In den 90ern tauschte man auf dem Schulhof Geschichten über die in Deutschland erst ab 18 Jahren zugänglichen, schmuddeligen Spielhallen mit ihren technisch beeindruckenden Automatenspielen aus.
Kein NES, SNES oder gar Heimcomputer brachte die meist schnellen, bunten Actionspiele in einer vergleichbaren Qualität auf den Bildschirm. Was hierzulande Erwachsenen vorbehalten blieb, war im Rest der Welt allen Altersklassen zugänglich und wurde zum Teil der Jugendkultur.
Heute lässt sich diese Faszination kaum noch nachvollziehen, Spielhallen sind größtenteils verschwunden. Aus diesem Grund wird das Capcom Beat'em up Bundle spalten: Für die einen ist es eine strahlende Retro-Schatztruhe, für die anderen bloß angestaubter Pixelbrei.
Stumpf ist Trumpf
Heutige Beat'em Ups bieten tiefgreifende Kampfsysteme mit auf mehreren Ebenen ineinander verschachtelten Combos. Alle sieben Spiele dieser Sammlung sind davon weit entfernt, und die Auswahl der Angriffsmuster lässt sich an zwei Händen abzählen.
Auch ihr Grundprinzip ist einfach: Von links nach rechts laufen und allen auf die Schnauze hauen, die einem in die Quere kommen. Die Charaktere können dabei auch in den Vorder- und Hintergrund laufen, springen, Würfe ausführen und je nach Spielfigur sogar schießen.
Ein paar Spezialattacken gibt's auch, für die meistens eine simple Tastenkombination nötig ist. Das ist für Einzelspieler ziemlich redundant. Deshalb schreien ausnahmslos alle Titel nach einer Koop-Retro-Party. Je nach Spiel ist das mit zwei bis vier Teilnehmern möglich, und das nicht nur lokal, sondern auch online.
Wenn viele Verfechter stumpfer Keilereien gleichzeitig über den Bildschirm walzen, herrscht ein wundervolles Chaos, das seinen ganz eigenen Reiz entwickelt. Besonders bei Bossgegnern dauert es dann nicht mehr lange, bis sich alle auf der Couch gegenseitig anfeuern.
Eine große (boxwütige) Familie
Alle sieben Titel basieren auf der gleichen Hardware-Familie, die Capcom damals für viele seiner Automaten nutzte. Deshalb fühlen sich alle Vertreter in dieser Sammlung in den ersten Minuten erst einmal ähnlich an. Der Fortschritt bei Technik und Design wird aber danach allmählich spürbar. Schließlich sind die Spiele über einen Zeitraum von einem Jahrzehnt erschienen.
Das zeigt gleich der bekannteste, aber auch älteste Prügel-Opa in der Sammlung: Final Fight ist eine zünftige Klopperei in den Seitengassen einer amerikanischen Großstadt, die sich fest ins Gedächtnis von Retro-Gamern eingebrannt hat.
Aber auch sie müssen zugeben: Es steuert sich nach heutigen Verhältnissen steif. Das Kollisionsverhalten? Unzuverlässig. Ob ein Schlag trifft, ist schwer abzuschätzen. Manchmal landet man einen, obwohl Gegner sich nicht auf der gleichen Höhe befinden.
Zudem gab's den Titel schon in gefühlt hundert anderen Collections. Ähnliche Probleme hat auch das jüngere Warriors of Fate. Es nimmt sich die chinesische Legende der drei Reiche zur Vorlage. Da sind schon ein paar nette Ideen drin, wie reitbare Pferde oder fünf Charakterklassen mit unterschiedlichen Waffen.
Doch ob mit Pfeil und Bogen oder Schwert: So richtig Wumms hat das Trefferfeedback nicht. Eine ganze Ecke besser machen es The King of Dragons und Knights of the Round, die beide in einem Fantasy-Mittelalter angesiedelt sind. Schlag, Treffer, Gegner am Boden. Hier fühlen sich Steuerung und Feedback schon sehr viel griffiger an. Cool außerdem: Zwischen den Leveln steckt ein Mini-RPG-System. Gegen erkämpftes Geld gibt's neue Fähigkeiten, die allerdings beim Neustart wieder flöten gehen.
Schlagfertige Ideen
Die vier bisher genannten Spiele sind zwar nicht besonders gut gealtert, haben aber trotzdem witzige Einfälle, die sie damals zu etwas Besonderem machten.
Beispiele? Am Ende jedes Levels gibt es einen Bossgegner mit exzentrischer Persönlichkeit. Hier und da brechen Gegner durch Türen im Hintergrund, oder es gibt atmosphärische Schauplätze. Egal ob fahrende U-Bahnen, idyllische Wälder oder gruselige Schlachtfelder - überall wird die Faust geschwungen.
Die wirklichen Highlights der Sammlung sind aber die übrigen drei Titel. Beginnen wir mit Captain Commando. Ursprünglich war der Captain ein hauseigenes Maskottchen auf NES-Anleitungsheftchen.
Sein Beat'em Up nimmt sich selbst nicht ganz ernst und wirft deshalb mit Ninjas, Mumien und Dominas um sich. Achso, ein Baby, das einen Mech steuert, ist auch dabei. Noch bekloppter wird es bei Battle Circuit, wo man sich zum Beispiel als Alien-Pflanze mit einem Elvis-Imitator prügelt. Es ist der aktuellste Titel in der Sammlung, bei dem die geballte Erfahrung von Capcom spürbar wird: Wundervolle Animationen, nachvollziehbare Steuerung und Physik, etliche grafische Details in Vorder- und Hintergrund. Allein für dieses Spiel lohnt sich schon die Anschaffung des Gesamtpakets.
Eiserne Faust der Mecha
Oben drauf gibt es noch Armored Warriors, das sich auf einem ähnlich hohen Niveau befindet. Hier hauen sich Mecha gegenseitig auf die Zwölf.
Huch, sogar mit einer dritten Taste? Jawohl, und sie ist vor allem für eines gedacht: ballern! Was in diesem Spiel an bildschirmfüllenden Explosionen, Partikeleffekten und Irrsinn abgefeuert wird, weckt beste Erinnerungen an andere große Automatenklassiker wie Metal Slug.
Sind wir mal ehrlich: Wer möchte denn nicht sehen, wie bei Wrestling-Moves Blechgesichter auf Metallärsche prallen? Robo-Schwitzkasten, anyone? Im Multiplayer sogar alles gleichzeitig? Eben! Dieses Spektakel will keiner verpassen.
Auch wenn nicht jeder Titel in der Sammlung überzeugt: Armored Warriors ist gemeinsam mit Battle Circuit und Captain Commando ein verdammt gutes Kaufargument. Bei denen erkennen sogar jüngere Generationen, dass an den Märchen der glorreichen Arcade-Hochzeit vielleicht doch etwas dran gewesen sein muss.
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