Oh mein Gott, was habe ich Banjo-Kazooie geliebt. Das Abenteuer des Bären Banjo und der Möwe Kazooie steht für mich auf einer Stufe mit dem legendären Mario 64. Und wenn mich heute jemand fragt, was ich aktuell in der Videospielwelt vermisse, dann sage ich meistens "Richtig gute Hüpfspiele - so wie sie damals waren".
Entwickler Rare erhörte mein Flehen bislang nicht, die Engländer entwickeln bekanntermaßen unter der Microsoft-Flagge mittlerweile andere Titel wie Kinect Sports Rivals oder aktuell Sea of Thieves. Wie gut, dass da einige Ex-Mitarbeiter in die Bresche sprangen und das Studio Playtonic gründeten. Mit dem als Kickstarter-Projekt gestarteten Yooka-Laylee wollen sie mich und viele andere End-90er-Jump&Runs-Fans glücklich machen.
Wie früher
Die gute Nachricht direkt vorweg: Das Vorhaben ist den Playtonic-Mannen geglückt, und es ist fast schon unheimlich, in welchem Maße es den Entwicklern gelingt, das Gefühl des alten Hüpf-Klassikers einzufangen. Schon das kunterbunte Hauptmenü mit dem Yooka-Laylee-Schriftzug, der markanten Ukulelen-Melodie und den drei anwählbaren Speicherständen fungiert für mich als wunderbare Zeitmaschine, katapultiert mich zurück in mein 13-jähriges Ich, das mit leuchtenden Augen vor dem Röhrenfernseher sitzt und zur lustigen Musik mitwippt.
Bei der Hintergrundgeschichte ist es ähnlich, denn die ist ebenso skurril wie belanglos - genau wie eben damals bei den Rare-Hüpfern: Das böse Bienenwesen Capital B und dessen Gehilfe Dr. Quack haben mithilfe einer mysteriösen Maschine (Novellisator 64, na klickt es?) alle Bücher der Welt gestohlen und wollen damit - Zitat im Spiel - der "einzige Player auf dem Markt" werden. Klar, dass ich als Chamäleon Yooka und Fledermaus Laylee damit überhaupt nicht einverstanden bin und dem Bösewicht ordentlich in die Suppe spucken will. Also hüpfe ich im Spiel durch die Konzernzentrale Hickory Towers (die als Oberwelt dient) sowie fünf große Einzelwelten, die ich durch riesige Bücher erreichen kann.
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Das kenn ich doch
Die Level sind ebenso schick wie abwechslungsreich. Anfangs geht's zum Beispiel durch einen Dschungel-Abschnitt mit Ruinen, später dann eine Eislandschaft, ein Casino und einen Sumpf. Wichtig für den Spielfortschritt sind dabei die sogenannten Pagies, glitzernde Buchseiten, mit denen sich neue Welten freischalten oder bestehende erweitern lassen.
Die Pagies bekomme ich durch allerlei Aufgaben, gestellt werden die teilweise von herrlich skurrilen Charakteren. Es gibt zum Beispiel eine Bergwerks-Lore namens Kartos, bei der ich einen Hindernisparcours eben mit einer Lore absolvieren muss. Ein verzweifelter Schneemann fragt mich nach seinem verlorenen Hut oder ein trauriger Einkaufswagen (!) will, dass ich im Sumpflevel mehrere Pilze plattmache.
Außerdem gibt's in den Levels enorm viel Sammelkram. Ich sacke zum Beispiel Federn ein (damals Noten), suche fünf Ghostwriter-Schreiber (früher Jinjo-Wesen) und kann mich an bestimmten Stellen sogar verwandeln, wenn ich ein sogenanntes "Mollekühl" finde und zu einer Wissenschaftlerin bringe. Sogar einige Buttonkombinationen fühlen sich identisch an, zum Beispiel beim hohen Sprung, den ich mit einer Schultertaste und dem Hüpf-Button ausführe.
Yooka und Laylee erweisen sich dabei als gelenkige Tausendsassas, die von Beginn an viele Moves auf dem Kasten haben, aber zusätzlich von der Schlange Trowzer immer wieder neue Bewegungen lernen, mit denen sie dann neue Bereiche erreichen können. Zum Beispiel per schneller Rolle, Zungenschleck (fungiert als Enterhaken) oder einem Bodenstampfer, mit dem sie brüchige Bodenplatten zerstören können. Cool zudem: In der Oberwelt gibt es ebenfalls von Zeit zu Zeit neue Moves, mit denen ich dann in neue Areale darf.
Damit ist Yooka-Laylee eine wunderbare Neuinterpretation des Rare-Klassikers, die allerdings - und das ist das große Problem des Spiels - nur bestehende Elemente gegen neue ausgetauscht hat. Darüber hinaus verpassen es die Entwickler aber leider, eigene Impulse und Ideen durchzudrücken. Okay, es gibt jetzt die Möglichkeit, die Welten einmal zu erweitern, dafür stellt man sich vor das entsprechende Welten-Buch und bezahlt ein paar Pagies. Das schafft dann neue Bereiche wie einen Boss-Kampf in der ersten Welt und weitere Aufgaben, für die es Pagies gibt. Außerdem müsst ihr die neuen Spezialmanöver jetzt für Federn kaufen, früher gab es einen Move oder mehrere pro Welt gratis. Aber das alles ist höchstens eine Variation des damaligen Spielgefühls.
Richtig gut gefallen hat mir dagegen die Idee, dass Yooka für einen kurzen Zeitraum eine bestimmte Fertigkeit bekommt, wenn er Beeren von einem entsprechenden Strauch nascht. Eine Eis-Beere beispielsweise lässt ihn Gegner mit Eiskügelchen bespucken oder Schalter aktivieren, eine orangene dagegen selbst an rutschigen Eisflächen kleben. Generell werden die Fähigkeiten der beiden gut ins Spiel eingebunden und sind auch für die meisten Pagie-Aufgaben notwendig - so ihr sie gelernt habt.
Manche Manöver verbrauchen Ausdauer/Energie, die entsprechende Anzeige füllt sich nach Leerung nach ein paar Sekunden von selbst auf. Die Lebensenergie ist noch weniger ein Problem, denn die lässt sich mit überall herumflatternden Schmetterlingen erneuern - generell ist Yooka-Laylee ein ziemlich leichtes Spiel. Das ist zwar recht angenehm, wenn man schnell voran kommen will, für alle Rare-Veteranen hätte ich mir aber noch einen optionalen höheren Schwierigkeitsgrad gewünscht.
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Die Probleme
Bei aller Nostalgie kann Yooka-Laylee seinem großen Vorbild Banjo-Kazooie insbesondere in Sachen Steuerung nicht das Wasser reichen. Vor allem die Rolle, mit der die beiden Protagonisten steile Anstiege überwinden können, ist bei hohen Geschwindigkeiten nahezu unkontrollierbar. Das treibt einen in den Abschnitten, in denen man zum Beispiel über schmale Felspassagen rollen muss, in den Wahnsinn. Gerade unter Zeitdruck (abnehmende Ausdauer-Anzeige) verkommen deshalb manche Aufgaben zu nervigem Trial-and-Error. Außerdem sind Sprünge nicht immer richtig abzuschätzen, vor allem in den Momenten, in dem die Kamera in eine feste Draufsicht schwenkt. Nicht falsch verstehen: Die Steuerung funktioniert prinzipiell gut, trotzdem fühlt sich das Playtonic-Spiel nicht so knackig und direkt an wie das Original.
Deutlich schlimmer ist da die Kameraführung. Die Kamera bleibt gerne mal an Objekten hängen oder justiert nicht nach, manchmal wechselt sie gar in eine komplett starre Perspektive, was beim Test sogar zum ein oder anderen ungewollten Bildschirmtod geführt hat. Der ein oder andere wird jetzt sagen: "Moment mal, das war ja auch schon bei Banjo-Kazooie so". Das stimmt zwar, aber niemand hat Playtonic gehindert, das Ganze knapp 20 Jahre später einfach besser zu machen.
Das Gleiche gilt für die Rücksetzpunkte. Nach einem virtuellen Ableben starte ich immer an der Tür, durch die ich zuletzt gekommen bin. Das kann in einer großen Welt natürlich bedeuten, dass ich noch einmal komplett durch den Level dackeln darf, um eine Passage erneut anzugehen. Gerade bei längeren Geschicklichkeitsabschnitten ist das ärgerlich und wirkt heutzutage einfach hoffnungslos veraltet. Eine freie Speichermöglichkeit oder zumindest häufigere Speicherpunkte hätten hier viel Schmerz erspart.
Technisch ausbaufähig
Technisch wirkt der Titel mit seinen sympathischen Hauptcharakteren und der kunterbunten Leveloptik extrem charmant und fängt mit stimmungsvollen Welten und niedlichen Animationen auch in dieser Hinsicht herrlich das Flair der Vorbilder ein. Allerdings kommt läuft die Framerate sowohl auf der PS4 als auch auf der Xbox One nicht hundertprozentig konstant, es kommt zum Beispiel zu kleinen Slowdowns bei manachen Kameradrehungen, was angesichts der nicht gerade üppigen Detailfülle doch stark verwundert.
Dafür punktet der Sound mit absoluten Ohrwurm-Melodien und den (ebenfalls für Rare-Hüpfer typischen) Geräuschen der einzelnen Charaktere. Die sind nämlich nicht mit Sprachausgabe vertont sondern geben teils sehr witzige Gurr- oder Rülps-Laute von sich. Nervig ist dabei nur, dass man viele Dialoge nicht schnell weiterklicken kann, laut Playtonic soll diese Funktion aber in einem kommenden Update nachgereicht werden.
Neben dem Einzelspieler-Modus darf man theoretisch auch zu zweit im Koop losziehen. Erwartet hier aber keinen klassischen Splitscreen, der zweite Spieler steuert lediglich ein Fadenkreuz, mit dem er Schmetterlinge oder Noten einsammeln kann - Gähn! Darüber hinaus können sich bis zu vier Spieler noch an Minispielen wie einem Lorenrennen in Top-Down-Perspektive oder einem Hindernisparcours versuchen - eine nette Ergänzung.
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