Comic des Schreckens
Im Großen und Ganzen funktioniert der schwierige Spagat aus fiktiven Schicksalen und historischer Realität, auch wenn manche »Zufallsbegegnungen« der Helden arg an den Haaren herbeigezogen sind.
Aber meistens fiebern und leiden wir tatsächlich mit. Wir tun alles dafür, dass Karl vielleicht doch wieder zu Frau und Kind zurückkehren kann.
Gleichzeitig spielt angesichts der vielen Grausam- und Sinnlosigkeiten dieses Krieges aber auch immer das Entsetzen mit – obwohl oder gerade weil Valiant Hearts den Schrecken als stark abstrahierten Comic und ohne explizite Gewaltdarstellung inszeniert.
Aber wenn wir mit der Fahne in der Hand und untermalt von klassischer Musik eine deutsche MG-Stellung stürmen und die Kameraden vor, hinter und neben uns wie die Fliegen sterben, dann berührt Valiant Hearts in seinen besten Momenten genauso sehr wie ein guter Antikriegsfilm.
Mit jedem der 27 Levels schalten wir zudem durchweg interessante Fakten, Fotos und Briefe zum Ersten Weltkrieg frei, die das gerade Erlebte in einen historischen Kontext setzen. Die Geschichte von Valiant Hearts hat allerdings auch ihre schwachen Momente, und die hängen fast immer mit einem gewissen Oberst von Dorf zusammen.
Die Entwickler konnten es sich leider nicht verkneifen, einen durch und durch bösen und bis zur Karikatur verzerrten deutschen Gegenspieler einzubauen.
Wenn von Dorf grimmig aus seinem überdimensionierten Panzer schaut und »Vorwärts Marsch!« brüllt, dann wird aus Der Soldat James Ryan plötzlich ein Inglourious Basterds. Es ist ein unsensibler Fremdkörper in einem sonst so sensiblen Spiel.
Weltkriegs-Limbo
Auch spielerisch taucht uns Valiant Hearts in ein Wechselbad der Gefühle. Am besten funktioniert es immer dann, wenn wir dem Schrecken des Krieges mit Kombinationsgabe entkommen müssen. Dazu setzen wir Gegenstände an den richtigen Stellen ein, lösen Schalterrätsel und kleinere Physik-Puzzles.
Das erinnert ein wenig an Limbo, ohne allerdings auch nur im Ansatz dessen Anspruch zu erreichen. Die Rätselareale umfassen meist nur wenige Bildschirme, die Lösung unseres Problems ist eigentlich immer offensichtlich.
Und sollten wir mal länger als ein paar Minuten überlegen (was uns im gesamten Spiel genau einmal passiert ist), greift uns auf Wunsch eine optionale Hilfe unter die Arme.
Einzige kleine Besonderheit ist der (herzzerreißend niedlich animierte) Sanitätshund Walt, der unsere Helden von Zeit zu Zeit begleitet und dem wir einfache Kommandos geben dürfen (Apportier! Lenk ab! Leg den Schalter um!).
Das ist alles weder innovativ noch sonderlich anspruchsvoll, aber trotzdem bleiben wir in den Rätselsequenzen motiviert und interessiert.
Denn die Puzzles sind größtenteils logisch und passend in die Geschichte eingebaut – wenn wir eingeschlossene Zivilisten aus einer zerbombten Ruine befreien müssen, ist es uns schlicht egal, wie banal das zu lösende Problem ist.
Wenn’s kracht, wird’s langweilig
Nicht immer hilft uns jedoch Kombinationsgabe weiter, und immer dann bekommt Valiant Hearts ein Problem. Denn sowohl die eingangs erwähnten Knöpfchen-drück-Operationen als auch die anderen Actionsequenzen sind eben nicht nur anspruchslos und teilweise sogar unpassend, sondern häufig einfach nur furchtbar langweilig.
Valiant Hearts: The Great War - Screenshots ansehen
Da fliehen wir in einem Auto und dürfen minutenlang nichts anderes machen, als nach links oder rechts zu lenken, um Hindernissen auszuweichen. Oder wir verstecken uns vor deutschen Suchpatrouillen, was letzten Endes nur bedeutet, im richtigen und stets komplett offensichtlichen Moment zum nächsten Gebüsch zu huschen.
Auch in den glücklicherweise nur dosiert eingesetzten reinen Kampfabschnitten, in denen wir zum Beispiel mit einem Panzer deutsche Stellungen angreifen, benötigen wir lediglich das richtige Timing und ein klein wenig Reaktionsvermögen.
Da kann die drastische Inszenierung noch so mutig sein, das haben unzählige 2D-Spiele schon deutlich besser gemacht. Aber am Ende, nach einem ebenso konsequenten wie emotionalen Finale, sind wir trotz aller Schwächen im wahrsten Sinne des Wortes beeindruckt.
Nicht wegen eines außergewöhnlichen Spiels, sondern wegen eines außergewöhnlichen Erlebnisses. Karls Geschichte werden wir jedenfalls so schnell nicht vergessen, so sehr uns die stupide Quicktime-Operation auch genervt hat. Denn Videospiele können eben viel mehr, als »nur« zu unterhalten.
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