Auch wenn im Hintergrund Lugo und Adams um die Wette brüllen, ist es ein stiller und fast schon intimer Moment zwischen uns und Walker im Actionspiel Spec Ops: The Line. Die Kamera zeigt uns das Gesicht des Soldaten in Großaufnahme, wir nehmen nur seine Augen wahr und fühlen -- Entsetzen. Wir können nicht fassen, was soeben passiert ist. Können nicht fassen, woran er und wir die Schuld tragen. Wir wissen, dass es sich hier »nur« um ein Spiel handelt. Und dass wir letztlich nur das getan haben, was die Entwickler für uns vorgesehen haben. Das schützt uns vor dem Schlimmsten. Walker, Lugo und Adams hingegen …
Was sich der Entwickler Yager an dieser Stelle in Spec Ops: The Line traut, ist beispiellos. Wir haben so etwas bisher noch in keinem anderen Spiel erlebt. Oder sollten wir besser sagen, dass wir so etwas bisher in noch keinem anderen Spiel haben ertragen müssen? Und auch wenn wir leiden, so sind wir doch dankbar dafür. Dankbar, dass Spec Ops nicht wieder einer dieser Shooter ist, der die Welt in Schwarz und Weiß aufteilt und uns die simpelste aller Lösungen vorsetzt: Der Held (und damit das Gute) triumphiert in spektakulärer Weise über alle noch so großen Widerstände, während die Geschichte um ihn rum mit irrwitzigen Rachekonstellationen ethisch-moralische Kollateralschäden verhindert. Das Böse ist eben immer so böse, dass alles erlaubt scheint.
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Helden-Demontage
Spec Ops: The Line lockt zwar zunächst ebenfalls mit einfachen Mustern, aber nur, um die schnell über den Haufen zu werfen. Oft genug lässt uns das Spiel hilflos zurück, ohne Hinweis auf einen Ausweg, ohne Hinweis darauf, wie sich der Karren wieder aus dem Dreck ziehen ließe. Wir können das hier nur andeuten, aber nicht im Detail schildern, ohne ein Verbrechen am spielerischen Erleben eines jeden Einzelnen zu begehen. Sprich: Wir wollen nicht spoilern.
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Aber so viel dann doch: Spec Ops demontiert all das, was wir sonst von Titeln mit Soldaten drin gewohnt sind. Heldenklischees werden trotz der im Grunde recht gewöhnlichen Spielmechanik peu à peu zerbröselt. Wir glauben sogar, dass sich Yager einen Spaß daraus gemacht hat, etwa in der Mitte des Spiels einen Charakter zu etablieren, der verdächtig an den Superheroen Captain Price aus Modern Warfaregemahnt, nur um ihn dann fast schon genüsslich zu zerstören.
Allerdings bleibt auch ein Spec Ops bei all diesen Bemühungen, besonders im Vergleich zu entsprechenden Büchern oder Filmen, letztlich reichlich plakativ und am Ende fügen sich auch nicht alle Fäden so nahtlos zusammen, wie man es uns vorgaukeln möchte. Aber in letzter Instanz handelt es sich hier ja auch noch immer um ein interaktives Actionspiel, das sich nicht wie ein Roman auf zig Seiten Psychogramm-ähnlicher Charakterbetrachtungen bedienen kann. Wir sind nun mal Monster, die nach Unterhaltung gieren. Und die bekommen wir in Spec Ops auch, nur eben nicht so, wie wir es gewohnt sind.
Apocalypse Now
Warum Spec Ops: The Line anders als andere Soldaten-Actionspiele ist, lässt sich leicht mit der Vorlage erklären, die der Berliner Entwickler Yager in der Story verwoben hat. Yager hat sich den Filmklassiker Apocalypse Now geschnappt, die für Spec Ops angepasste Handlung allerdings in ein fiktives und zugegebenermaßen arg hingebogenes Gegenwartsszenario verschoben, das zunächst mal gar nichts mit Krieg zu tun hat: Die Protzstadt Dubai wird durch Sandstürme von apokalyptischen Ausmaßen zerstört und vom Rest der Welt abgeschottet. Fast möchte man an den Zorn Gottes glauben, der diesen Dekadenzpickel vom Antlitz der Welt schmirgeln will.
Ein gewisser Colonel Konrad, in Afghanistan frisch zum Helden gekürt, meldet sich zusammen mit seinem Bataillon freiwillig für den humanitären Einsatz: Krisengebiet sichern, Zivilbevölkerung vor Plünderern schützen, all das. Doch der Kontakt zu Konrad reißt ab, wochenlang kein Lebenszeichen aus Dubai. Man wähnt alle längst tot, bis plötzliche eine einzelne Funknachricht durch die Sandwand dringt und die US-Army dazu veranlasst, einen Aufklärungstrupp nach Dubai zu schicken.
Nur drei Männer sind’s, um weitere Verluste möglichst klein zu halten: Captain Walker und seine beiden Untergebenen Lugo und Adams. Was wie ein typischer Buddy-Abenteuerfilm mit lockeren Sprüchen beginnt, deformiert schnell zu etwas, das man sonst nur von ambitionierten Filmen à la Der schmale Grat oder eben Apocalypse Now erwartet. Walker und Co kommen recht schnell dahinter, dass der als Held gefeierte Konrad mit seinen Männern vieles getan hat, aber sicherlich nicht das, was eigentlich vorgesehen war, nämlich die Zivilbevölkerung zu beschützen und auf eine Evakuierung vorzubereiten.
Ganz nach dem Vorbild eines Colonel Kurtz aus Apocalypse Now hat sich Konrad in Dubai sein eigenes kleines Terrorreich errichtet, in dem jedoch in Wahrheit Wahnsinn und Tod regieren. Walker, Lugo und Adams machen sich auf, um Konrad das Handwerk zu legen und kommen dabei Wahnsinn und Tod gefährlich nah. Die Männer verändern sich spürbar mit dem voranschreitenden Geschehen. Sie stellen Fragen nach dem Warum, erhalten aber keine Antworten. Aggressionen bauen sich auf.
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