Ritterspiele
Bei den Quests protzt Blood and Wine genauso mit Überfluss à la Toussaint. Dass Geralt wieder auf Monsterjagd geht und allerlei Detektivarbeit mit seinen Hexersinnen verrichten muss, versteht sich von selbst. Aber die örtlichen Gepflogenheiten brocken ihm auch ungewöhnlichere Verpflichtungen ein. Ein waschechtes Ritterturnier zum Beispiel! Darin gilt es sich zu Pferde, mit der Armbrust und natürlich im ritterlichen Handgemenge zu beweisen. Aber immer nach den eigenen Regeln von Toussaint, auf der Pferdestrecke müssen wir im Vorbeipreschen Strohkameraden köpfen und aufgehängte Ziele mit Bolzen spicken.
Und noch ganz andere Schlachten gibt es zu schlagen. Bürokratische zum Beispiel. Der simple Versuch, von Geralts Konto in Toussaint Geld abzuheben, gerät zu einem kafkaesken (und äußerst unterhaltsamen) Alptraum aus Formularen und - fliegenden Fäusten? Naja, was soll auch sonst passieren, wenn sich der Hexer am Schalter eiskalt vordrängelt? Der Humor kommt in Blood and Wine wie schon bei der großartigen Geisterfete in Hearts of Stone nicht zu kurz. Er dominiert das Spiel aber nicht über Gebühr. Denn Toussaint verbirgt auf der anderen Seite so abgrundtief dunkle Geheimnisse, dass sie einem jedes weinselige Gelächter im Halse stecken bleiben lassen und das Blut in den Adern gefriert.
Diese Balance zwischen Humor und Spannung ist den Entwicklern für unseren Geschmack hervorragend gelungen, auch wenn Blood and Wine tatsächlich häufiger heitere Momente einstreut als das Hauptspiel. Aber das muss ja nichts Schlechtes sein und passt zum Szenario. Die Leute im kriegsfernen Toussaint haben eben mehr zu lachen als in Novigrad oder Velen!
Fiese Banditen und fiesere Winzer
Was Hearts of Stone für die Geschichtenerzählung von The Witcher 3 war, sollte Blood and Wine für seine Spielwelt werden: Gleichzeitig Stärkebeweis und Weiterentwicklung. Und das gelingt! Es geht schon bei den Mini-Aktivitäten wie Monsternestern los, die über die ganze Karte verstreut sind. Die sind zum einen ein gutes Stück abwechslungsreicher in Toussaint, wir treffen unter anderem auch hilfsbedürftige fahrende Ritter oder Winzer in Not.
Zum anderen sind diese Dinge aber häufig stärker mit Welt und Story verknüpft als im Hauptspiel. Einige Monsternester sollen wir etwa für eins der zwei größten Weingüter des Herzogtums ausräuchern, weil sie das Geschäft behindern. Da hängt eine ganze Questkette dran: Sabotieren sich diese beiden Güter gegenseitig, indem sie Monster aufs Land der Konkurrenz locken? Und für welches der beiden verdingen wir uns?
Unsere Taten verändern sichtbar die Spielwelt. Beispielsweise räumen wir eine Monsterhöhle, damit sie fortan als Weinkeller genutzt werden kann. Aber wir nehmen auch in größerem Maßstab Einfluss. Neben kleinen Banditenlagern thronen nun etwa riesige Schurkenfestungen über dem Land. Die auszuräuchern ist keine leichte Aufgabe. Platzt ein nerviger Hexer herein, rennt ein Halunke mit Fackel zu einem Signalfeuer, und wenn wir ihn nicht rechtzeitig erwischen, alarmiert er hordenweise Verstärkung. Haben wir uns durch Scharen von Banditen gekämpft, wartet auf dem höchsten Turm noch ihr Anführer als Miniboss.
Was allein schon für spannende Schlachten sorgen würde, aber der Aufwand lohnt sich. In eine befreite Festung ziehen nicht nur rechtschaffenere Leutchen ein, sondern das beeinflusst das gesamte Umland. Ergo treffen wir in der Nähe weniger Banditen. Eine andere Aufgabenkette betraut uns damit, verschiedene Hindernisse beim Bau einer riesigen Statue aus dem Weg zu räumen. Zum Beispiel will ein Monsterangriff auf eine Steinlieferung zurückgeschlagen werden. Dann zeugt irgendwann ein kolossales Monument von unserem Wirken - klasse! Insgesamt fühlt sich Toussaint nochmal ein Stückchen gehaltvoller und lebendiger an als das Hauptspiel.
Gestatten: Geralt, Großgrundbesitzer
Und dann ist da noch Geralts eigenes Weingut. Moment, bitte was? Richtig gelesen: Mit Blood and Wine hält Housing Einzug in The Witcher 3. Der Wohlstand von Toussaint hat selbst für Hexer seine schönen Seiten. Fürstin Anna Henrietta speist Geralt nicht mit ein paar lausigen Kronen ab. Nein, sie schenkt ihm das Anwesen Corvo Bianco. Das mag schon bessere Tage gesehen haben, nachdem es sein voriger Besitzer beim Glücksspiel verlor, aber das lässt sich ja ändern! Gegen eine Geldspritze lassen wir unseren Haushofmeister verschiedene Teile wie die Außenwand, das Gästezimmer oder die Gärten renovieren.
Das schmeichelt zuallererst einmal unserer Eitelkeit. Wir dürfen nämlich an Rüstungs- und Waffenständern unsere besten Stücke zur Schau stellen und sogar eigene Bilder aufhängen. Aber so ein Gut hat auch ganz handfeste Vorteile. Geralt erfährt dort einen Luxus, wie er ihn in The Witcher 3 nie zuvor gekannt hat: Ein eigenes Bett! Nur für ihn allein! Und wer hätt's gedacht, nach einer Nacht darin fühlt man sich doch ernsthaft besser als nach einem Nickerchen im Schlamm am Wegesrand. Eine Rast in einem voll ausgebauten Anwesen spendiert uns einen dicken Bonus auf Vitalität, mehr Erfahrung im Kampf, eine Extraladung für Bomben und Tränke und doppelte Pferdeausdauer - klar, denn Geralt denkt natürlich auch dran, einen bequemen Stall für seine getreue Plötze zu bauen.
Im Garten wachsen überdies einige seltene Kräuter, die wir für neue Alchemie-Rezepte brauchen. Praktische Sache, allerdings dürfen wir nicht selbst bestimmen, was angebaut wird. Trotzdem: Corvo Bianco auszubauen motiviert nicht nur ganz wunderbar den eitlen Gecken in uns, es ist auch spielmechanisch interessant und damit eine tolle Ergänzung.
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