Der cinematische Puzzle-Plattformer hat sich über die Jahre zu einem spannenden Genre entwickelt. Titel wie Limbo, Little Nightmares oder Inside gehören dazu. In dieser erwachsenen Abwandlung von klassischen Jump&Runs erwarten uns Geschicklichkeitstests und Rätsel in fremden, oftmals beängstigenden Welten voller Gefahren - die beinahe wie in einem Film inszeniert sind. Dabei wird oft eine mehrdeutig interpretierbare Geschichte erzählt. In diese Kerbe schlägt auch Black: The Fall. Als unbewaffneter Ingenieur müssen wir versuchen, aus einem kommunistischen Überwachungsstaat zu fliehen.
Erinnerungen an ein Regime
In Black: The Fall finden sich zahlreiche Bezüge auf die Zeit vor 1989, als Rumänien unter dem Regime von Diktator Ceausescu litt. Zwar handelt es sich hier nicht um eine reine Nacherzählung, und es werden historische Elemente mit Science-Fiction vermengt, doch die Darstellungen muten trotzdem wie eine Aufarbeitung an. Ceausescu ließ damals unter anderem die Bürger verelenden und trieb Rumänien in die Zahlungsunfähigkeit.
Das Spiel lässt uns die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit spüren, indem es heruntergekommene Stadtviertel zeigt, in denen die geschwächten Bewohner sich von Propagandafernsehen berieseln lassen. Dem gegenüber stehen riesige Fabriken mit modernen Technologien, in denen Waren hergestellt werden, die ausschließlich ins Ausland exportiert werden - beides Realität in der späten Ceausescu-Ära.
Manche Szenen schlagen uns regelrecht in die Magengrube, etwa ein Saal voller Leichen in Holzsärgen. Hier wird an die zahlreichen Todesopfer der Proteste gegen das Regime in Bukarest und Timisoara erinnert, deren Körper im Forensischen Institut auf ähnliche Weise aufbewahrt wurden.
Die Macht der Manipulation
Es war eine Zeit, in der Individualität unterdrückt wurde. Passend also, dass die Hauptfigur des Spiels keinen Namen trägt und keine Vorgeschichte hat. In der allerersten Szene ist der Ingenieur zunächst einer von vielen Arbeitern, die in einer Fabrik schuften. Jeder der Arbeiter trägt eine rot leuchtende Antenne zur Gedankenmanipulation auf dem Kopf, wir können unsere Spielfigur zunächst nicht in der Masse ausmachen.
Irritiert drücken wir irgendwelche Tasten auf dem Gamepad, um herauszufinden, welche von den vielen Gestalten wir eigentlich steuern … und stellen fest, dass wir die einzige Person sind, deren Antenne weiß leuchtet. Wir können uns frei bewegen! Wir sind nicht ferngesteuert! Wir wollen fliehen! Aber zahlreiche Überwachungsdrohnen und Sicherheitskräfte stehen im Weg. Um sie passieren zu können, müssen wir vorgeben, weiter Teil des Systems zu sein.
Die logisch aufgebauten Rätsel sind stets um die Kernthemen Täuschung und Manipulation herum gestaltet. So überwinden wir zum Beispiel Kameras, indem wir temporär den Platz von anderen Arbeitern einnehmen, bis wir uns in einem toten Winkel weiterbewegen können. Sehr früh im Spiel finden wir darüber hinaus eine Art Fernsteuerung, mit der sowohl Objekte als auch andere Antennen-Personen beeinflusst werden können. Der Infrarotstrahl kann allerdings von Überwachungskameras entdeckt werden. Um deren Sichtradius und andere Hindernisse zu umgehen, muss der Strahl über reflektierende Oberflächen umgeleitet werden.
Lösungshilfe auf vier Beinen
Bald gesellt sich ein unerwarteter Begleiter zu uns: ein Roboterhund, der ebenso ferngesteuert werden kann. Er dient nicht nur als Podest, um höhere Plattformen zu erreichen, sondern ist auch unzerstörbar. So können wir ihn zum Beispiel anweisen, in ein Getriebe zu springen, um es zu blockieren. Elektrisch verzerrtes Knurren und Murren machen dabei sein Unbehagen deutlich. Spätestens hier fällt auch weniger sensiblen Gemütern auf, wie skrupellos sich der Spieler in der Rolle des Ingenieurs verhalten muss. Er lässt zahlreiche Kollegen in der Fabrik zurück und quält einen Roboterhund, um sein Überleben zu sichern. Je länger die Reise geht, desto stärker stellt sich ein Gefühl der Reue ein.
Ob nun mit oder ohne Hund - die Knobelaufgaben lassen sich immer mit Hilfsmitteln in unmittelbarer Nähe knacken. Bis man auf die Lösung kommt, kann es trotzdem eine Weile dauern. Zum Großteil liegt es daran, dass uns das Spiel lobenswerterweise nicht für dumm verkauft und nur die nötigsten Hinweise liefert. In seltenen Fällen ist aber auch das Leveldesign daran schuld. Manchmal ist die Beleuchtung in den ohnehin schon sehr düsteren Arealen so ungeschickt gesetzt, dass man eine wichtige Plattform übersieht.
Am ärgerlichsten sind jedoch die Fehler in der Kollisionsabfrage, die uns vor allem in den Geschicklichkeitspassagen zu schaffen machen. Der Ingenieur greift nach einem weiten Sprung nicht immer nach der Kante, obwohl er sie eindeutig erreicht hat. Glücklicherweise gibt es aber so gut wie keine Ladezeiten, und die zahlreich platzierten Rücksetzpunkte werfen uns nur wenige Meter zurück. So hält sich der Ärger über die kleinen technischen Fehler in Grenzen, und auch darüber hinaus bleibt der Spielfluss trotz der Bildschirmtode erhalten. Und davon gibt es reichlich! Der Arbeiter kann sich nicht wehren und stirbt augenblicklich, sobald ihn eine Gewehrkugel trifft.
Mehr Ausdruck durch Minimalismus
Obwohl Black: The Fall einen reduzierten Grafikstil verwendet, der weitestgehend auf Texturen verzichtet, schaffen es die Entwickler mit eindrücklicher Bildsprache eine beklemmende, düstere Dystopie zu zeichnen. Ob geschickter Einsatz von Lichtquellen, durchdachte Farbkomposition oder beeindruckende Panoramen von zerstörten Städten: Das Spiel wirkt jederzeit kunstvoll und mit Bedacht in Szene gesetzt. Dabei kommt es völlig ohne Worte aus und erzählt seine Geschichte rein visuell.
Selbst die Musik hält sich mit lediglich sphärischen Klängen zurück oder bleibt komplett aus, um raumfüllenden Maschinengeräuschen die akustische Bühne zu überlassen. Ausgesprochen gut finden wir den gezielten Einsatz von Stille. Wenn nur der Wind über die verlassenen Lande zieht oder nur das Summen von Lampen zu hören ist, dann wird die Trostlosigkeit der Welt noch deutlicher.
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