Ach, wenn die Tales-of-Reihe doch immer 25. Jubiläum hätte! Denn mit Tales of Arise hat Bandai Namco seiner Rollenspieltochter eine Ehrentorte gebacken, die es sogar mit dem Genre-Platzhirsch Final Fantasy aufnehmen kann. Das Spiel beschenkt uns mit einem Story-Universum, wie es aus der Feder eines renommierten Romanautors stammen könnte. Dazu gibt's imposante Settings, die mit ihrer tollen Cel-Shading-Optik wie Weihnachtspräsente anmuten.
Und uns wird ein Kampfsystem beschert, das als das griffigste der ganzen Serie bezeichnet werden darf. Was kann man sich mehr wünschen? Nun, eine interaktivere Spielwelt mit anspruchsvolleren Nebenaufgaben etwa - und übersichtlicheres Charaktermanagement im Kampf.
Bitte was? Kein Multiplayer?
Bislang pflegte man Bandai Namco die Tradition, die Tales-Spiele mit einem lokalen Koop-Modus auszustatten. Bei zu vier weitere Spielerinnen und Spieler konnten so in den Rollen der Nebenfiguren ins Kampfgeschehen eingreifen. Seit Freitag steht nun fest: Ein Multiplayer-Koop wird für Tales of Arise auch nicht per DLC nachgereicht.
Bereits im April hatte Produzent Yusuke Tomizawa gegenüber IGN erklärt,dass Tales of Arise als Singleplayer-Spiel konzipiert sei. Kompensiert werde der fehlende Koop-Modus durch verstärkte Kooperation der Charaktere im Kampf. Selbstverständlich respektieren wir die Designentscheidung der Entwickler und sehen deshalb von einer Abwertung ab.
Ungleiche Geschwister
Tales of Arise spielt in den Zwillingswelten Rena und Dahna, die gefühlt so nah beieinander liegen, dass deren Bewohner sich gegenseitig auf den Teller spucken können. Doch die beiden Planeten sind mitnichten eineiige Zwillinge: Auf Rena sind Arroganz und Machthunger zuhause, während Bescheidenheit und fast apathische Unterwürfigkeit auf Dahna zu finden sind.
Zumindest ist das seit 300 Jahren so, seit Dahna von Rena versklavt wurde. Ganz Dahna? Nein! Eine kleine Rebellengruppe namens Silberschwerter leistet erbittert Widerstand, dem wir uns für mindestens 40 Stunden anschließen. Das tun wir jedoch nicht als Nobody, sondern als gedächtnislose Galionsfigur der Rebellen, "Eisenmaske" alias Alphen.
Seinen Namen verdankt der Anime-Twen einer Eisenmaske, die seinen gesamten Kopf bedeckt. Das sieht albern aus, lädt aber zum Interpretieren ein. Der zweite Storycharakter, die unnahbare Renäerin Shionne, wurde mit einem "Dornenfluch" belegt, der jedem, der sie berührt, einen elektrischen Schlag verpasst. Symbolismus? Check. Beide wollen die renäischen Lords vernichten, doch Shionnes Motive bleiben im Dunkeln.
Die neue Tales-Ausgabe gibt sich ungewohnt erwachsen; der Prolog startet inmitten von Feuer, Zwangsarbeit und Tod. Dabei erreichen das Story-Universum und die wendungsreiche Handlung sogar Romanreife, allerdings erst nach vielen Stunden. Die von guten (englischen) Sprechern erzählte Geschichte lässt aber auch dem serientypischen Humor Platz, der bei Bedarf mit deutschen Untertiteln genossen werden kann.
Tag der geschlossenen Tür
In Tales of Arise steuern wir eine von später sechs Hauptfiguren durch verschiedene Areale. Darunter eine in ewige Nacht gehüllte Eiswüste, ein renaissancistischer Prunkpalast und das spitzbergige Grünland Elde Menancia. Die Welt ist nicht offen, es gibt aber einen ganzen Batzen überschaubarer Maps, die mal mehr, mal weniger schlauchig gestaltet sind.
Leider dürfen wir mit der Umgebung kaum interagieren (Häuser betreten? Nada!), so dass wir im Wesentlichen Tomaten von den Sträuchern zupfen und Erze "abbauen". Okay, wir dürfen Angeln oder auf einem Bauernhof Tiere züchten, um unsere Kochzutaten aufzustocken. Das Management ist aber zum Schnarchen simpel - und die gelegentlichen Sidequests sind einfache Fetch-Aufträge.
Apropos Kochen: Zutaten können wir in fix platzierten Lagern zusammenrühren, um zeitweise unsere Charakterattribute zu erhöhen. In Lagern können wir auch Lebenspunkte regenerieren, das Spiel speichern (außerhalb von Kämpfen ist das jederzeit möglich) sowie uns durch lineare Plaudereien bei unserer Begleitschafft beliebt machen. Waffen oder Schutzamulette fertigen wir bei Metallgraveuren und Händlern, Letztere bieten auch teure Heilgegenstände feil.
Sämtliche Settings sehen so fantastisch aus, dass sie trotz des Kulissencharakters zu Erkundungstouren einladen. Dennoch wären wir gern öfter dazu überredet worden, die Haupthandlung links liegen zu lassen. Denn das ist es letztlich, was ein gutes Rollenspiel noch besser macht.
Herrenlose Haustiere
Dass wir auf unseren Reisen in Gegner rennen, versteht sich von selbst. Das können gut gerüstete Renäer oder deren streunende Haustiere sein, doch das ist natürlich nur ein Alibi. Denn diese "Zeugel" sind schlicht Monster wie werwolfartige Berserker oder abstrakte Wildschweine - in Bossfights mit riesigen Ausmaßen.
Am forderndsten sind die Kämpfe gegen renäische Lords, von denen wir fünf auf den Hintern legen müssen. Einer von ihnen ist fähig, sich selbst zu klonen und uns mit Megaexplosionen aus dem Leben zu pusten; ein anderer Lord ist ein bärenstarker Haudruff, der mit Rückendeckung eines turmhohen Astralmonsters kämpft.
Toll ist, dass wir im Kampf jedes Party-Mitglied steuern können. Wir schwingen so nach Belieben ein Flammenschwert, ein mächtiges Magiebuch, fette Energiewummen und mehr. Zu Beginn einer Schlacht ist jedoch immer Alphen der primäre Charakter, wenn wir dies nicht umständlich in einem nahezu versteckten Menü anders einstellen.
Zwischen Taktik und Tastenklopfen
Wie gut wir uns in Scharmützeln schlagen, entscheiden die Charakterstufen, Waffen und Kampffähigkeiten. Der Stufenaufstieg wie auch die Erhöhung der Grundwerte (Angriff, Verteidigung) erfolgen automatisch; Fertigkeitsbäume sind abwesend. Es stehen aber zahllose Skills (Artes) zur Verfügung, die mittels Fertigkeitspunkten freigeschaltet werden. Artes können in sechs Slots so platziert werden, dass sie sich sinnvoll aneinanderreihen.
So kann ein Feind zunächst mit einem Schwert-Aufwärtshieb in die Luft befördert, dort mit einem massiven Schlaghagel versorgt und abschließend mit einem Hieb auf die Birne zurück auf den Boden befördert werden. Einige Attacken sind aufladbar, am mächtigsten sind die in Zwischensequenzen gezeigten Boost-Angriffe.
Die responsive Steuerung trägt in Kombination mit irren Effektgewittern dazu bei, dass sich das alles richtig durchschlagskräftig anfühlt. Vier jederzeit einstellbare Schwierigkeitsgrade berücksichtigen "Casuals" wie Profis, wobei manchmal wildes Tastenklopfen ans Ziel führt. Trotzdem macht es gehörigen Spaß, die unzähligen Möglichkeiten auszuprobieren.
Arise ist ein Höhepunkt der Tales-Reihe
Wer technisch blitzsaubere Action-Rollenspiele mit toller Story und interessanten Charakteren mag, der kommt an Tales of Arise kaum vorbei. Gegenüber dem gelungenen Tales of Berseria stellt der neue Serienableger eine Steigerung dar, und das in fast allen Bereichen.
Eine Spielwelt zum Anfassen bietet aber auch Arise nicht, motivierende Nebenaufgaben ebenso wenig. Und weshalb wir im Kampf den aktiven Charakter nur für die aktuelle Auseinandersetzung ändern dürfen, während ein permanenter Wechsel über ein anderes, kaum sichtbares Menü vorgenommen werden muss, bleibt wohl Bandai Namcos Geheimnis.
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