Göttliche Elizabeth
Noch einfacher werden die Auseinandersetzungen übrigens, wenn sich Elizabeth an Bookers Seite gesellt. Die Lady mit dem bezaubernden Lächeln und dem sanften Gemüt entpuppt sich nämlich flott als »Godmode«-Sidekick. Immer in Bookers Nähe, aber glücklicherweise nie im Weg (sehr gute Arbeit, liebe Entwickler), wirft sie uns Medizinpakete, Munition oder Salze zu, wenn irgendwas davon ausgehen sollte. Salze? Ja, Salze. Das ist nämlich das Zeug, das unsere Spezialkräfte antreibt. Später dürfen wir Elizabeth sogar darum bitten, stationäre Geschütze, neue Waffen oder eine Kiste mit Gesundheitspäckchen in die Landschaft zu pflanzen. Die Gute kann das Zeug nämlich über sogenannte Risse aus anderen - jetzt bloß keine Spoiler auspacken - »Dimensionen« nach Columbia teleportieren. Das ist clever gedacht und peppt die Kämpfe ordentlich auf, reduziert aber gleichzeitig den Anspruch und macht das Leveldesign sehr durchschaubar. Biegen wir um eine Ecke und es blinkt uns ein potenzieller Riss ins Auge, dann wissen wir schon: Gleich kommen wieder ganz viele Gegner.
Trotzdem ist Bioshock Infinite kein kurzes Spiel. Wer jede Ecke inspiziert, jeden Tresor knackt, jeden Hot Dog (Gesundheit) futtert und überhaupt jeden Stein gesehen haben will, der wird sicher über zwölf Stunden mit dem Titel beschäftigt sein. Und es gibt eine Menge zu sehen, auch wenn's mit dem Übersehen schwierig werden dürfte. Denn Bioshock Infinite ist ein ziemlich linearer Shooter - auch wenn wir mal rechts und links vom direkten Weg abkommen dürfen und auch, wenn wir einige Abschnitte mehrmals besuchen müssen. Die Wolkenschienen bleiben nämlich in der Regel ein Gimmick für groß angelegte Kampfgebiete, alternative Routen gibt's selten, und geschlichen wird quasi nie.
Macht aber nichts, denn zu einem kompletten schlauchigen Erlebnis wird Bioshock Infinite dann doch nicht, und Irrational hat sich verflixt viel Mühe gegeben, uns immer wieder mit neuen und beeindruckenden Aussichten zu verwöhnen. Das Herrenhaus von Comstock? Wow! Die Ausstellung über Boxerkrieg und Wounded Knee? Wow! Die Taufhalle? Wow! Wir geben es zu, wir finden es eigentlich gar nicht schlimm, dass die Schießereien vergleichsweise simpel und flott ausfallen, denn so kommen wir schneller zum nächsten Highlight, zur nächsten merkwürdigen, spannenden, verwirrenden Begebenheit.
Englisch, intelligent, unterhaltsam
Mit Elizabeth ist Irrational Games dabei ein kleines Kunststück gelungen. Sie bewegt sich die meiste Zeit so natürlich um uns herum und durch die Spielabschnitte, als würde da jemand in unserem Computer sitzen und sie steuern. Sie redet mit uns in Situationen, in denen wir auch mit ihr reden würden, sie macht uns auf Besonderheiten aufmerksam, sie bringt uns zum Lachen und weckt gleichzeitig den Beschützerinstinkt. Was nicht zuletzt an der tollen Vertonung liegt. Passende Stimme, tolle Intonation, eine ausgezeichnete Arbeit der deutschen Sprecherin.
Die hohe Qualität macht diesbezüglich aber nicht bei Elizabeth halt, auch die anderen Charaktere werden durch ihre Sprecher tatsächlich lebendig. Allen voran übrigens Booker selbst, der nicht als stumme Marionette durch Columbia läuft, sondern mit einem herrlichen Bassorgan glaubwürdig kommentiert. Schade in diesem Zusammenhang aber, dass die vielen, vielen Plakate, Inschriften und Notizen nicht übersetzt sind, auch nicht als Untertitel. Wer des Englischen nicht mächtig ist, der muss leider auf ziemlich viel Atmosphäre verzichten. Oder hässliche Untertitel hinzuschalten. Aber nicht nur die fehlenden Übersetzungen nagen an der Atmosphäre, auch die verwaschenen und teils extrem unscharfen Texturen des Spiels sind äußerst unschön.
Bioshock Infinite ist also genau das, was wir uns erhofft hatten - und befürchtet haben. Wir hatten eine intelligente, vielschichtige Handlung und eine fantastische, atemberaubende Spielwelt erwartet und ja, das trifft beides zu. Wir hatten eine Vereinfachung der Spielmechanik befürchtet, und ja, auch das trifft zu. Aber: Letzteres stört uns überraschenderweise kaum. Der Shooter-Part ist nämlich trotz seiner Anspruchslosigkeit noch immer sehr unterhaltsam - und schlicht das Element, das Bioshock Infinite überhaupt zu einem Spiel werden lässt. Viel lieber wäre der Titel ein reines Gedankenexperiment, das merkt man ihm häufig an. Das wäre uns auch recht, allerdings hätte Bioshock Infinite so nie den Weg auf GamePro.de gefunden und wäre kein Thema in der Spielewelt. Und das wäre uns nun wieder gar nicht recht.
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