Für diesen Test werde ich wahrscheinlich von vielen Ezio-Fans der ersten Stunde auf die Mütze kriegen. Denn Assassin's Creed Syndicate ist nicht das Spiel, das sich diese Liebhaber der ersten Teile wünschen. Ich kann das verstehen. Es ist auch nicht das Spiel, das ich mir wünsche (wer das nicht glaubt, schaut sich bitte dieses Video an). Syndicate erfindet kein Rädchen so wirklich neu, hält sich streng an die Ubisoft-Formel.
Es treibt die Gegenwarts-Story nicht voran, überschreitet selten Popcornkino-Niveau. Und es hat Mikrotransaktionen. Trotzdem vergebe ich eine ziemlich hohe Wertung, die sogar fast an Fan-Liebling Assassin's Creed 2 sowie ans grandiose Black Flag herankommt. Und dazu stehe ich.
Denn wenn man mal außen vor lässt, was Syndicate alles nicht ist, und stattdessen den Blick darauf richtet, was Ubisoft hier eigentlich umsetzen will, dann muss man feststellen: So nah war ein Assassin's Creed noch nie an einer wirklich funktionierenden Open World dran. Das liegt an ein paar sehr cleveren Kniffen - einer davon ist sicherlich, dass Syndicate tatsächlich alles besser macht als der Vorgänger Assassin's Creed Unity. Mit einer überraschenden Ausnahme.
Achtung - Plattformexklusive Mordfälle! Ein Missionstyp, der aus Unity zurückkehrt, sind die Mordfälle. Jacob und Evie müssen darin mit ihren einzigartigen Fähigkeiten Verbrechen aufklären und Mörder dingfest machen. Diese Aufträge sind allerdings bis März 2016 nur für Käufer der PS4-Version verfügbar. Wer sich also auf ebendiese Missionen freut, muss sich leider noch ein Weilchen gedulden.
Technischer Rückschritt, performanter Fortschritt
Syndicate sieht merklich schlechter aus als Unity. Wo Unity noch wirklich herausragende Lichteffekte hatte, kommen sie in der Fortsetzung kaum zur Geltung. Mal wirkt alles trist, an anderer Stelle kriegen Figuren und Oberflächen einen übersteuerten Glanzeffekt. Das Spiel trifft grafisch zu selten die perfekte Mitte.
Schade, denn wenn es dann mal passt, kann auch das neue Assassin's Creed die Millionenbudget-Muskeln spielen lassen: Ich balanciere auf der Spitze eines Schiffsmasts, blicke auf die Themse herab, wo sich Dutzende von Booten aneinander vorbeischlängeln. In der Ferne sieht man Big Ben, die St. Pauls Cathedral oder den Tower of London.
PS4 vs. Xbox One: In unseren Testmustern können wir keine nennenswerten Unterschiede zwischen beiden Versionen feststellen. Das Spiel läuft ruckelfrei, sieht auf beiden Plattformen gut aus, bleibt aber visuell hinter Unity zurück. Auch die Bug-Dichte ist bei Sony und Microsoft gleichermaßen vorhanden, aber überschaubar.
Und ja, manche Abstriche in der Präsentation mögen auch am neuen Setting liegen. Dass es weniger Passanten auf einem Haufen gibt, zum Beispiel - 1860 war die Zeit der Revolutionsaufmärsche in England schon ein paar Jährchen vorbei. Oder dass die Ziegelsteinbauten einfach nicht so opulent anmuten wie Notre Dame. Das erklärt aber nicht, warum die Texturen detailärmer und Modelle gröber wirken.
Oder weswegen die an sich gelungene deutsche Vertonung oft alles andere als lippensynchron ist. Auch die Ladezeiten sind übertrieben lang. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass im echten Viktorianischen Zeitalter weit weniger Bugs verbrieft sind als in Assassin's Creed Syndicate. Die sind zwar nicht so zahlreich und störend wie in Unity, aber doch vorhanden.
Mal stecken Figuren in Wänden fest, Fahrzeuge spawnen an den falschen Stellen und in einer Zwischensequenz hat Hauptfigur Evie ganz gefehlt. Unspielbar wird Syndicate dadurch allerdings nicht. Ganz im Gegenteil: Die Bildrate ist um ein Vielfaches stabiler als beim Vorgänger, und die meisten Fehler wirken sich nur optisch aus.
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