... und tiefer Fall
Smith tritt für Deus Ex 2: Invisible Warin Warren Spectors Fußstapfen und ersetzt ihn als Projektleiter. Doch Probleme mit der Basistechnologie und einige Fehler im Design machten die Fortsetzung des Welthits zur Enttäuschung. Kurze Zeit später ist die Schließung von Ion Storm absehbar und Harvey Smith arbeitet eine Weile als unabhängiger Berater. Schließlich landet er beim Publisher Midway. Dort soll er das interne Entwicklungsstudio anleiten.
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Midway hat große Pläne und will im Shooter-Genre ganz oben mitspielen. Doch das Ergebnis seiner Arbeit am Flaggschiff-Titel Blacksite: Area 51gerät nach Smiths eigener Aussage zum »völligen Desaster«. Als er schließlich auch noch öffentlich über seine Frustration mit dem Blacksite-Projekt spricht, setzt ihn Midway auf die Straße. Es ist das erste Mal in seinem Leben, das er gefeuert wird, der absolute Tiefpunkt seiner Karriere. Der Erfolg, der ihm vorher zugeflogen war, scheint plötzlich unerreichbar.
»Vielleicht hatte ich nur Glück?«
Die Erniedrigung, vor die Tür gesetzt worden zu sein, macht Smith zu schaffen. Viel schlimmer jedoch ist, dass er am Scheitern der Projekte nicht völlig unschuldig ist. Smith weiß, Blacksite wäre kein solches Debakel geworden, hätte Midway nicht erst das Geld und dann die Nerven verloren.
Aber er weiß auch, dass all diese Spiele das Potenzial hatten, viel besser zu sein, als sie es letztlich wurden. Die gleichen Bestandteile, die in anderen Fällen Außergewöhnliches hervorgebracht hatten, fügten sich plötzlich nicht mehr zusammen. »Vielleicht«, denkt er damals, »hat sich die Branche verändert und ich bin auf der Strecke geblieben? Vielleicht hatte ich nur Glück, dass ich Deus Ex hinbekommen habe. Vielleicht werde ich nie wieder so was Gutes zustande bringen.« Und der schlimmste Gedanke: »Vielleicht war ich nie wirklich gut. Vielleicht war nur das Team so hervorragend, dass es mich mit über die Ziellinie getragen hat.«
All diese Dinge gehen ihm Anfang 2012 wieder durch den Kopf, während er ratlos vor Dishonored sitzt, diesem immens wichtigen Spiel. Das Spiel, dessen Name auf so ironische Weise seine jüngste Karriere reflektiert. Das Smith als Designer rehabilitieren soll. Das in wenigen Monaten fertig sein muss.
Eine Name für die Hoffnungslosigkeit
Für diesen Moment der tiefen Rat- und Hoffnungslosigkeit, erfährt Jake Solomon im Jahre 2009, hat Sid Meier einen Namen. Er nennt ihn das »Tal der Verzweiflung«. Es ist der Punkt, an dem die über Jahre gewonnenen Erfahrungen des Designers keine Antworten mehr liefern. Selbst Meier, ein absoluter Experte im Bereich der Strategiespiele, gelangt in jedem Projekt mindestens ein Mal dorthin. Denn heutige Spiele sind schier unüberschaubar komplexe Systeme, deren zahllose Abhängigkeiten immer wieder unterschiedliche Ergebnisse produzieren.
Zu verstehen, woher eine klar erkennbare Fehlfunktion kommt, kann hier schon zum Problem werden. Ganz zu schweigen davon, was denn nun eigentlich Spaß macht. Was Spaß überhaupt ist. Deswegen hat Sid Meier auch nur einen überaus banalen Tipp für seinen Mitarbeiter, als ihn Jake Solomon um Rat bittet: »Probier es weiter, bis es klappt.«
Iteratives Design hilft
Sowohl Solomon als auch Harvey Smith tun genau das. Sie verändern das Spiel minimal, probieren aus, ob es sich nun besser anfühlt. Wenn nicht, verwerfen sie die Änderungen und versuchen es anders. Immer und immer wieder. Iteratives Design nennt man das in der Branche. Es ist der Grund, warum fast alle Studios inzwischen versuchen, so früh wie nur möglich eine rudimentäre, spielbare Version ihres Titels zu erschaffen, mit der alle Beteiligten immer wieder herumprobieren können.
Es ist eine Behelfslösung hinter der die Einsicht steht, dass sich Spielspaß keinen festen Regeln beugt. Doch die immer größer werdende Komplexität moderner Spiele macht es zunehmend schwieriger, diesen Prozess umzusetzen. Mitunter arbeiten Hunderte von Entwicklern parallel an Dutzenden unterschiedlicher Komponenten der Software. Erst gegen Ende der Entwicklung lassen sich alle diese Teile langsam zu einem großen Ganzen zusammenfügen.
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