Video-Hinweis
Im Text sind drei Youtube-Videos eingebunden. Die in den Videos vertretenen Meinungen und Aussagen zum ACTA-Abkommen müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.
Alleine in München gingen 16.000 Personen auf die Straße, in Berlin 10.000 - Anfang Februar haben in über 50 deutschen Städten Zehntausende Menschen gegen ACTA demonstriert, ein internationales Handelsabkommen. Auch im restlichen Europa entflammten Proteste, von Madrid bis Stockholm, von Glasgow bis Athen.
Spiegel Online titelte daraufhin, die »Generation Twitter« habe zurückgeschlagen. Denn die Proteste wurzeln im Internet, die junge Generation hat ihre politische Macht erkannt - und zu nutzen gelernt.
Auf den Druck der Öffentlichkeit (und nachdem große Internet-Dienste wie Google und Wikipedia ihre Angebote einen Tag lang aus Protest abgeschaltet hatten) verschob jüngst der US-Senat die Abstimmung über die Gesetzesvorlagen »Stop Online Piracy Act« (SOPA) und »Protect Intellectual Property Act« (PIPA), die Urheberrechtsverstöße eindämmen sollten und denen Kritiker vorwarfen, die Offenheit des Internets zu zerstören. Diese Gefahr sehen sie nun auch in ACTA - was steckt dahinter?
Was ist ACTA?
Das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA), zu Deutsch etwa Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen, ist ein multilateraler Staatsvertrag, also ein zwischen mehr als zwei Ländern ausgehandeltes Dokument. Neben den Initiatoren USA und Japan sind vor allem die Europäische Union, Kanada, Mexiko, Südkorea und Australien daran beteiligt. Alle unterzeichnenden Länder sollen sich verpflichten, die ACTA-Beschlüsse in nationale Gesetze umzuwandeln und auf internationaler Ebene zusammenzuarbeiten.
Die ersten Gespräche über ein solches Abkommen fanden bereits 2006 zwischen den USA und Japan statt, im Juni 2008 kam es im schweizerischen Luzern zur ersten großen Verhandlungsrunde, an der auch EU-Vertreter teilnahmen.
Allerdings fanden alle Verhandlungsgespräche unter Ausschluss der Öffentlichkeit und abseits demokratisch gewählter Gremien statt. Selbst das EU-Parlament, das ACTA ja schlussendlich ratifizieren soll, war nicht beteiligt. Neben Abgesandten der einzelnen Staaten waren vielmehr amerikanische Lobby-Verbände aus der Pharma-, Software-, Musik- und Filmindustrie an der Ausarbeitung des Vetragstextes beteiligt.
Großen IT-Unternehmen wie Google, Ebay, Intel, Dell, News Corporation, Sony Pictures, Time Warner und Verizon wurde das Abkommen nur unter einer Verschwiegenheitsklausel zugesandt. Erst die Enthüllungsplattform Wikileaks veröffentlichte 2008 den bis dahin geheimen Text.
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Die derzeit debattierte ACTA-Version ist bereits die neunte Überarbeitung, etliche Paragraphen wurden gestrichen oder umformuliert. Auf 25 Seiten verpflichten sich die Unterzeichner, entschiedener gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen.
Die Ziele sind also Produktpiraterie, illegal kopierte Inhalte und Plagiate. Davon wäre nicht nur das Internet betroffen, genauso geht es um zu ähnliche Waren - man denke an dieser Stelle an den Streit zwischen Apple und Samsung über Ähnlichkeiten zwischen iPad und Galaxy Tab. Auch der Umgang mit Generika, wirkungs- und wirkungsgleichen, aber kostengünstigeren Medikamente, fällt unter das ACTA-Abkommen.
Wie wirkt sich ACTA aus?
ACTA soll also die Rechte- und Patentinhabern stärken. Wie das im Detail und auf Länderebene aussehen soll, bleibt jedoch schwammig. Die Paragraphen sind allesamt sehr offen formuliert: Vieles kann mit ACTA legitimiert werden, nichts muss. Je nach Auslegung kann man das Abkommen lediglich als lose Absichtserklärung betrachten, die den Status Quo unangetastet lässt, weil es sehr ähnliche Gesetze in vielen Ländern bereits gibt. Im Vertragstext verbirgt sich aber auch juristischer Sprengstoff, der im schlimmsten Fall im Stande ist, die Grundfeste einer Demokratie ins Wanken zu bringen.
Das ACTA-Dokument beginnt recht harmlos. Sektion 2 sichert den Rechteinhabern »zivilrechtliche Verfahren für die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums« zu. Die Anwaltskanzlei Ferner-Alsdorf kommt zum Schluss, dass die Formulierungen hier bereits jetzt weitestgehend dem deutschen Recht gleichen. Kritischer wird‘s in Sektion 3: Ein Absatz über Grenzkontrollen soll sicherstellen, dass die Vertragspartner die »wirksame Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums an den Grenzen« garantieren, und zwar so, »dass die Errichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel vermieden wird.«
Soll heißen: Der gewerbliche Handel wird nicht beeinträchtigt, etwa durch übermäßige Zollkontrollen. Privatpersonen schützt der Vertragstext indes nicht, sie könnten künftig eingehender kontrolliert werden. Dass Grenzbeamte eingeführte MP3-Player auf kopierte Lieder überprüfen, wäre mit ACTA also möglich, es sei denn, der Gesetzgeber schließt es explizit aus. Denn der Text führt aus: »Eine Vertragspartei kann kleine Mengen von Waren ohne gewerblichen Charakter, die sich im persönlichen Gepäck von Reisenden befinden, von der Anwendung dieses Abschnitts ausnehmen.«
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