Vor dem PS5-Release war Ray-Tracing eines DER großen Schlagwörter, wenn es um Next-Gen-Grafik ging. Das Prinzip hinter der Technik zur präzisen Verfolgung von Lichtstrahlen ist zwar schon Jahrzehnte alt, konnte aber nie umgesetzt werden, da es enorm rechenaufwendig ist.
Das sollte sich mit dieser Generation ändern, aufgrund der deftigen Hardware-Anforderungen nutzen es aber noch immer nur wenige Spiele und der Umstieg ist bis heute nicht wirklich gelungen. Spider-Man 2 zeigt nun jedoch eindrucksvoll, dass sich die Technologie auch zähmen lässt. Und davon wollen wir in Zukunft bitte mehr!
Ray-Tracing-Reflexionen am laufenden Band
Bisher hat es kaum ein Spiel gewagt, unabhängig vom gewähltem Bildmodus mit Ray-Tracing aufzufahren. Und das auch aus gutem Grund.
Nehmen wir etwa einen Titel wie Star Wars Jedi: Survivor als Gradmesser, zeigen sich die Tücken des Lichtstrahlenverfahrens – hier war Ray-Tracing bis vor kurzem sowohl im Qualitäts- als auch im Leistungsmodus aktiv und sorgte vor allem bei der 60 fps-Veriante für starke Ruckler sowie eine ins Bodenlose trudelnde Auflösung:
Einzig das PS5- und Xbox Series X|S-Upgrade von Metro: Exodus konnte bislang ohne größere Einschnitte Ray-Tracing in jedem Bildmodus liefern, dort wurde die gesamte Lichtstimmung darüber berechnet.
Das Resultat waren authentisch ausgeleuchtete Panoramen und Innenareale, wie in diesem Wüstenhaus:
Trotz riesiger Wasserflächen in den Hub-Arealen verzichtete der Endzeit-Shooter jedoch auf Ray-Tracing-basierte Reflexionen, da diese ordentlich Leistung gefressen hätten.
Genau hier setzt Insomniacs Superhelden-Abenteuer wiederum an und bringt statt durchweg realistischer Lichtverhältnisse völlig dynamische Spiegelungen, die nahezu die komplette Umgebung reflektieren.
Am beeindruckendsten ist das wohl anhand der unruhigen Flüsse rund um New York City zu sehen. Dort zeichnen sich Hochhäuser, Schiffe und Brücken ab:
So gigantische Flächen wurden noch nie in einem Konsolenspiel per Ray-Tracing dargestellt und Spider-Man 2 hört an der Stelle auch noch nicht auf.
Jede Glasfassade eines Wolkenkratzers reflektiert die Spielwelt, zum Teil sogar in doppelter Ausführung, da die Technik Reflexionen in Reflexionen erlaubt:
In den Fronten von Geschäften und Büros erkennt ihr darüber hinaus den Verkehr und umherstreunende Passanten:
Und sogar in den Rückspiegeln von Lastern und PKWs entdeckten wir Gangster, die wir kurz vorher noch verdroschen haben:
Die Entwickler*innen von Insomniac Games erklärten diesen massiven Fokus auf Reflexionen im Interview uns gegenüber mit den Eigenheiten des Settings.
New York City als Metropolregion wird von spiegelnden Glasflächen und Flüssen dominiert und Ray-Tracing kann die Reflexionen im Gegensatz zu anderen Techniken störungsfrei darstellen, da auch Objekte abseits des sichtbaren Bildausschnitts erfasst werden.
Häufig eingesetzte Screen Space Reflections beziehen ihre Informationen hingegen ausschließlich aus dem Rest des gerenderten Frames – werden bestimmte Elemente verdeckt, entsteht eine unsaubere Risskante.
In diesem Beispiel etwa, sobald Rivet im Performance-Modus von Ratchet & Clank: Rift Apart vor eine Felswand tritt:
Insomniac Games wollte solch unschöne Bildartefakte vermeiden und investierte daher massiv in Ray-Tracing, vor allem im Hinblick auf die Performance. Das Resultat ist die jetzige Implementierung, die in jedem Bildmodus verfügbar ist.
Leistungsmodus, 40 fps, mit VRR oder ohne – völlig egal. Ihr kommt immer in den Genuss von Ray-Tracing und das ohne auffällige Framerate-Einbrüche.
Solch eine Fülle und Präzision ist die neue Referenz im Konsolen-Kosmos und übertrumpft sogar bei weitem die Wasserpfützen, die sich einige Shitstorm-Entfacher beim ersten Teil gewünscht haben.
Auch wenn Spider-Man 2 der derzeit beste Titel für Ray-Tracing ist, stehen wir noch ganz am Anfang
So gut Ray-Tracing im Comic-Adventure sein mag, der Titel offenbart auch einige Schwächen der Technik oder zumindest heutiger Ray-Tracing-Hardware. So ist an vielen Stellen klar zu erkennen, dass gespiegelte Umgebungen zumeist in einem extrem niedrigen Detailgrad dargestellt werden.
In diesem Beispiel versinkt Miles im Rasen, da die vereinfachte Detailstufe eine höhere Lage hat als der eigentliche Boden:
Und hier werden die Schriftzüge einer Galerie in der Reflexion eckiger abgebildet, da die Geometrie stark vereinfacht wurde:
Zudem schaffen es nicht immer alle Effekte in die Reflexionen und die Darstellungsdistanz von Lichtern und Co. wird stark verringert. Die Einschränkungen sind jedoch eine notwendige Konsequenz, die sich aus dem Rechenaufwand ergibt, völlig vermeiden lässt sie sich nicht.
Dafür müsste leistungsfähigere Hardware her und ob die jetzt schon gerechtfertigt ist, haben wir hier debattiert:
Ray-Tracing, wo ihr es nicht vermutet hättet
Eingangs haben wir erwähnt, dass Spider-Man 2 Ray-Tracing ausschließlich für Spiegelungen verwendet, aber so ganz stimmt das nicht. Vereinzelte Strahlen kommen nämlich auch beim Generieren der Beleuchtung von Innenräumen zum Einsatz, sprich, sobald ihr durch ein Fenster eines Hochhauses luschert.
Dafür hat Insomniac Games laut Core Tech Lead Mike Fitzgerald kleine Modellwohnungen entworfen und unter der Stadt "vergraben", um sie dort mit Lichtstrahlen zu beschießen, die der Lichtstimmung in New York City gleichen.
Damit ist sichergestellt, dass sich die 3D-Bereiche passend in die Spielwelt einfügen.
Zusätzlich können mit entgegengesetzten Strahlen noch Schatten erzeugt werden und im letzten Schritt werden die Behausungen dann vervielfacht und hinter die Glasscheiben projiziert, um nahezu jedes Zimmer in der Stadt mit Innenleben zu füllen.
Ray-Tracing kann also ganz eigene Anwendungsgebiete haben, die Technik muss nur clever eingesetzt werden.
Spider-Man 2 ist ein kleines Technikwunder, aber nicht fehlerfrei
Neben den Ray-Tracing-Effekten waren es vor allem die schnellen Ladezeiten und die daraus resultierenden, ultraflotten Kamerafahrten, die uns in Spider-Man 2 die Sprache verschlagen haben:
Spieler*innen berichteten kurz nach Release allerdings auch von Abstürzen sowie einigen Bugs, die offenbar mit einem kürzlich erschienenen Patch angegangen wurden.
Davon abgesehen konnte uns der PS5-Exklusiv-Hit aber durchweg überzeugen. Kämpfe machen dank flüssiger Animationen und effektvoller Spezialangriffe ordentlich Laune und die Handlung hat uns mit ihren klasse inszenierten Bösewichten direkt gepackt.
Ray-Tracing ist dagegen eher das visuelle Tüpfelchen auf dem i und davon könnten sich gern noch weitere Spiele inspirieren lassen.
Kann euch Ray-Tracing in Spider-Man 2 überzeugen oder würdet ihr euch lieber an einer anderen Stelle ein Grafik-Upgrade wünschen?
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