animationen. Alles Dinge, die in dieser Art von Spiel zur Veröffentlichung zwar unschön, aber keine Seltenheit sind.
Sind diese Fehler noch verschmerzbar und fallen nach einiger Zeit vielleicht nicht mehr auf, drücken andere Probleme auf den Spielspaß. Darunter gelegentliche Abstürze, bis zu 20 Sekunden andauernde Freezes, fehlende Mimik von Charakteren und asynchrone Lippenbewegungen. Hinzu kamen Questbugs, die es nötig machten, einen früheren Spielstand zu laden.
So viel zur Technik im Allgemeinen. Für den weiteren technischen Vergleich beziehungsweise technischen Zustand fassen wir jeweils die "Next-Gen"-Konsolen sowie die Last-Gen zusammen.
Die Technik auf PS5 und Xbox Series X
Wenig verwunderlich, zeigt sich Cyberpunk auf den Flaggschiffen von Sony und Microsoft konsolenübergreifend im besten Zustand. Neben flotten Ladezeiten bieten beide Versionen eine Bildrate von 60fps, die jedoch speziell im Kampfgeschehen keine Konstanz zeigt. Die Xbox Series X bietet als einzige Konsole zudem einen optionalen Qualitätsmodus, der die Auflösung leicht verbessert, jedoch auf (nicht konstante) 30fps beschränkt ist.
Ohne das für 2021 angekündigte Next-Gen-Upgrade präsentiert sich Night City optisch auf PS5 und Xbox Series X zwar in einem grafisch durchaus soliden bis guten Zustand, von der optischen Wucht auf High-End-PCs ist die Grafik jedoch meilenweit entfernt. Würden wir diesen Vergleich im Normalfall nicht ziehen, wirkt sich dieser grafische Unterschied jedoch auf das "Wow"-Gefühl aus und drückt zudem den Reiz, die Spielwelt bis in den letzten Winkel zu erkunden. Gründe dafür sind in erster Linie der starke Abfall der Bildschärfe in der Ferne, häufige Pop-Ups, starkes Kantenflimmern und eine niedrige Schattenqualität. Wurden wir auf dem PC in die Spielwelt förmlich reingesogen, ist dieser Effekt durch die genannten Mängel stark abgeschwächt.
Was ist mit PS4 Pro und Xbox One X? Aus Zeit- und Ressourcengründen konnten wir die Enhanced-Konsolen der Last-Gen noch nicht testen. Unsere Eindrücke werden wie so schnell wie möglich ergänzen.
Die Technik auf der Last-Gen
Kommen wir zu den Konsolen, für die Cyberpunk 2077 einst angekündigt wurde, deren Versionen sich zum Release jedoch in einem teils desolaten Zustand befinden. Wenn wir von desolat sprechen, ist der Zustand auf den Standardmodellen gemeint. Bei unserem Test auf der PS4 haben wir ein stark verwaschenes Bild vorgefunden und Texturen, die mehrere Sekunden zum nachladen brauchten, nur um dann weiterhin unscharf auszusehen. Häufige Pop-Ups, wenig authentische Lichteffekte, unsaubere Schatten und verwaschene NPC-Gesichter mit Betonfrisuren festigen den schlechten optischen Zustand. Hinzu gesellen sich in actionreichen Sequenzen und bei Fahrten durch die Spielwelt starke Bildrateneinbrüche, welche die angepeilte Framerate von 30fps halbieren. Kämpfe erhalten so einen ganz eigenen Schwierigkeitsgrad.
Aufgrund der technischen Mängel sprechen wir speziell für die Standardkonsolen eine Kaufwarnung aus. Den Grund dafür könnt ihr hier im Detail nachlesen:
Eine der besten Spielwelten aller Zeiten
Machen wir es kurz: Die wohl allergrößte Stärke, das, was Cyberpunk 2077 von all den anderen Open World-Spielen da draußen abhebt, ist seine fantastische Welt - zumindest in der PC-Version, die nicht unter den Technikdefiziten der Konsolenfassungen leidet. Was CD Projekt hier aus Bits und Bytes erschaffen hat, ist eine der beeindruckendsten Spielwelten, die uns je begegnet sind. Cyberpunk hält genau das, was sein Name verspricht und lässt uns in eine dreckige, dunkle, brutale und gleichzeitig wunderschöne und faszinierende Dystopie eintauchen, die bis ins kleinste Detail durchdacht wirkt. Von Night Citys mächtigen Hochhausschluchten, über seine zwielichtigen, schmutzigen Rotlichtviertel bis hinaus in die dörren Weiten des Ödlands, die Spielwelt ist ein absolutes Highlight, in dem wir uns nur zu gern verloren haben. Obwohl Night City weit davon entfernt ist, uns eine fröhliche, heile Welt zu präsentieren, hat uns die Schönheit dieser finsteren Zukunftsvision in der PC-Testversion mehr als nur einmal den Atem geraubt - und ihn beim anschließenden Kontrollgang auf den Konsolen angesichts nachladender Texturen und generell schwammiger, ruckliger Optik mehr als einmal ins Stocken gebracht.
Ähnlich wie in GTA 5 können wir wahlweise mit dem Auto oder dem Motorrad durch die Straßen flitzen oder die Schnellreisefunktion nutzen. Wer Night City aber wirklich erleben will, ist zu Fuß unterwegs. Nur so können wir uns sicher sein, die vielen kleinen Details aufzunehmen und die Atmosphäre der dystopischen Metropole wirklich aufzusaugen, während wir von einem Laden zum nächsten tingeln, um uns neue Implantate oder schicke Klamotten zu besorgen oder neue Missionen suchen.
Diese Details sind es, die den Großteil der Atmosphäre von Night City ausmachen. Sei es der Musiker, der uns an der Straßenecke ein Ständchen singt, die tausenden verrückter Werbeanzeigen, die vom teuren Luxusauto bis zum Sextoy alles schillernd bewerben, oder die futuristischen Windparks im Ödland, bei deren Anblick wir sofort Mad Max: Fury Road erneut anschauen wollen.
Ähnlich wie in Skyrim gilt in der Welt von Cyberpunk 2077 übrigens das Prinzip: Was wir sehen, können wir auch besuchen. Sehen wir einen coolen Ort in der Ferne, können wir ihn nicht nur besuchen, sondern oft auch mit ihm interagieren. Die Achterbahn in der Distanz ist nicht nur Deko, wir können sie sogar fahren. Und wer wollte schließlich noch nicht in einer abgefuckten Cyberpunk-Dystopie Achterbahn fahren?
So großartig und lebendig die Open World von Cyberpunk 2077 (nicht nur) auf den ersten Blick allerdings ist, müssen wir dennoch ein paar Abstriche machen. Denn wer erwartet, dass sie so responsiv ist wie in einem Red Dead Redemption 2, der wird enttäuscht werden. Ja, wir sind ein spürbarer Teil von Night City. Schießen wir plötzlich in einer Menschenmenge wie wild in die Luft oder fahren einen Passanten an, dann reagiert unsere Umwelt darauf und auch die Polizei nimmt uns ins Visier. Eigene kleine Geschichten entstehen daraus allerdings nicht.
Das Loot-System: Night City ist vollgepackt mit mal nützlichem und mal weniger nützlichem Loot, das in verschiedene Seltenheitsstufen unterteilt ist und unter anderem für das Crafting von Waffen und Co dient. Dimensionen des Fallout-Sammelwahns werden hier allerdings nicht erreicht. Dabei ist interessant, dass seltene Items nicht nur nach Abschluss längerer Missionen als Belohnung warten, sondern auch nach Abschluss kleiner, recht unscheinbarer Straßenevents.
Helfen wir also zwei Passanten aus einer Geiselnahme, könnte als Belohnung eine wertvolle Sniper Rifle auf dem Boden liegen. Das wirkt zwar zunächst ein wenig merkwürdig, sind wir es doch normalerweise gewohnt, dass besondere Belohnungen an große Quests gekoppelt sind, letzten Endes hat uns diese Zufälligkeit allerdings gut gefallen, denn auf diese Weise wurden wir immer wieder überrascht.
Einen Kritikpunkt, um den wir aber nicht herum kommen, ist das fehlende Rufsystem, das sich gerade im Bezug auf die Banden bemerkbar macht, die Night City einen Stempel der Gewalt aufdrücken und das Stadtbild entscheidend prägen. So treffen wir in Japantown auf die stark tätowierten Tyger Claws oder machen in Pacifica Bekanntschaft mit den Voodoo Boys, die sich voll und ganz dem Hacking verschrieben haben. Sie alle haben eigene Charakteristika und Bedürfnisse, die gern mal so stark auseinander gehen, dass es in dem ein oder anderen Bandenkrieg resultiert.
Sie sind ein lebendiger, wichtiger Teil der Welt. Und einer, der unser Treiben nahezu komplett ignoriert und somit ordentlich an der Glaubhaftigkeit der dystopischen Cyberpunk-Welt kratzt. Töten wir in einer Mission noch Dutzende vor Steroiden strotzender Animals und treffen sie wenige Minuten später auf offener Straße wieder, gibt es keine Reaktion auf unser Massaker. Es ist, als wäre es nie passiert.
Das ist besonders schade, weil dieses Fehlen von Konsequenzen, dieser Mangel eines Rufsystems, so gar nicht zu dem ansonsten sehr entscheidungsbasierten Cyberpunk 2077 passen will. Hier verspielt CD Projekt Red einen großen Teil der Glaubhaftigkeit der ansonsten so immersiven Spielwelt.
Sound und Synchro: Die Synth- und Darkwave-Songs passen perfekt zum Cyberpunk und auch die gelegentlichen Rock- und Rapstücke gehören zum Besten, was wir 2020 auf die Ohren bekommen haben. Und die deutsche Synchronisation ist eine der besten, die wir je in einem Spiel gehört haben. Schade ist nur, dass die Lippensynchronität nicht immer gegeben ist.
Cyberpunk und sein Spiel mit den Erwartungen
Ja, Cyberpunk 2077 hat Fehler. Nein, Cyberpunk 2077 ist kein perfektes Spiel - bedingt durch die teils mangelhafte Technik zum Release ist es davon sogar meilenweit entfernt. Doch das ändert nichts daran, dass sich unter all den aufgeführten Mängeln ein verdammt gutes Spiel verbirgt.
Es ist ein Spiel, das uns auch nach dem Ende der Credits noch lange nicht losgelassen hat und das wir gleich nach seinem Ende noch einmal begonnen haben, um zu sehen, welche Geheimnisse sich noch in Night City versteckt haben, über die wir noch nicht gestolpert sind. Um bestimmte Entscheidungen noch einmal zu erleben, allerdings mit einer anderen Richtung, anderen Konsequenzen.
Cyberpunk 2077 ist ein besonderes Spiel, über das noch viel geschrieben werden wird. Im Positiven wie im Negativen. Wie gut es euch gefällt, hängt ganz davon ab, worauf ihr letztlich am meisten Wert legt, welche Konsole ihr euer Eigen nennt und mit welcher Erwartungshaltung ihr nach Night City aufbrecht.
Während das Gameplay uns an einigen Stellen ernüchtert zurücklässt, sitzt die Enttäuschung darüber dennoch nicht sonderlich tief. Dafür punktet Cyberpunk 2077 an zu vielen anderen Stellen. Wer ein Action-Spektakel mit Gameplay-Revolution erwartet, wird sicherlich enttäuscht. Wer auf ein Rollenspiel-Highlight mit einer immersiven Welt hofft, der könnte sein/ihr GOTY gefunden haben - oder zumindest einige 100 Stunden Spaß in mehreren Durchläufen eines hervorragenden RPGs, in dem eure Entscheidungen eine Rolle spielen.
Sagt ihr also "Mensch, diese immersive Spielwelt und die tollen Charaktere waren auch schon in der The Witcher-Reihe mein Highlight, dafür spiele ich Cyberpunk", dann habt ihr zumindest für PS5 und Xbox Series X/S unsere Empfehlung. Wem aber der Fokus auf Action-Gameplay enorm wichtig ist und wer für solch eine Art von Spiel zu viele Hummeln im Poppes hat, der sollte sich den Ausflug nach Night City gut überlegen, denn für euch schlägt die Spielspaßwaage eventuell zu sehr in die falsche Richtung aus.
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