Seite 2: Cyberpunk 2077 im Test: Nach drei Jahren endlich ein Meisterwerk

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Die größten Gameplay-Schwächen des Action-RPGs

In feinster Rollenspielmanier leveln wir durch den Erhalt von Erfahrungspunkten auf und stecken Skillpoints in insgesamt fünf unterschiedliche Kategorien (Konstitution, Reflexe, Technische Fähigkeiten, Coolness und Intelligenz), die wiederum in mehrere Skilltrees unterteilt sind. So bestimmen wir, wie sich V seinen menschlichen und mechanischen Gegnern im Kampf stellt.

Investieren wir beispielsweise in die Kategorie Coolness, steigern sich unsere Stealth-Fähigkeiten - wir können uns so leiser fortbewegen oder werden nicht so schnell entdeckt. Wollen wir Katana-schwingend im Nahkampf unsere Feinde aufmischen, wandern die Punkte hingegen in die Kategorie Reflexe. Dabei müssen wir uns rein theoretisch auf keinen Stil festlegen, sondern können die Fähigkeiten wild durchmischen. Wollen wir lieber einen Cyberhacker spielen, der im Umgang mit Fernkampfwaffen geschult ist, ist das auch möglich. Wollen wir als Tank samt zielsuchender Schrotflinte auf pure Action setzen, geht auch das. Apropos Waffen: Hier hat sich CD Projekt einiges einfallen lassen. So finden wir Wummen, deren Kugeln an Wänden abprallen oder durch diese hindurch schießen. Speziell die sogenannten SMART-Waffen haben sich als sehr gute, wenn auch übermächtige Wahl herausgestellt.

Kategorien Zu Beginn des Spiels verteilt ihr Punkte auf die fünf Kategorien, die ihr im Verlauf der Reise immer weiter auflevelt

Skilltree Einer von vielen Skilltrees, mit denen ihr V immer weiter verbessert. Leider schalten wir viele der coole Fähigkeiten erst sehr spät frei.

Die Krux ist, dass viele spaßige Fähigkeiten erst recht spät im Fähigkeitenbaum freigeschaltet werden und zudem qualitativ stark schwanken. Investieren wir beispielsweise in Quickhacks, können wir Gegner bewegungsunfähig machen, in Brand stecken, "Selbstmord" begehen lassen und und und. Hier eröffnen sich spannende neue Möglichkeiten und Wege, Missionen zu bestreiten und Feinde auszuschalten. Setzen wir jedoch aufs Schleichen, erhöht sich auf der höchsten Stufe für fünf Sekunden unser Bewegungstempo wenn wir von Feinden entdeckt werden.

Das klingt nun im ersten Moment sehr cool und ist es letztlich auch. Allerdings kommen diese Features leider erst sehr spät dazu, was bedeutet, dass wir erst im letzten Drittel des Spiels wirklich Freude über einen Levelaufstieg verspürt haben. Vorher war es uns lange Zeit einfach egal, weil Skills wie 10% schnelleres Schleichen und zwei Sekunden später entdeckt werden keinen spürbaren Unterschied gemacht haben. Hier krankt Cyberpunk etwas in Sachen Balancing und hätte schon viel früher Punkten müssen.

Wenig motiviert hat uns auch das Cyberware-Feature, mit dem wir V bei Ripperdocs aufmotzen können. Dabei handelt es sich um Implantate, die unsere Körperteile durch feinstes Hightech ersetzen. Das System kränkelt jedoch an zwei Fronten. Zum einen sind die Implantate unfassbar teuer, wodurch wir uns kaum welche leisten konnten. Cyberklingen und mechanische Fäuste zum Preis von über 40.000 Credits klingen zwar mehr wie ein gutes Schnäppchen, bis wir das Geld jedoch erst zusammengespart haben vergeht sehr viel Zeit.

Bei Ripperdocs, die wir überall in Night City finden, werten wir Vs Körper mit Cyberware auf.

Natürlich ergibt sowas in einer Welt, in der sich nur die Reichen Cyberware leisten können und die Armen auf der Strecke bleiben durchaus Sinn, rein spielmechanisch wäre es jedoch weit spaßiger gewesen, hätten wir unseren Charakter mehr aufmotzen können. Zum anderen schwankt auch hier die Qualität der Cyberware stark. Da gibts durch ein neues Skelett mehr Traglast, oder durch ein neues Kreislaufsystem erhöht sich unsere Ausdauer um 20 Prozent. Tödliche Mantisklingen an unseren Armen, mit denen wir Feinde im Nahkampf ins Verderben schicken, sind hier schon das Positivbeispiel. Die Verbesserungen hätten mit niedrigeren Preisen und einer Spur mehr Kreativität für mehr Spaß gesorgt.

Wie fühlt sich das Gameplay an? Doch springen wir von der Verbesserung Vs direkt ins Gameplay selbst und zu einer ganz wichtigen Erkenntnis. Sei es der Nah- oder Fernkampf, sei es das Schleichen: All das funktioniert im Großen und Ganzen, taugt für ein Rollenspiel. Es erwartet uns weder die Holprigkeit eines Fallout 76, noch die Extraklasse eines Shooters wie Destiny 2 oder die Schwertkampf-Finesse eines Ghost of Tsushima. Stürmen wir mit gezücktem Katana einem Gegner entgegen, teilen Hiebe aus und blocken, artet das mehr in Button-Mashing aus als in eine filigrane Kampf-Choreografie. Immerhin das Trefferfeedback kann hier etwas punkten, gewinnt aber auch keine Awards für Besonderheit.

Speziell mit den Standardeinstellungen des Controllers hatten wir arge Probleme mit dem schwammigen Handling, gerade in Kämpfen. Nachdem wir über die erweiterten Optionen im Menüpunkt "Steuerung" den vertikalen und horizontalen Rotationsbonus auf 0 gesetzt hatten, fiel das Zielen mit dem Pad um einiges leichter. Die Frage bleibt, warum hier erst müßig Regler verschoben werden müssen.

Ein Cyberpunk-Spiel mit schlechter KI!?

Das größte Problem aus unserer Sicht ist jedoch die KI selbst und zu großen Teilen auch das Balancing. Die versteht es zwar teils sich zu verstecken und aus der Deckung heraus zu feuern und die ein oder andere Granate zu schmeißen, mehr Positives haben wir hier allerdings nicht zu berichten. Die meiste Zeit läuft sie planlos in unser Sichtfeld, reagiert viel zu spät auf unseren Positionswechsel oder verweigert auch hin und wieder regungslos komplett den Dienst.

Im Verlauf einer Mission mussten wir 13 Gegner ausschalten. Während die ersten 12 schnell aus dem Verkehr gezogen waren, stellte sich uns schnell ein ganz anderes Problem: Wo zum Teufel war der letzte Überlebende? Nach langer Suche haben wir dann mehr durch Zufall gesehen, dass der Gute scheinbar deaktiviert vor dem Missionsgebiet wartet. Solche Momente sind sehr ärgerlich und zerstören die Immersion. Hier können wir nur hoffen, dass schnell nachgepatcht wird.

Action Mit der Sniper nehmen wir unsere Gegner ins Visier, die sich jedoch sehr oft sehr dumm verhalten.

Hacks Mit Cyberhacks hatten wir speziell im letzten Spieldrittel eine Menge Spaß. Um sie auszulösen, müssen wir zunächst einen Scanmodus aktivieren.

Allgemein raten wir aber gerade erfahrenen Spieler*innen, die eine Herausforderung wollen, den Schwierigkeitsgrad großzügig nach oben zu korrigieren. Auf "normal" wurde uns das Spiel recht schnell zu leicht. Zwar steckt V nicht viel ein, seine Gegner jedoch noch weniger. Hier würden wir euch für ein besseres Spielerlebnis zumindest ab der Mitte des Spiels den dritten der insgesamt vier Schwierigkeitsgrade empfehlen.

Die Qual der Wahl

Während Cyberpunk in den Punkten Charakterverbesserung und Action-Gameplay selbst noch Luft nach oben hat, wurde eine Sache aus Gameplay-Sicht ganz hervorragend umgesetzt: die Entscheidungsfreiheit, die uns bei nahezu allen Missionen geboten wird.

Nehmen wir als Beispiel eine Mission in einem Bordell, in der wir den schmierigen Manager finden und Informationen aus ihm herausquetschen müssen. Der befindet sich (wie könnte es anders sein?) an einem Ort, zu dem wir uns erstmal Zutritt verschaffen müssen. Jetzt können wir entweder wie Rambo mit der Schrotflinte durch das Etablissement laufen und alles über den Haufen schießen, bis wir endlich bei ihm sind, wobei er dann natürlich keine große Lust mehr auf einen ruhigen Plausch hat. Oder wir schleichen uns heimlich auf direktem Weg durch die Gänge und stellen fest, dass der Gute zwar jetzt mit uns spricht, wir aber ohne Gewalt nichts aus ihm herausbekommen. Oder aber wir erkunden aufmerksam die Gegend, finden ein Druckmittel gegen den Schmierfink und erpressen ihn. Und zwar komplett gewaltfrei.

Das Braindance-Feature: Ein weiteres Gameplay-Element nennt sich Braindance. Hier tauchen wir in virtuelle Erinnerungen anderer Personen ein, können Szenen aus der Vergangenheit nicht nur ansehen, sondern in ihnen Detektivarbeit leisten, ein bisschen wie in Batman: Arkham Knight. Dazu spulen wir aufgezeichnete Clips vor und zurück und können im Scanmodus Objekte, Audiospuren und Wärmesignaturen untersuchen. Das Ganze ist zwar spielmechanisch recht seicht und wenig anspruchsvoll und hat keinerlei Konsequenzen wie zum Beispiel in Detroit: Become Human, jedoch ist es eine schöne Auflockerung für Zwischendurch.

Das ist ein relativ simples Beispiel für die vielen Möglichkeiten, die uns Cyberpunk 2077 immer wieder bietet, sowohl auf spielerischer als auch auf erzählerischer Ebene. Je nachdem wie wir spielen, versperren oder öffnen sich uns neue Wege, die nicht selten große Auswirkungen auf die Geschichte haben. Speziell zum Ende des Spiels. Verwehren wir beispielsweise Techie und Braindance-Spezialistin Judy die Hilfe, schließen ihre Questreihe nicht ab, fehlt uns im Finale vielleicht die eine Option, mit der wir Cyberpunk gerne beendet hätten.

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