Eine Reise, die beinahe schief ging
»Über 90 Prozent der Zeit, die du mit deinem Spiel verbringst, ist es einfach nur scheiße«, sagt deswegen Robin Hunicke. Die ehemalige Produzentin bei thatgamecompany war Teil des Teams hinter dem Playstation-Superhit Journey. Ihr Team hatte von Sony die nötigen Gelder bewilligt bekommen, um ein Jahr mit der Entwicklung des Download-Titels zu verbringen. Tatsächlich brauchen sie drei.
Prototyp um Prototyp zieht vorbei, ohne dass die Entwickler auch nur das Gefühl haben, den richtigen Ansatz für ihre Spielmechanik gefunden zu haben. Während thatgamecompany eine Deadline nach der anderen verpasst, erhöht sich der Druck auf die Designer, insbesondere Teamleiter Jenova Chen. »Je dringender wir eine Lösung brauchten, desto mehr blickte das Team zur Führung und erwartete Antworten. Aber die gab es zu diesem Zeitpunkt einfach noch nicht«, so Hunicke.
An einem Punkt im Jahre 2010, berichtet Hunicke, ist die Stimmung derart schlecht, dass die Fortführung des gesamten Projekts in Gefahr gerät. Um die Lage zu entspannen, verpflichtet man daraufhin einzelne Streithähne zu Aussprachen beim Mittagessen und führt wieder geregelte Arbeitszeiten ein, obwohl dies zu weiteren Verzögerungen führt. Mit der Entspannung der Situation verbessert sich die Kommunikation im Team und plötzlich, nach und nach gerät Journey wieder auf den richtigen Kurs.
Dass der Titel überhaupt erscheint, noch dazu in solch hervorragender Qualität, hat er letztlich vor allem der Geduld und Großzügigkeit seines Publishers Sony zu verdanken. Doch für die Geldgeber von Spieleprojekten ist das Vertrauen darauf, dass ein Spiel irgendwann die Kurve kriegt, ein kostspieliges Risiko.
»Besser kriegen wir es nicht hin.«
Sogar Erfahrung und Talent der Studios, bieten hier keinen zuverlässigen Schutz. »Wir hatten eine Tonne solcher Momente während der Produktion von Rage«, räumt beispielsweise Tim Willits von id Software ein. Die Steuerung der Fahrzeuge und das Flugverhalten des so genannten Wingsticks waren nur zwei Dinge von vielen, mit denen das Team einfach nicht wirklich glücklich wurde. »Unausweichlich kommt dann der Punkt, an dem du sagen musst: Ich glaube, besser kriegen wir es nicht hin. Dann muss man es einfach lassen, wie es ist oder rausstreichen.«
Um Risiken zu minimieren, schwört id Software auf so genannte Fokusgruppen-Tests, bei denen kleine Gruppen von Spielern zu ihrer Meinung über frühe Versionen der Spiele befragt werden. Aber am Ende bleibt die Ungewissheit, ob das Team auf jene Mischung stößt, die den Unterschied zwischen gut und großartig ausmachen kann.
»Moment, das ist ein bisschen besser!«
Spieleentwicklung ist, zu einem gewissen Grad, eine Lotterie. Jake Solomon und Harvey Smith haben diesmal Glück gehabt. Irgendwann, nach Dutzenden erfolglosen Änderungen, sind ihre Spiele abgehoben. Nicht urplötzlich, sondern ganz, ganz langsam. »Du probierst es anders und es ist Schrott. Nochmal anders: Schrott. Nochmal anders ... Moment, das ist ein bisschen besser! Und das verfolgst du dann weiter«, beschreibt Jake Solomon den Prozess.
Woran es am Ende aber genau gelegen hat, weiß er genau so wenig wie Harvey Smith. »Es sind manchmal solch unglaublich kleine Details«, sagt Smith nur kopfschüttelnd. »Du lässt den Spieler nur ein paar Sekunden länger die Zeit anhalten, gibst seiner Fähigkeit, sich zu teleportieren, ein paar Meter Reichweite dazu, und es ist ein völlig anderes Spiel.« Beiden Entwicklern ist die Erleichterung ins Gesicht geschrieben, als wir sie auf der Gamescom 2012 treffen. Aber keinem mehr als Harvey Smith.
Am Ende ist es ein mittelgroßes Wunder
Seit Mitte des Jahres lässt er Journalisten die ersten Level von Dishonored spielen. Ein paar Wochen vorher griffen die Rädchen seines Spiels plötzlich alle ineinander. Die Chancen stehen gut, dass Dishonored der beste Singleplayer-Titel des Jahres wird. Der erste große Triumph für Smith seit Jahren. Es ist ein erlösendes Gefühl. Verkaufszahlen, sagt er, sind ihm egal. Für ihn zählt nur, dass er es wieder geschafft hat.
XCOM: Enemy Unknown - Screenshots ansehen
»Es war so ein großartiges Projekt«, sagt er, »egal was die Leute am Ende über Dishonored sagen, ich werde es immer lieben.« Auch Jake Solomon ist bester Stimmung. Hier und da programmiert er noch ein wenig an XCOM, aber im Grunde macht er jetzt nur noch Pressetouren, fängt an, über sein nächstes Projekt nachzudenken. Sein XCOM spielt er aber immer noch jeden Abend. »Es ist ein bisschen so, als müsste ich immer wieder sehen, dass es funktioniert, um es zu glauben«, lacht er.
Am Ende, so ist es von Sid Meier überliefert, entsteht ein richtig gutes Spiel zu gleichen Teilen aus harter Arbeit, Talent – und einem mittelgroßen Wunder.
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