Abenteuer-Dramödie
Hauptquartier? Richtig, Hauptquartier! Nachdem sich B.J. zusammen mit der reizenden Krankenpflegerin und ausgebildeten Archäologin Anya aus Polen nach Berlin gekämpft und dort einen Kameraden aus dem Eisenwald-Gefängnis befreit hat, geht's ins Hauptquartier des Wiesenau-Widerstands. Ähnliches kennen wir schon aus dem Vorgänger, allerdings hat das Wiesenau-Quartier so gut wie nichts mit dem sterilen Pendant aus Wolfenstein von 2009 zu tun.
Im Wiesenau-Quartier kommen B.J. und wir zur Ruhe, wir quatschen mit den Widerständlern, die allesamt besonders sind und ihre eigenen traurigen Geschichten zu tragen haben. Caroline, der Kopf der Bande, sitzt mit gebrochenem Rücken im Rollstuhl, Kurt ist ein auf grausamste Art geläutertes Ex-Regime-Mitglied, Bobby, ein lebensmüder Engländer, liegt mit dem Gesicht zur Wand in seinem Bett und will nur vergessen.
Wir erledigen kleinere Aufgaben (»Such mal bitte die Pläne«), tun Gutes und schenken Max, der knuddeligen Wolfenstein-Version von Hodor aus Game of Thrones, einen Spielzeugroboter oder treiben einen verlorengegangenen Ehering wieder auf. Wir vergnügen uns mit Anya in der Horizontalen (die Sexszenen sind leider mild ungelenk), oder wir arbeiten unsere Schuld auf. Eine Schuld, die wir vor 14 Jahren (im Prolog) auf uns geladen haben. Wir wollen nicht zu sehr ins Detail gehen, das wäre ein arger Spoiler. Aber so viel: Wir müssen eine ziemlich fiese Entscheidung fällen, die zur Folge hat, dass sich das Spiel an einigen Stellen verändert. Nicht so bahnbrechend, dass man's zwingend ein zweites Mal spielen muss, aber doch so angenehm, dass man bei einem erneuten Anlauf (vielleicht auf einem höheren Schwierigkeitsgrad) immer wieder überrascht wird. Mal auf unterhaltsame, dann wieder auf dramatische Art.
Und genau das ist etwas, das man Wolfenstein gar nicht hoch genug anrechnen kann: Es schafft locker einen Spagat zwischen nachdenklichen Tönen und einer gehörigen Portion Humor. Letztlich bleibt's nämlich immer ein Spiel, das sich selbst nicht zu ernst nimmt. Wenn wir B.J. etwa aus Versehen von einer ziemlich hohen und für die Handlung wichtigen Brücke fallen lassen, kommentiert er das staubtrocken mit »Was für ein blöder Tod«. Allerdings muss man sich auch nicht schämen, sollten einem ein bisschen die Augen feucht werden, wenn der Held seinen bewegenden Schlussmonolog hält.
Tarantino lässt grüßen
Doch nicht nur unsere Verbündeten sind den Entwicklern gut gelungen, auch die Gegenspieler wurden genau so eingefangen, wie es sich für ein Wolfenstein gehört. Karikaturhaft, aber bedrohlich und abstoßend. Die abgehalfterte Frau Engel und ihren jugendlichen Gespielen Bubi (kein Scherz, der Name) möchte man gleich bei der ersten Begegnung verdreschen. Und dass Kommandant Keller in der Garage von Anyas Großeltern eine ungesunde Begegnung mit sich schnell drehendem Stahl macht, hat er sich verflixt noch mal selbst zuzuschreiben. The New Order erinnert in diesen Momenten stark an Inglourious Basterds beziehungsweise grundsätzlich an die Art, wie Tarantino Bösewichter anlegt und am Ende mit ihnen umspringt. Nicht zimperlich, das können wir festhalten.
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