Ein langer Gang mit wabernden Laken. Die Beleuchtung ist diffus. Mein Verstand vermutet hinter ihnen Schattengestalten, die mich fortwährend anstarren. Aber das ist nicht einmal der Grund für meine Beunruhigung. Vielmehr fürchte ich mich vor dem, was am anderen Ende lauern könnte. Dort ist eine geöffnete Tür.
Ein Testvideo zu The Evil Within 2 reichen wir schnellstmöglich nach.
Mysteriöses, seltsam beruhigendes blaues Licht geht von dem Raum dahinter aus. Ich beiße die Zähne zusammen und schreite mit angezogener Waffe voran. Erst jetzt realisiere ich, dass hinter den Laken überhaupt keine Wände sind! Der Gang schwebt in einem schwarzen Nichts, von dem das Licht meiner schwachen Taschenlampe einfach verschluckt wird.
Besser als der Vorgänger, trotzdem eine niedrigere Wertung?
The Evil Within haben wir 2014 im Test mit einer 90er-Wertung zum Horror-Meisterwerk gekürt und stehen nach wie vor zu dieser Wertung. The Evil Within 2 übertrifft zwar seinen Vorgänger, doch die Verbesserungen liegen nach drei Jahren im Rahmen des Erwartbaren. Zudem sind wir der Meinung, dass sich der Nachfolger in Sachen Gegnerdesign und Technik hätte stärker entwickeln können. Daher geben wir eine niedrigere Wertung, obwohl es im Vergleich das bessere Spiel ist. Zum Vergleich: Nach heutigen Maßstäben würden wir The Evil Within mit 85 Punkten bewerten.
Nur dünne Holzrahmen befinden sich dort, wo eigentlich robuste Träger sein sollten. Neben den Laken halten sie eine Reihe von Bilderrahmen mit grässlichen Fotografien darin. Sie zeigen bleckende Zähne, weit aufgerissene Augen, durchgeschnittene Pulsadern, zerfetzte Kehlen. Detailaufnahmen von Schmerz. Die Bilderrahmen vibrieren, während ich an ihnen vorbeilaufe, als wollten sie mich gleich anspringen. Je näher ich der Tür komme, desto deutlicher vernehme ich klassische Musik.
Alle Infos zu The Evil Within 2 auf der Themenseite
Als ich den Gang endlich hinter mir lasse, wünsche ich mir fast die grausigen Fotos zurück. Der blaue Raum ist dekoriert wie eine Kunstausstellung. Feinster, glänzender Parkettboden. Edle Tapeten mit geschmackvollen Mustern, ergänzt durch elegante Fuß- und Deckenleisten. Raumtrenner mit roten Kordeln kreisen gemeinsam mit zwei Scheinwerfern ein Objekt ein.
Aber dort ist keine Statue oder eine abstrakte Installation. Nein, da schwebt ein Mann in der Luft. In der Bewegung eingefroren. Eine Pistolenkugel trifft ihn gerade im Kopf und verteilt die daraus sprudelnde Masse aus Gehirn, Blut und Schädelknochen durch die Luft. Es mutet fast wie ein grotesker Blumenstrauß an. Angewidert und doch fasziniert trete ich näher heran und befinde mich plötzlich in einem halbtransparenten, kubischen Raum. Die Musik dreht auf volle Lautstärke, der Todesschrei des Mannes ist zu hören.
Wie in einer Superzeitlupe wird die Sekunde seines Todes wiederholt, sein Körper nach hinten gerissen, der Blumenstrauß wachsend, bis die Uhr zurückspringt und alles von vorn beginnt. Dieses Opfer ist das zweifelhafte Kunstobjekt eines Wahnsinnigen geworden, der den Namen Stefano Valentini trägt. Und der ist einer von mehreren Antagonisten in The Evil Within 2.
Den Blick nach vorn gerichtet
Fortsetzungen sind ein schwieriges Unterfangen. Mit dem ersten Werk kann eine Grundlage etabliert werden. Doch nicht jede ist so beschaffen, dass sie genug Stoff für eine Fortsetzung bietet. Auch bei Spielen werden wir nicht davor verschont, aufgewärmten Brei vorgesetzt zu bekommen.
Richtig gute Sequels wissen allerdings mit dem bereits vorbereiteten Material umzugehen. Sie erweitern die Fantasiewelt um faszinierende Facetten und spicken sie mit neuen Details. Genau das tut The Evil Within 2 mit Bravour. Zwar ist es möglich das Spiel auch ohne Vorwissen zu genießen, da es in medias res einsteigt und alles nötige schon im Intro erklärt, doch die Querverweise zum ersten Spiel sind zahlreich.
Der Plot bleibt trotzdem in sich geschlossen. Gerade im befriedigenden finalen Akt werden Spieler, die den Erstling kennen, enorm profitieren. Die Verknüpfung ist so großartig, dass ich am liebsten applaudiert hätte, wenn ich nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen wäre, Hauptcharakter Sebastian am Leben zu erhalten.
Mit dem zweiten Teil liegen die Karten auf dem Tisch: Angesiedelt ist die Handlung im STEM, einem großen Apparat, mit dem daran angeschlossene Probanden simultan in die Gedankenwelt einer Hauptperson eindringen können. Das Konzept ist durchaus vergleichbar mit Filmen wie Paprika oder Inception, in denen ebenso die Gehirne von Personen betreten werden.
Nur sind die Gedanken im STEM nicht besonders idyllisch, sondern es geht ziemlich übler Scheiß ab. Verzeiht die saloppe Formulierung, aber treffender lässt sich der Einfluss von psychopathischen Mördern kaum beschreiben. Sebastian sieht in diesen seelischen Abgründen Dinge, die sich selbst der verdorbenste Verstand nur mit Mühe ausdenken könnte.
Besonders brisant ist diesmal, dass die Basis dieser bizarren Spielwelt die tot geglaubte Tochter von Sebastian ist. Ihre kindliche Unschuld lässt sich derart leicht manipulieren, dass exzentrische Persönlichkeiten die widrigsten Ecken ihres Gehirns infiltrieren können. Der STEM lässt sich nicht einfach abschalten, da es das Kind töten würde. Also muss Sebastian selbst hinein und einen Weg finden, die Synapsen seiner Tochter von der Höllenmaschine zu trennen.
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