Der KI-Kindergarten geht zur Front
Obwohl die KI der Aliens sicher nicht dazu führt, dass die Herren Invasoren nach Dienstschluss einen Buchclub gründen, ist das Spiel angenehm anspruchsvoll. Möglich macht es die richtige Gegnermischung, die uns gerade in späteren Levels nicht zur Ruhe kommen lässt.
Die endlos Granaten werfenden Outsider sowie fliegende Drohnen zwingen ständig zum Deckungswechsel, während Scharfschützenlaser davor warnen, die Nase allzu unvorsichtig hinter der Mauer hervor zu heben. Zugleich stapft irgendwo der dick gepanzerte Nahkampf-Albtraum in Gestalt der Mutons erbarmungslos voran und PSI-Commander übernehmen die Kontrolle über unsere eigenen Agenten.
Die Herausforderung besteht gleichermaßen in schneller Reaktion auf die aktuelle Gefechtslage als auch in der planvollen Auswahl der Angriffsziele. Relativ unwichtig bleibt hingegen leider die Positionierung unserer Truppen auf der Karte. Gerade unsere eigenen Agenten kosten uns gerne den letzten Nerv, weil sie ihre vorgegebene Position leichtfertig verlassen, beim Stellungswechsel absurde Routen einschlagen, uns beim Wiederbeleben hinter einer hüfthohen Mauer krepieren lassen und generell mit dem Risikobewusstsein eines Kleinkindes im Straßenverkehr agieren.
Auch wenn richtig schlimme Fehler der KI nicht am laufenden Band passieren, ist es extrem frustrierend, wenn die Erde wegen himmelschreiender Dummheit versklavt wird. Mehr noch: Die ganze Idee eines Taktik-Shooters besteht ja darin, dass wir uns so fühlen können, als würden wir ein Team von gut ausgebildeten Spezialisten befehligen. Ein Effekt, der in The Bureau selten spürbar wird. Stattdessen spielen wir Kindergärtner für zwei uniformierte Schäfchen und bekommen dafür vier zusätzliche, nützliche Fähigkeiten, die wir anwenden, als wären es die eigenen.
Weil unsere Kameraden kaum ohne Aufsicht mit Messer und Gabel essen könnten, ist es natürlich erst recht nicht ratsam, das Team zu weit im Raum zu verteilen. Denn verwundete Agenten verbluten ohne eine rettende Dosis Heilspray binnen einiger Sekunden - je öfter sie umkippen, desto schneller. Einmal tot müssen sie gegen andere Rekruten ausgetauscht werden, die möglicherweise noch nicht die gewünschte Erfahrungsstufe besitzen.
Kleine Monsterschau
Erfolg als Deckungs-Shooter
Während echte Taktiker unter diesen Voraussetzungen vor Frust den Kopf gegen die Wand zerschlagen werden, ist XCOM als Deckungsshooter erstaunlich befriedigend. Hektisch aus der Deckung zu rennen, während hinter Carter Granaten explodieren, sieht wirklich cool aus, und die 60er-Jahre-Optik des Spiels ist angenehm frisch, auch wenn nach der Hälfte des Spiels die Baukasten-Bauwerke der »Outsider« etwas zu sehr im Vordergrund stehen. Gute Soundeffekte und dynamische Trefferanimationen bei den Gegnern sorgen dafür, dass die Feuergefechte immer wieder sehr befriedigend ausfallen.
Einen Outsider mit der Schrotflinte vor sich her zu treiben, bis ihn der letzte Schuss durch die dahinterliegende Glasscheibe schleudert, löst erhebliche Mengen primitiver Freude aus. Eine in größerem Rahmen zerstörbare Umgebung findet sich zwar nur in einem der Bosskämpfe, aber die vielen Partikeleffekte des Spiels sorgen dafür, dass trotzdem ordentlich was los ist.
Störend ist jedoch die Steuerung. Deckungswechsel und das Erklettern höherer Ebenen sind nur an fest definierten Punkten möglich, die sich in der Hektik des Gefechts nicht flüssig genug anpeilen lassen. Sogar das Aufheben von Gegenständen, wird manchmal zur Geduldsübung. Obendrein ist die Kombination für »Rennen« auch die für »Deckung nehmen«, sodass man immer wieder ungewollt in Deckung hechtet, wenn man die Ecken von Objekten nicht weiträumig umschifft.
Wenn der Hammer fällt
Der gut gemachte Spielkern und die eigentlich ja interessante Handlung des Spiels sorgen dafür, dass The Bureau letztlich unter frustresistenten Freunden von Action-Taktik sicher einige zufriedene Käufer finden wird.
Insgesamt wirkt das Spiel aber schlicht unfertig und mitunter auch nicht zu Ende gedacht. Kleines, aber vielsagendes Beispiel: Im Spiel lassen sich Audio-Aufzeichnungen finden, die eine kleine Hintergrundgeschichte erzähle. Gerade in einem Spiel vom Bioshock 2-Studio 2K Marin keine Überraschung. Dass man aber neben diesen Audio-Aufnahmen stehen bleiben muss, um sie anzuhören, widerspricht völlig dem Sinn dieses erzählerischen Stilmittels, das ja dafür erfunden wurde, dem Spieler ein wenig Handlung mit auf den Weg zu geben, ohne den Spielfluss zu unterbrechen.
Dass ausgerechnet dieses Studio ohne Not einen solchen Fehler begangen hat, erscheint unwahrscheinlich und ist eines von vielen deutlichen Zeichen, dass bei The Bureau nach der X-ten Verschiebung schlicht der Hammer gefallen ist.
Immerhin: Falls sich der Titel gut genug verkauft, um eine Fortsetzung zu rechtfertigen, könnte dabei ein richtig gutes Spiel herauskommen. 2K Marin hat letzten Endes auf jeden Fall die richtige Richtung eingeschlagen. Nur leider, so scheint es, ein bisschen zu spät.
Der andere XCOM-Shoooter
The Bureau ist nicht der erste Versuch, die XCOM-Marke in Shooter-Gefilde zu führen. Schon 1997 begann Microprose das Taktikshooter-Projekt XCOM: Alliance, dass nach jahrelangen Verschiebungen 2002 schließlich wieder eingestellt wurde. Inzwischen waren die Marke und die Überreste des Projekts in die Hände des französischen Publishers Infogrames gewandert. Der lies aus den Versatzstücken des Alliance-Projekts den Shooter XCOM: Enforcer entwickeln. Wie für eine solche Resteverwertung nicht anders zu erwarten, bekam das Spiel überaus mittelmäßige Kritiken – aber immerhin schaffte es Enforcer in die Ladenregale.
Anders das XCOM-Projekt der Bioshock-Entwickler von Irrational Games, das angeblich um das Jahr 2006 in Entwicklung war und von dem man nie mehr als ein paar Gerüchte zu hören bekam. Laut manchen Quelle wurde die Arbeit von Irrational an 2K Marin weitergereicht, die daraus zunächst das 2010 vorgestellte Ego-Shooter-Projekt XCOM entwickelten, welches schließlich nach einem Redesign zum Taktik-Shooter nun als The Bureau: XCOM Declassified erscheint.
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