Der Trend: Vom Regen in die Traufe
Vielleicht würde das Abenteuer des unsichtbaren Jungen aber auch weniger generisch anmuten, wenn Story und Setting mit einprägsamen Momenten für Stimmung sorgen würden. Jedoch: Allein die wunderbare Klaviermusik können wir uneingeschränkt loben – besonders das Titellied »Claire de Lune« von Komponist Claude Debussy (1862-1918). Abseits des feinen Soundtracks hat die regnerische Welt hingegen nur wenige pittoreske Augenblicke zu bieten, etwa wenn sich die nächtliche Stadt hübsch in den Wasserlachen spiegelt oder das erste Mal Schriftzüge über Häuserfassaden laufen, die als geschriebene Erzählstimme die Handlung vorantreiben. Optisch bleibt Rain über weite Strecken nämlich Mittelmaß, mit unscharfen Texturen und grauen, langweiligen Schauplätzen. Erst ganz am Ende, sprich in den letzten Minuten liefert Rain noch das eine oder andere schöne Bild.
Ähnlich verhält es sich mit der Story: Die kommt nie über das einfache »Junge und Mädchen werden in düsterer Parallelwelt von Monstern verfolgt«-Prinzip hinaus. Wir werden ohne befriedigende Erklärung oder gar eine tiefere Bedeutung von einem Schauplatz zum nächsten gescheucht. Dabei haben wir immer auf einen interessanten Twist gehofft. Gekommen ist der aber nie. Stattdessen hat Rain in der zweiten Hälfte sogar eine Passage, in der gut eine Viertelstunde lang gar nichts passiert: Wir folgen schlicht einem vorgegebenen Pfad durch eine etwas verdrehte Schatten-Variante einer Stadt (M. C. Escher lässt grüßen), die aber auch größtenteils aus detailarmen Häuser-Bausteinen besteht.
Erst im finalen von acht Kapiteln erwartet uns ein überraschend plattes und stellenweise kitschiges Ende, das auf wenig tiefgründige Art und Weise die Geschehnisse dann doch ein bisschen erklärt. Wer will, kann anschließend in einem zweiten Durchlauf noch versteckte Erinnerungsfetzen suchen. Diese kleinen Hintergrund-Texte stiften dem Spiel zwar etwas mehr Sinn, hätten aber gerade deshalb gleich in den ersten Durchgang gehört.
Hartnäckiges Spannungstief drückt auf Spielspaßwerte
Nach knapp vier Stunden im Regen bleibt deshalb ein schales Gefühl der Enttäuschung zurück – vor allem, weil Rain seine interessanten Ideen für ein überraschend generisches Abenteuer verheizt. Es sind nämlich nicht programmiertechnische Schlampigkeiten, die Rain zu schaffen machen. Diesbezüglich können wir nur die etwas hakelige Steuerung bei den Aktionen kritisieren. Rain krankt vielmehr am selbstgestellten Vergleich mit anderen atmosphärischen Download-Titeln und an seinen ungenutzten Chancen. Oder anders gesagt an der Tatsache, dass Rain mit seinen austauschbaren Schauplätzen, simplen Rätseln und seiner zähen Inszenierung beinahe gar keine Momente hat, die nach dem Abspann noch im Gedächtnis hängen bleiben.
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