In Astral Chain steht die Menschheit kurz vor der Ausrottung. Der Grund: Chimera, seltsame Wesen aus einer anderen Dimension, terrorisieren im Jahr 2078 den letzten großen Rückzugsort. Die Chimera sind riesige Monster, die Menschen bei Berührung in ihresgleichen verwandeln. Verzweifelte Situationen erfordern verzweifelte Maßnahmen. Also entwickeln Wissenschaftler eine Methode, um die Chimera als Waffe gegen sich selbst zu nutzen: die Astral Chain.
Mit dieser Kette können ausgebildete Kämpfer die Kreaturen gefügig machen. Das ist auch bitter nötig, denn die Angriffe nehmen zu, und die Bevölkerung ist verunsichert. Als Teil der Neuron-Spezialeinheit untersucht man Tatorte und findet heraus, ob Chimera-Aktivitäten dahinterstecken. Das gipfelt meist in hitzigen Gefechten und Abstechern in die andere Dimension.
Überraschende Genremischung
Astral Chain ist das neueste Werk von Platinum Games, den Machern von Bayonetta und Metal Gear Rising - also eher linearen Actionspielen. Erst ihr gefeiertes Spiel Nier: Automata lockerte die Action-Formel auf und bot eine offene Welt, gepaart mit linearen Missionen. Astral Chain wirkt wie die konsequente Weiterentwicklung. Meist starten die Kapitel des Spiels in der Polizeistation, wo man eine Mission auswählt. Die führt dann in eines der Stadtgebiete, die zur freien Erforschung bereitstehen.
Dort spricht man mit NPCs, geht mit der zuschaltbaren Hologrammsicht namens Iris auf Spurensuche und löst paranormale Kriminalfälle. In den Slums geht zum Beispiel das Gerücht um, ein Geist sei unterwegs und würde Maschinen stören. Was ist dran an der Geschichte? In einem anderen Viertel ist eine Brücke eingestürzt. Es sieht wie ein Unfall aus, aber Augenzeugen berichten von Portalen, die sich geöffnet haben. Höchst verdächtig! Am Ende eines Falls verlangt der Einsatzleiter eine Zusammenfassung. Man muss also immer gut aufpassen, um dann im Gespräch die richtigen Antworten auszuwählen.
Eingeflochtene Rollenspielelemente
Während der Erkundungsphase sammelt man Verschmutzungen aus der anderen Dimension ein, die sich rote Materie nennt. Das ist eine von mehreren Währungen, die man zum Aufrüsten seiner Chimera-Legionen und der eigenen Waffen braucht. Mehr Erfahrungspunkte durch ein besseres Abschlussergebnis des Kapitels ergeben mehr genetischen Code für die monströsen Begleiter. Materialcode hingegen ist wichtig für die eigenen Waffen - eine Schusswaffe, ein Schlagstock und ein Schwert.
Die Faustregel ist: Je akkurater das Fallergebnis, je besser man kämpft und je mehr Nebenmissionen man löst, desto stärker wird man. Das macht Spaß, weil sich mit jeder neuen Fähigkeit neue taktische Möglichkeiten für den Kampf ergeben. Die Progression schreitet stets angenehm voran. Man hat nie das Gefühl, nichts erreicht zu haben, ohne andersherum mit Zahlen und Erfolgen überschüttet zu werden. Was ihr geleistet habt, fühlt sich verdient an.
Neuartiges Kampfsystem
Das Kampfsystem setzt im Gegensatz zu anderen Titeln von Platinum Games nicht auf ellenlange Combos, bei denen sich die Finger verknoten. Astral Chain benötigt zwar Reflexe, aber dreht sich nicht vollständig darum. Im Prinzip steuert man zwei Charaktere gleichzeitig: Den menschlichen Polizisten und den Legion-Lämpfer, den man erst auf Knopfdruck hinzuholt. Grundlegende Angriffe führt der Legion (das ist keine Legion im herkömmlichen Sinn, sondern ein Name) auf dem normalen Schwierigkeitsgrad von selbst aus.
Besondere Aktionen muss man aber aktiv initiieren. Dabei spielt die namensgebende Astralkette eine große Rolle. Man kann den Legion so bewegen, dass gegnerische Chimera eingekreist werden. Damit lassen sie sich für kurze Zeit fesseln und kampfunfähig machen. Andere Kreaturen stürmen wie ein wütender Stier auf einen zu. Das kann man ausnutzen und die Kette als Hindernis spannen, um das Monster zurückzuschleudern. Jeder Feind erfordert andere Taktiken, bei der die Position im Raum absolut entscheidend ist.
Im Gegensatz zu anderen Character-Action-Spielen fühlt sich Astral Chain zunächst ein wenig langsamer an, aber man hat vor allem später genug zu tun. Dann hat man alle fünf Legions freigeschaltet, die jeweils spezielle Fähigkeiten haben. Zwischen ihnen kann man während des Kampfes wechseln. Einer hat eine große Axt dabei, die langsam ist, aber verheerenden Schaden anrichtet. Ein anderer Legion besitzt einen großen Bogen, der für einen Angriff aus der Distanz gedacht ist.
Aber Vorsicht! Man kann den Legion nicht die ganze Zeit aktiv lassen. Es gibt eine Energieleiste, die man im Auge behalten muss. Es lohnt sich also, eine Weile als einzelner Mensch zu kämpfen und den richtigen Moment abzuwarten. Das gilt auch für besondere Attacken, die nur in bestimmten Figurenkonstellationen oder Gegnerphasen möglich sind. Timing ist alles, vor allem bei den gewaltigen Bosskämpfen. Sehr nett: Es gibt einen lokalen Koop-Modus, in dem ein Spieler die Kontrolle über die Legions übernehmen kann.
Sympathische Welt mit toller Präsentation
Astral Chain überrascht mit einer Missionsstruktur, die viele Atempausen erzeugt. Dabei bekommen die liebenswerten Charaktere und die Cyberpunk-Welt Raum zum Atmen. Nach ein paar Stunden fühlt man sich bei seinen Kameraden pudelwohl und lacht mit ihnen über herzerwärmende Situationen. Ein Beispiel ist der Subplot mit den streunenden Katzen: Eigentlich sind im Hauptquartier keine Vierbeiner erlaubt, angesichts der Bedrohungen bringen die Hauptfiguren es aber nicht übers Herz, die Katzen ihrem Schicksal zu überlassen.
Im Gegenteil: Irgendwann suchen alle heimlich in Nebenmissionen nach den Streunern. Dazwischen kann man versuchen, einen großen Stapel Eiskugeln an unvorsichtigen Passanten vorbei zu manövrieren. Oder man sorgt im Maskottchenkostüm bei Zivilisten für ein Lächeln. Dieser kontrastreiche, heitere Ton zwischen den ernsten Fällen, zu denen zum Beispiel verunglückte U-Bahnen gehören, machen die Welt menschlicher. Bloß der Hauptplot gerät bei all dem zunehmend aus dem Fokus und lässt zum Schluss einige Fragen offen.
Optisch fehlt es der anderen Dimension für die lange Spielzeit an Abwechslung. Das fällt ins Gewicht, weil man sich lange darin aufhält: Man kann dort viele Geheimnisse finden, zumal neue Legionen neue Fortbewegungsmöglichkeiten eröffnen. Das hat Anleihen an ein Metroidvania und man entdeckt Ecken mit Schätzen. Ebenso kann man in bereits besuchte Gebiete zurückkehren und mit seinen neuen Fähigkeiten zuvor gesperrte Bereiche öffnen.
Abgesehen von der abwechslungsarmen Alternativdimension ist die Präsentation absolut großartig: Der fantastische Soundtrack lässt den Puls in die Höhe schießen, die Welt sieht stylisch aus, und das Spiel läuft jederzeit flüssig. Bei den Effekten hat Platinum sich zudem selbst übertroffen: Was hier an Explosionen, Lasern, Partikeln und Treffereffekten über den Schirm gedonnert kommt, ist einfach gewaltig. Sogar im Handheld-Modus. Astral Chain kitzelt alles aus der Switch heraus.
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