Missionen nach Schema F
Apropos uninspiriertes Design: Anthem wäre ein so viel besseres Spiel, wenn sich BioWare bei den Missionen um mehr Abwechslung bemüht hätte. Da können unsere Exo-Suits noch so cool sein. Spätestens nach dem dritten Story-Auftrag verfliegt der anfängliche Spaß am großen Alleinstellungsmerkmal des Shared World-Shooters und Ernüchterung stellt sich ein.
Missionen laufen nämlich immer nach dem gleichen Muster ab. Wir nehmen in unserem Singleplayer-Hub Fort Tarsis einen Auftrag an, werfen uns in die Schale unseres High Tech-Anzugs und spawnen an einem festgelegten Punkt in der Open World. Von da aus fliegen wir zu unserem jeweiligen Ziel und stürzen uns in den Kampf.
Zwischendurch müssen einfache Schalterrätsel lösen oder dröge Sammelaufträge erledigen. Wer in der Mitte der Kampagne glaubt, bereits alle Energie-Orbs in der Welt von Anthem eingesammelt zu haben, der hat sich getäuscht. Dieser Aufgabentyp begleitet uns bis zum Abspann.
Diese Missionen erwarten euch in Anthem
- Hauptstory: Die Missionen der rund 15 Stunden langen Kampagne
- Agenten-Missionen & Aufträge: Zusätzliche Quests, in denen wir diverse Aufgaben für Mitgliedern einzelner Fraktionen bestreiten.
- Festungen: Raid-artige Herausforderungen, bei denen ihr im Koop gegen besonders starke Gegner sowie Endbosse kämpft.
- Freeplay: Die Freie Erkundung der Welt außerhalb von Fort Tarsis. Hier sammeln wir Ressourcen oder nehmen an Weltereignissen, also Events teil.
Nach der Story wird's übrigens nicht spannender. Das gesamte Endgame besteht daraus, haufenweise repetitive "Herausforderungen der Tapferkeit" abzuschließen. Dahinter stecken im Grunde nur Checklistenaufgaben.
So müssen wir beispielsweise 100 Weltereignisse (Events im Freeplay) oder 25 Festungen (Raids) abhaken, um die Herausforderung zu bestehen. Die Festungen an sich sind zwar cool, weil sie uns spielerisch mehr fordern als herkömmliche Quests und uns am Ende aufregende Bosskämpfe schicken, im Endgame verkommen sie allerdings zum drögen Grind.
Das Gute an den meisten Missionen? Sie sind im Grunde recht kurz. Dank häufiger und langer Ladezeiten ziehen sie sich trotzdem wie Kaugummi. Schließen wir einen Auftrag ab, geht's zurück nach Fort Tarsis. Ladebildschirm. Dort besuchen wir die Schmiede, um unsere frisch gelooteten Schießeisen und Fähigkeiten auszurüsten. Ladebildschirm. Anschließend nehmen wir eine neue Quest an und begeben uns wieder in den Dschungel von Bastion. Ladebildschirm!
Auf der PS4 müssen wir schon mal bis zu 40 Sekunden warten, bis es weitergeht. Obendrauf kommen etwas kürzere Unterbrechungen in der Open World, die den Spielfluss merklich stören, etwa wenn wir eine Höhle betreten.
Feinde zum Einschlafen
Die Gegnerklassen öden uns ebenfalls an. Mal treffen wir auf insektoide Aliens, mal auf riesige Wölfe, mal auf menschliche Schergen von den Dominions. Diese unterscheiden sich zwar optisch voneinander, erfordern aber allesamt die gleiche Taktik: Wir geben ihnen Saures, indem wir alles auf sie knallen, was Waffenarsenal und Fähigkeiten-Repertoire hergeben.
Aufgrund des fantastischen Javelin-Gameplays spielt sich das anfangs zwar super, ermüdet aber auf Dauer.
Dass es besser geht, zeigt BioWare beispielsweise im Multiplayer von Mass Effect 3. Hier stellen wir uns unter anderem teleportierenden Banshees oder mit Schwertern bewaffneten Phantomen, dieunterschiedliche Herangehensweisen forderten.
Anthem fehlt es hingegen deutlich an Gegnervielfalt - und -Intelligenz. Immer wieder erleben wir, wie Wölfe oder Dominions regungslos in der Gegend herumstehen, während wir stumpf draufballern.
Kämpfe gegen Standardfeinde fordern uns so gut wie nie. Lediglich Zwischenbosse wie die mächtigen Titans bringen uns wirklich ins Schwitzen. Wer ihren flammenden Flächenangriffen nicht rechtzeitig ausweicht, der wird hier schnell verschrottet und muss darauf warten, dass ein Teammitglied zur Reparatur eilt.
Wartet auf Reparatur
Auch Bioware muss noch vieles an Anthem reparieren. Sowohl die PS4- als auch die Xbox One-Versionen sind werden selbst nach dem Day One-Patch noch von ärgerlichen Bugs geplagt.
Da färbt sich auf einmal die gesamte Spielwelt pink. Da verschwinden Widersacher plötzlich, nachdem wir auf sie geschossen haben. Da wollen Storymissionen einfach nicht weitergehen, weil wir uns vor dem nächsten Checkpoint mit unendlich nachspawnenden Feinden herumschlagen müssen, die dann auch noch zu schwach sind, um unserem Leid wenigstens ein Ende zu setzen.
Aber selbst bug-frei wäre der Shared World-Shooter noch kein gutes Spiel. Dazu mangelt es zu sehr an Abwechslung, Umfang und spannenden Geschichten. Und nun liegt es an BioWare, das Spiel kontinuierlich mit Content-Updates zu verbessern.
So funktionieren die Mikrotransaktionen
Anthem bietet in einem Ingame-Shop ausschließlich kosmetische Items zum Kauf an, die wir entweder mit der Ingame-Währung oder mit Splitter erwerben können. Bei letzteren handelt es sich um die Premium-Währung des Spiels, die wir mit Echtgeld erstehen können. Die Preise für die einzelnen Items sind recht happig: Für ein Anzug-Design bezahlen wir beispielsweise entweder 61.000 Münzen oder 850 Splitter (rund 8,50 Euro). Das sind stolze Preise für einen Vollpreistitel, nichtsdestotrotz bleiben die Käufe optional. Anthem bietet keine Pay2Win-Mechaniken.
Mit einer ersten Roadmap für das Frühjahr 2019 versprechen die Macher bereits jede Menge neuen Content, darunter weitere Freeplay-Events, Festungen und Missionen. Bleibt zu hoffen, dass zukünftige Inhalte Anthems große Stärke besser zu nutzen wissen als das Hauptspiel.
BioWares Lootshooter hat nämlich dank des hervorragenden Javelin-Gameplays jede Menge Potenzial. Bislang entpuppt sich Anthem jedoch nur als mittelmäßiger Versuch, in der Welt der Service-Games Fuß zu fassen. Und das ist angesichts der vielen großartigen Bioware-Spiele in der Vergangenheit eine herbe Enttäuschung.
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