Celeste im Test - Ein Überraschungshit, den jeder spielen sollte

Das pixelige Jump 'n' Run tritt den Beweis an, dass auch fordernde Spiele für alle da sein können.

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Ohne viel Trara erschien mit Celeste im Januar ein Jump 'n' Run, das Kenner der Indie-Szene eigentlich auf dem Schirm gehabt haben sollten. Chefentwickler Matt Thorson veröffentlichte 2013 immerhin den Multiplayer-Kulthit TowerFall Ascension zunächst für die glücklose Android-Konsole Ouya, das es 2014 auch auf den PC und andere Systeme schaffte. Diese Verwandtschaft ist Thorsons neuem Pixelplattformer deutlich anzumerken, auch wenn es diesmal ein reines Soloabenteuer ist.

Aber was für eins! Celeste ist ein Überraschungshit, der sich mit Klassikern wie Super Meat Boy, Ori and the Blind Forest und The End is Nigh messen kann. Das liegt vor allem daran, wie Celeste seine Spielmechanik und seine Hintergrundgeschichte sowie seine Intention nahezu perfekt verwebt.

Absturzgefahr

Celeste ist auf den ersten Blick ein klassisches Hüpfspiel, das kluge, genaue Navigation verlangt und Fehler gnadenlos bestraft. Gemeinsam mit Heldin Madeline erklimmt ihr den namensgebenden Berg Celeste. Der Weg führt durch Ruinen und über Steilhänge. Dabei begegnet ihr nicht nur Figuren wie dem Selfies schießenden Touristen Theo, sondern auch Madelines böser Zwillingsschwester, die sie um jeden Preis am Aufstieg hindern will. Aufgeteilt ist die Kletterpartie in acht Kapitel mit jeweils dutzenden Levels, die in der Regel einem Bildschirm entsprechen. Stirbt Madeline, startet der Abschnitt sofort neu. Und das passiert oft. Denn hunderte Male stürzt Madeline in Abgründe, berührt tödliche Stacheln oder wird von Plattformen zerquetscht.

Sind die Haare blau, kann Madeline sich nicht mit einem Dash retten. Sind die Haare blau, kann Madeline sich nicht mit einem Dash retten.

Um das zu verhindern, müsst ihr mit zwei knappen Ressourcen haushalten. Die erste ist Madelines Ausdauer. Sie kann per Schultertaste an Wänden hinaufklettern, aber sich nur für wenige Sekunden dort halten. Sobald sie erschöpft den Halt verliert, stürzt sie ab. Die zweite und wichtigste Ressource ist das Dash-Manöver. Mit diesem kann Madeline in der Luft einen großen Sprung in eine beliebige Richtung ausführen – aber nur ein einziges Mal! Erst wenn sie den Boden wieder berührt oder einen besonderen Kristall aufsammelt, wird der Dash erneut aufgeladen.

Einfach, nicht leicht

Drei Tasten für Springen, Dash und Klettern reichen aus. Statt Madeline mit immer weiteren Fähigkeiten auszustatten kommt die Abwechslung über das Leveldesign ins Spiel. Jedes Kapitel führt neue Elemente ein. In einem Abschnitt gibt es bewegliche Plattformen, die sich gleichzeitig mit dem Dash bewegen. Andere bieten Luftblasen, die euch in der Luft einen weiteren Sprung ausführen lassen.

Der simple Dash muss so immer ein bisschen anders eingesetzt werden. Wichtiger als eine punktgenaue Landung ist die Suche nach der besten Route. Jeder Abschnitt ist ein kleines Puzzle, das mit der richtigen Kombination aus Madelines Bewegungsrepertoire und der Umgebung (Dash-Kristalle!) gelöst werden kann. Trotz hunderter Abschnitte wiederholt sich keine Idee. Ihr müsst immer wieder umdenken, um den Berg zu bezwingen.

Die Heldin setzt alles daran, ihren inneren Schweinehund und den Berg Celeste zu überwinden. Die Heldin setzt alles daran, ihren inneren Schweinehund und den Berg Celeste zu überwinden.

Nur nicht aufgeben

Je weiter man sich vom Meeresspiegel entfernt, desto steiler steigt auch der Schwierigkeitsgrad an. Die Lernkurve wirkt dabei perfekt abgestimmt. Celeste stellt euch stets vor Herausforderungen, die genau das richtige Bisschen härter als die vorhergehenden sind. Zwar hüpft man ein ums andere Mal ins Verderben, kann aber sofort erneut sein Glück versuchen.

Dank der äußerst präzisen Steuerung und des fordernden, aber fairen Schwierigkeitsgrades kommt auch nach dutzenden Anläufen kein Frust auf. Wenn ein Versuch scheitert, ist stets klar, wo man einen Fehler gemacht hat.

Steilwandklettern mit Sicherungsleine

Wer nach dem Durchspielen des knapp achtstündigen Hauptpfades noch nicht genug hat, kann sich auf die Jagd nach versteckten Erdbeeren machen. Diese haben zwar keinen Effekt auf das Spiel, bieten über weit entfernten Abgründen schwebend oder hinter unsichtbaren Wänden versteckt aber eine weitere Herausforderung für wagemutige Spieler. Und selbst danach gibt es mit den so genannten B-Seiten noch besonders schwierige Versionen aller vorhandenen Levels.

Das sollte jedoch niemanden abschrecken. Beim Spielstart lässt sich, ähnlich wie in neueren Nintendo-Spielen, ein Hilfemodus aktivieren, der die Spielgeschwindigkeit reduziert oder Madeline unsterblich macht. Die Entwickler wollen so jedermann ermuntern, Celeste durchzuspielen.

Als Bonus ist die allererste Version von Celeste im Spiel enthalten – wenn ihr den richtigen Geheimraum findet. Als Bonus ist die allererste Version von Celeste im Spiel enthalten – wenn ihr den richtigen Geheimraum findet.

Atmen, Madeline!

Was Celeste darüber hinaus zu einem echten Kleinod macht, ist die herzergreifende Geschichte. Bei vielen Jump 'n' Runs eher ein Anhängsel, spielt sie hier eine wichtige Rolle. Dabei wird es trotz pastelligem Pixel-Look erstaunlich düster. Es geht um Depressionen und Selbstzweifel. Die Berg-Metapher ist nicht zufällig gewählt.

Umso schöner ist es dann, diese Schwierigkeiten gemeinsam mit ihr zu meistern. Celeste gelingt das seltene Kunststück, Spielgefühl und Geschichte in nahezu perfektem Einklang zu bringen. Was Madeline in der Geschichte erlebt – das Überwinden einer schier unmöglichen Herausforderung– spiegelt sich auch im Gameplay wieder.

Lohnende Aussicht

Die Figuren und Level strotzen trotz grober Pixel vor Details. Schweißtropfen warnen vor dem nahenden Absturz, und Madelines Haarfarbe zeigt, ob sie das Dash-Manöver einsetzen kann. Jedes Kapitel hat eine eigene Identität, die sich nicht nur in den Spielmechaniken, sondern auch in vielfältigen Farben und Hintergründen zeigt. Manchmal sind letztere sogar einen Hauch zu verspielt, so dass die Lesbarkeit der Plattformen etwas leidet. Besonders erwähnenswert der Soundtrack von Lena Raine (Guild Wars 2). Mal melancholisch, mal treibend, mal triumphal unterstreicht die Mischung aus Elektrosound und Chiptune die emotionale Achterbahnfahrt des Spiels.

Auf ihrer Reise durchquert Madeline auch ein verlassenes Hotel, in dem es spukt. Auf ihrer Reise durchquert Madeline auch ein verlassenes Hotel, in dem es spukt.

Ein kleines Meisterwerk

Celeste steht in der Tradition von Spielen wie Super Meat Boy oder FEZ und muss diesen Vergleich auch nicht scheuen. Der große Unterschied zu anderen Hardcore-Plattformern ist Celestes Einstellung gegenüber denjenigen, die am Spiel scheitern. Ihnen wird hier gesagt, dass es absolut in Ordnung ist, um Hilfe zu bitten.

Madeline hat sich das Ziel gesetzt, den Berg zu erklimmen, und das darf jeder in seinem eigenen Tempo tun. Diese Philosophie ist es, die Celeste so besonders macht. Man kämpft nie gegen das Spiel, sondern begibt sich gemeinsam mit ihm auf eine Reise. Wer es zu Ende bringt, wird nicht nur mit der Aussicht vom Berggipfel, sondern einer spielerischen wie erzählerischen Meisterleistung belohnt – ganz egal, wie geschickt ihr mit dem Controller seid.

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