Das Action-RPG Trials of Mana ist ziemlich konsequent. Allerdings in einem nicht wirklich guten Sinne. Denn das Remake des Super Nintendo-Klassikers von 1995 streicht fast alles weg, was an Japano-Rollenspielen eigentlich die Seele ausmacht. Es ist ein Fest der Gleichgültigkeit, bei dem ihr euch durch Horden an Gegnern metzelt, ohne je das Gefühl eines Abenteuers zu bekommen.
Parallel könnt ihr zwar immerhin noch einen Podcast hören oder eine Serie schauen. Allerdings müsst ihr das zur Unterhaltung auch, denn den Couch-Koop-Modus der Vorlage hat Square Enix im Remake komplett gestrichen. Ihr seid ganz allein mit dieser digitalen Ohrfeige, die der Publisher dem Original (aus eigenem Hause!) quer durchs Gesicht klatscht.
Erfolglose 3D-Umsetzung
Dabei orientiert sich die Neuauflage eigentlich sehr stark an seiner guten Vorlage. Aus den ehemals 2D-Pixel-Landschaften in der Vogelperspektive wird eine komplett in 3D begehbare Welt. Hauptcharaktere, Monster, die wichtigsten Landstriche und sogar die Musik finden sich in restaurierter Form wieder. Was mit veralteter 16-Bit-Technik aber noch einen gewissen Charme hat, funktioniert in Polygon-Optik nicht mehr. Die reduzierte Darstellung hat früher die Fantasie der Spieler angeregt: Aus einem niedlichem Sprite wurde im Kopf eine ausgewachsene Heldenfigur.
Beim Sprung in die dritte Dimension ändern sich die Anforderungen aber radikal. Jetzt ist statt Vorstellungskraft tatsächlich Levelbau- und Grafik-Handwerk gefragt. Aber genau hier versagt Trials of Mana. Immer gleich aussehende Gebäude, Fauna nach Copy & Paste-Prinzip, NPCs aus einer Klonfabrik, stark begrenzte Areale mit unsichtbaren Wänden nichts hiervon fühlt sich glaubhaft an.
Besonders in Innenräumen und Höhlen sehen viele Ecken ähnlich aus. Wäre die Kamera weit entfernt, dann hätte das vielleicht noch als Hommage funktioniert. Zumal Fans des Originals viele Sachen wiedererkennen werden, etwa die tanzenden, orientalischen Händler.
Die Tag/Nacht-Mechanik macht die Welt auch nicht dichter: Monster und NPCs tauchen zwar nur zu unterschiedlichen Tageszeiten auf, aber richtig in der Welt verwurzelt und erklärt sind die Gründe dafür nie. Es führt bloß zur spielerischen Holprigkeit, ab und zu in einer Gaststätte übernachten zu müssen, damit die Geschichte nach dem Schlaf weitergehen kann.
Lustlose Öko-Botschaft
Dabei hätte die Hintergrundgeschichte Potential: Alles dreht sich um einen Mana-Baum, der eine große Fantasy-Welt mit Energie versorgt. Auch das Gleichgewicht der Natur ist von ihr abhängig. Als der Baum an Kraft verliert, beeinflusst das wie eine Kettenreaktion so ziemlich alle Völker auf der Welt. Brunnen drohen zu versiegen, Magie lässt nach, die ganze Umgebung verändert sich langsam.
Das nutzen weniger friedliche Rassen zu ihrem Vorteil aus und starten Angriffe auf andere. Korruption und Raffgier lassen ganze Königreiche fallen. Von all diesen Ereignissen sind die sechs Helden des Spiels direkt betroffen. Sie stammen aus völlig unterschiedlichen Regionen der Welt, haben ganz eigene Motivationsgründe, aber letztlich verbindet sie ein gemeinsames Ziel: den Mana-Baum zu retten.
Zu Beginn kann man sich eine zentrale Heldenfigur aussuchen und zwei weitere bestimmen, die im Laufe der Geschichte als Party-Mitglieder hinzustoßen sollen. Insgesamt sechs Charaktere stehen zur Verfügung, jeder von ihnen hat einen eigenen, spielbaren Prolog.
Innerhalb der ersten beiden Spielstunden kreuzen sich die Wege, und ihr erhaltet die Option den Vorspann der anderen Personen zu spielen. Die anderen drei, die ihr nicht ausgesucht habt, tauchen als NPCs in der Geschichte auf. Besonders mit der globalen Mana-Handlung im Hintergrund ist das reizvoll, denn jeder Held hat eigene Spielabschnitte.
Die gemeinsamen Wege nehmen trotzdem den Großteil der Kampagne ein, die Durchspiel-Varianten mit neuen Heldenkombis halten sich also in Grenzen. Besonders bewegend sind die Einzelschicksale ohnehin nicht. Die Charaktermotivation passt auf einen Bierdeckel: Bruder entführt, Herzdame verflucht, oder einfach nur zu neugierig. Keiner der Helden entwickelt sich nennenswert weiter, obwohl lange Cutscenes sich bemühen. Durch die miserable englische Synchro, die in ihrem Vortrag einem Kinderhörspiel gleicht, wird jegliches Interesse aber sowieso schon im Keim erstickt. Wählt lieber gleich die japanische Sprache mit deutschen Untertiteln.
Button-Masher
Für den Wiederspielwert sind die diversen Perspektiven trotzdem nett, denn jeder Charakter hat eigene Fähigkeiten im Kampf. Und in Trials of Mana wird viel gekämpft! Ob es durch Dungeons, Festungen oder Wälder geht: Hier wird im Sekundentakt alles zu Brei geschlagen! Bei Feindkontakt in der Landschaft bildet sich ein Kreis um euch, der euch mit den Monstern in einer Arena einsperrt.
Das geht aber so übergangslos und dynamisch, das man es zunächst erst gar nicht merkt. Erst wenn man an den Rand der Arena geht, muss man eine Weile dagegen laufen, um der Konfrontation zu entfliehen. Dann gehen aber wertvolle Erfahrungspunkte verloren, die ihr dringend braucht. Die Gegner werden immer größer, mobiler und widerstandsfähiger, so dass eure obligatorischen RPG-Werte ebenso mitwachsen sollten.
In Städten und Dörfern gibt's zudem Waffenhändler, bei dem regelmäßige Besuche Pflicht sind. Durch Ereignisse in der Geschichte bzw. Begegnungen mit NPCs gibt's außerdem ab und zu magischen Fähigkeiten oben drauf. Damit lassen sich bildschirmfüllende Spezialattacken vom Zaun brechen, die sich vor allem bei einer Übermacht an Feinden als Trumpf im Ärmel erweisen.
Die Steuerung ist dabei sehr direkt. Ausweichen, Schlagen, Spezialangriffe über Ring-Menüs aufrufen -- das klappt alles wunderbar. Mit einem Druck auf's Digipad geht außerdem das Inventar auf, während das Spiel pausiert. JRPG-Enthusiasten schwirrt bei dieser Beschreibung vermutlich eine anderes Spielreihe durch den Kopf: Y's. Die Ähnlichkeit lässt sich tatsächlich nicht abstreiten.
Besonders durch die 3rd-Person-Perspektive fühlt sich Trials of Mana manchmal an wie Y's VIII: Lacrimosa of Dana. Die Qualitätsunterschiede verbergen sich aber im Detail: Y's ist Fechten, Trials of Mana eine Kneipenschlägerei. Das wird vor allem bei den Bossgegnern überdeutlich. Die sehen zwar imposant aus, lassen sich aber nach Haudrauf-Prinzip schnell erledigen.
Für Nebenbei-Spieler
Insgesamt ist Trials of Mana ein enttäuschendes Remake. Natürlich müssen Neuauflagen nicht immer so bombastisch wie bei Final Fantasy 7 oder den Resident Evils sein, aber mit neuer Technik, neuen Kameraperspektiven und neuen Spielgewohnheiten kommen eben auch neue Herausforderungen.
Interessant dürfte Trials of Mana letztendlich nur für zwei Personengruppen sein: Die eine sind die beinharten Fans des Originals, die aus reinem Interesse sehen wollen, wie alles in 3D wirkt. Die können sich in den Optionen für die Musik sogar zwischen dem Original vom Super Nintendo oder einer (oft künstlich klingenden) Neuauflage entscheiden. Und die andere Gruppe sind Leute, die ein anspruchsloses Ich-Mach-Was-Nebenbei-Spiel brauchen.
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