Rustler will wie GTA 2 sein - nur im Mittelalter und mit Monty-Python-Anstrich. Leider gerät das Spiel aber bei genau diesen beiden Grundideen ins Straucheln. Können die zahlreichen Anspielungen auf andere Spiele, Musikbands und Filme "Grand Theft Horse" retten?
Rustler für PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One und Switch orientiert sich stark an den ersten GTA-Teilen, insbesondere an Teil 2. Als Setting gibt es jedoch keine Großstadt mit Bandenkriegen aus unserer Zeit, sondern eine mittelalterliche Open World. Bis auf das Setting ist fast alles so wie in GTA. Anstelle protziger Sportwagen oder billiger Karren bringen uns jedoch Pferde mit verschiedenen Vor- und Nachteilen durch die Welt.
Statt mit Baseballschlägern und Handfeuerwaffen, rüsten wir unseren Protagonisten Guy mit Schwertern, Langäxten und einer Armbrust aus. Und wer befürchtet, die schmissige Autoradiomusik aus GTA könnte hoch zu Gaul fehlen, darf sich einen Barden-to-Go leisten.
Trotz des Settings im Dunklen Zeitalter gönnt sich Rustler aber auch einzelne moderne Elemente. Beispielsweise prangen den Polizeipferden Blaulichter auf den Köpfen, die auf der Jagd nach Guy leuchten, es gibt von Monty Python inspirierte "heilige Handgranaten" (wie in Worms) und bei "Pimp my Horse" können wir unser Pferd umlackieren lassen. Logik spielt in Rustler also keine allzu große Rolle, was aber nicht weiter stört.
Betrunkenes Erwachen
Den Spielstart liefert ein etwas seltsames und irgendwie überflüssiges Realfilm-Intro, gefolgt von einer Kamerafahrt, die ins Spiel führt. Dennoch ist diese erste Sequenz durchaus stimmungsvoll. Hier und da liegt jemand auf einem Hausdach, auf einem anderen steht eine Kuh, und wieder auf einem anderen hat jemand #Vanitas geschrieben.
Auf diese Impressionen folgt unser Kennenlernen mit Hauptfigur Guy, der betrunken und mitten auf der unbefestigten Dorfstraße aufwacht, weitertrinkt und sich mit einem anderen Mann prügelt. Die Story ist das reinste Klischee und dürfte den meisten Spieler*innen bereits aus zahlreichen Filmen, Spielen oder Serien bekannt sein: Der pöbelige "Guy" einfacher Herkunft, der noch bei seiner keifenden Mutter lebt, will an einem Turnier teilnehmen und gewinnen - nicht nur, um so unermesslichen Reichtum zu erlangen, sondern auch um die Hand der Prinzessin zu gewinnen. Tja, und das war's auch schon in Sachen Hauptstory.
Das Leben des Taugenichts
Bis es soweit ist, muss Guy eine Reihe an Nebenmissionen für verschiedene Auftraggeber*innen erfüllen. Dazu gehört, den Heiligen Gral zu finden, wie in GTAs Rampages auf Zeit willkürlich Passant*innen zu erschrecken oder umzubringen (als Sensenmann verkleidet), Pferde zu stehlen ("Rustler" heißt übersetzt "Viehdieb"), Menschen zum Kirchgang zu "überreden", nackten Frauen ihre Kleider wiederzubeschaffen, Kühe zum Schlachter zu prügeln usw. Klingt alles etwas absurd? Ist es auch.
Übermittelt und gestützt wird die Geschichte durch nischigen, derben aber auch gehaltlosen Humor. Welche Band(e) finden wir am Strand? Richtig, die "Beach Boys"! "Ach ja und The Witcher 3, ne!? In Rustler, da gibt's nämlich so ne Quest, die heißt 'Blut und Wein'! Krass!" Naja, eher nicht. An vielen Stellen läuft der gewünschte humoristische Effekt komplett ins Leere, an anderen Stellen, gerade zu Beginn des Spiels, funktioniert dies jedoch noch ganz gut.
Schnell kommen die Späßchen aber berechenbar daher. Doch Rustler versucht auch gar nicht subtil zu sein und pappt stumpf einen Gag an den nächsten. Keine Vorlage bleibt ungenutzt, egal wie überflüssig oder unpassend sie scheint.
Guy kuschelt mit Bäumen
Nein, unser Rustler-Protagonist ist alles andere als ein "Tree Hugger", aber die hakelige Steuerung klebt Guy bei jeder sich bietenden Gelegenheit an Bäumen oder Gegenständen fest. Egal ob mit oder ohne Pferd. Genau genommen wird es zu Pferd sogar noch schlimmer, weil die Rösser einen viel zu großen Wendekreis haben, der eher zu einem Auto passen würde.
Was bei GTAs Fahrzeugen jedoch passt, entspricht nicht gerade der Motorik eines Pferdes. Viele aus GTA übernommene Mechaniken fügen sich in dieser Spielwelt nicht gut ein. Nahezu jede Quest, in der es schnell gehen muss, wird einem so madig gemacht - und davon gibt es viele.
Speichern? Das kostet! Zu Beginn steht uns auf der gesamten Karte nur ein einziger Speicherpunkt zur Verfügung, was das Scheitern von Missionen besonders ärgerlich macht. Checkpoints gibt es jeweils zum Missionsstart. Das reicht bei weitem nicht aus, denn wenn eine Quest misslingt, etwa weil Guy an einem Baum, Zaun oder auch Bastkorb festklebt, müssen wir zum Checkpoint zurück. Dieser ist oft so gesetzt, dass wir auch sämtliche Dialoge und Lauf-/Reitwege erneut absolvieren müssen. Das wird schnell ziemlich frustrierend und frisst Zeit.
Hin und wieder gab es auch Bugs, wegen denen Quests nicht abgeschlossen werden konnten und neu gestartet werden mussten. Beispielsweise funktioniert der erste Teil der Sensenmann-Questreihe nicht, wenn wir von einem Barden begleitet werden. Im Verlauf einer anderen Aufgabe ertrank Guy, während er weit weg vom Wasser am Strand stand.
Ja, Guy kann nicht schwimmen, was zwar glaubhaft, aber nervtötend ist. Und wenn wir uns im Ladebildschirm mehr Tipps anzeigen lassen wollen, unter anderem, weil das Tutorial am Anfang zu kurz geraten ist, laden diese nicht. Ab und an verschwanden Questmarker auch nach Erledigung der Aufgabe nicht mehr, sodass Guy umsäumt war von bunten Pfeilen.
Kleinere Unstimmigkeiten gab es am Anfang von Rustler beim Protagonistenbild neben dem Textfenster: Guy hat eigentlich ein blaues Auge. Ein Textfenster später ist dieses verschwunden, ein weiteres Textfenster danach ist es wieder da. Apropos Texte: In der deutschen Fassung fehlen immer wieder einzelne Buchstaben und es gehen einige Wortwitze, wie z.B. rund um "Guy" und seinen Kumpel "Buddy", verloren.
Imagine there's no heaven ...
Rustler ist nicht für jede*n gemacht und scheint bewusst exklusiv zu sein. Weibliche Charaktere werden auf Rollen wie "Nackte Kurtisane im See", der der männliche Held die gestohlenen Kleider zurückbringen muss, und andere Klischees reduziert. Die Männer hingegen sind irgendwie fast alle gleich: Versoffen, pöbelig und kumpelhaft oder böse.
Sie reden über "fette Muschis", kindische Streitereien und anderes mackerhaftes Zeug. Die Quest "Ladyboy" weist sogar tendenziell transfeindliche Züge auf. Guy soll sich die Kleider einer Frau anziehen … und findet das ganz, ganz schlimm.
Dass dann Referenzen zu Freigeistern wie John Lennon mit "Imagine" und Queens "I want to break free" hinzugefügt werden, wirkt mit Blick auf die flache und teilweise stillose Story nicht sehr glaubhaft.
Amokläufe: Was in GTA schon geschmacklos war, ist 20 Jahre später nicht besser. Rampages finden sich auch im Mittelalterabklatsch in verschiedenen Variationen. Eine unserer Aufgaben besteht darin, Guy als Sensenmann verkleidet und auf Zeit willkürlich Menschen töten zu lassen.
Die Begründung des Friedhofswächters, von dem die Nebenquest stammt, warum wir das tun sollen: Es sterben zu wenig Leute. Okay, das ist billig, nicht einfallsreich, und die Mechanik ist kopiert sowie bereits bei GTA schon vielfach und zurecht kritisiert.
Aber … Monty Python! Dass das Rustler-Entwicklungsteam eine Vorliebe für Monty Python hat, ist offensichtlich. Leider schon fast zu offensichtlich, denn die Gags wurden größtenteils 1:1 aus den Filmen übernommen und ohne Zusammenhang ins Spiel gepresst. Wir treffen auf die Spanische Inquisition, den Schwarzen Ritter und so weiter - und nichts davon lässt uns so richtig loslachen.
Ein Gag folgt auf den nächsten, wie aus der Maschinenpistole. Der erste direkte Verweis mag vielleicht noch ein bisschen lustig sein, aber das war's dann auch schon. In der Folge ist alles irgendwie vorhersehbar und stumpf.
Mehr Kopie als eigene Kreativität
Wer sich starke, große Videospiel-Franchises wie Rockstars GTA und Komikerlegenden wie Monty Python zum Vorbild nimmt, legt die Latte damit verdammt hoch. Das weckt Erwartungen. Spieler*innen, die die entsprechenden Filme, Musikgruppen und Videospiele aber nicht kennen, verstehen auch einen Großteil der Referenzen nicht. Was dann noch an Humor übrig bleibt, lässt sich auf Fäkalsprache und Flachwitze herunterbrechen.
Da Rustler abgesehen vom Mittelalter-Setting kaum etwas eigenes bietet und das Spiel zudem verbuggt ist, verschenkt es viel Potenzial. Die extrem nervtötende Steuerung, kombiniert mit einem unzumutbaren Speichersystem, macht dem anfänglich positiven Eindruck schnell den Garaus. Das ist schade, denn die Grundidee ist super, aber Rustler wird seinen Vorbildern schlichtweg nicht gerecht.
Rustler ist kein durchweg schlechtes Spiel und eine ganze zeitlang macht es sogar Spaß, doch irgendwann reichen die einigermaßen abwechslungsreichen Missionen und das coole Setting mit all seinen Anspielungen auf die Werke anderer nicht mehr aus. Die Freude ist somit nur von kurzer Dauer.
Wer GTA 2 und Monty Python aber toll findet und über Rustlers Defizite sowie die 1:1-Übernahmen hinwegsehen kann und einfach nur einen bescheuerten Gag nach dem anderen erleben will, dem könnte Rustler durchaus über die rund zehn Spielstunden hinweg gefallen.
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