Wir haben keine Ahnung! Eine Spontanumfrage in der Redaktion hat ergeben, dass niemand von uns je einen hochgezüchteten Supersportwagen über eine Rennstrecke gepeitscht, geschweige denn Erfahrungen mit Formel-Flitzern oder ähnlich motorisierten Raketen gemacht hat. Wie sich der Rausch der Geschwindigkeit »in echt« anfühlt, weiß also niemand von uns. Gut, dass es Spiele wie Project Cars von Slightly Mad Studios gibt, die versuchen, die Intensität und Dramatik eines Autorennens in virtuelle Form zu pressen - so ganz ohne lästigen feuerfesten Anzug oder Helm, ohne die extreme Gefahr für Leib und Leben.
Project Cars ist dabei eine Besonderheit: Denn anders als die Big-Budget-Simulations-Platzhirsche Gran Turismo 6 und Forza Motorsport 5 startete der Titel als Crowdfunding-Kampagne, unterstützt von etlichen motorsportbegeisterten Fans. Das Ziel der Entwicklung: ambitioniert. Denn Project Cars soll die akkurateste Rennspielsimulation überhaupt sein. Wir sind durch die fertige Version geflitzt und fragen uns: Ziel erreicht?
Wie es uns gefällt
Im Hauptmenü gibt's schon mal keine neuen Maßstäbe, vielmehr gewohnte Genrekost. Wir können entweder eine neue Karriere starten, uns in Einzelrennen messen oder online gegen andere Fahrer antreten. Herzstück von Project Cars ist der umfangreiche Karrieremodus. Hier legen wir zunächst Name, Startnummer sowie (sehr cool) einen virtuellen Twitter-Namen fest und entscheiden uns dann, in welcher Motorsport-Klasse wir loslegen möchten.
Hinweis: PC-Bilder
Die Bilder in diesem Test stammen aus der PC-Version von Project Cars.
Project Cars bietet eine ganze Reihe von Rennserien: Wir können zum Beispiel ganz klassisch wie Michael Schumacher im Go-Kart starten, alternativ wagen wir uns schon zu Beginn an die Tourenwagen oder setzen uns in Formel-Fahrzeuge. Hier zeigt sich das Spiel erfreulich flexibel, kein »Fahre die erste Zeit in lahmen Rennsemmeln rum, bis was Schnelleres kommt« oder »Bestehe zehn Fahrschullektionen, bevor es weiter geht«.
Je nachdem, für welche Klasse wir uns entscheiden, flattern ein paar Teameinladungen in unser virtuelles Postfach und wir schließen uns einem Rennstall an. Danach wird's dann ernst, und im Rennkalender steht der erste Event an.
Knäckebrot ohne Champagner
Jede Klasse wird mit einem kleinen Video eingeführt, die große Schwäche des Karrieremodus ist aber trotzdem ab der ersten Minute unübersehbar: Die Inszenierung des Ganzen ist so trocken wie Knäckebrot mit Sandaufstrich, die starren Textmenüs versprühen den Charme einer Tabellenkalkulation. Wer Zwischensequenzen mit viel Brimborium und Sieges-Champagner erwartet, ist bei Project Cars definitiv an der falschen Adresse.
Selbst bei einem Meisterschaftsgewinn gibt's nur einen rotierenden Pokal in diversen Close-ups zu sehen. Für die meisten dürfte das aber kein Beinbruch sein, denn stattdessen konzentriert sich das Geschehen voll und ganz auf das Wesentliche: die Rennen.
Die Rennveranstaltungen sind wie in der Realität in verschiedene Etappen aufgeteilt. Wir starten zum Beispiel mit einem freien Training, gehen dann ins Qualifying und fahren schließlich nach einem Sprintrennen in der Hauptveranstaltung um die Punkte. Praktisch: Wer nicht alles selbst fahren will, kann die Sitzung entweder simulieren lassen oder ganz überspringen.
Schön, dass Project Cars aber auch auf Wunsch die komplette Simulationskelle rausholt. Beispielsweise können wir die Rennlänge anpassen (bis zu 50 Runden und mehr) und sogar eine exakte Boxenstrategie festlegen, bei der wir genau bestimmen, welche Änderungen am Fahrzeug (Reifen wechseln, nachtanken und anderes) vorgenommen werden sollen - in diesem Punkt ist der Slightly-Mad-Rennerden Gran Turismo- und Forza-Kollegen meilenweit voraus.
Womit? Wo? Bei welchem Wetter?
Der Fuhrpark von Project Cars ist zumindest zahlentechnisch weniger ergiebig. Insgesamt dürfen wir in knapp 80 Autos Platz nehmen, von denen die meisten lizenziert sind. Das sind im Vergleich zur Simulationskonkurrenz zwar weniger, dafür stimmen Abwechslung und Variantenreichtum.
Denn vom Kart wird über Kleinwagen (Renault Clio) und offenen Leichtgewichtsflitzern (BAC Mono) bis hin zu Formel-Rennern (Formula Gulf 1000) und Supersportwagen (Gumpert Apollo) ein schöner Querschnitt durch den Motorsport geboten.
Mehr: Das ist der komplette Fuhrpark von Project Cars
Bei den Strecken schöpft Project Cars dagegen aus dem Vollen. 31 Locations mit insgesamt 110 Streckenvariationen sorgen dafür, dass man in der Karriere nicht allzu oft auf demselben Kurs unterwegs ist. Berühmte Rennstrecken wie Silverstone, Laguna Seca und die Nürburgring Nordschleife wurden bis auf den letzten Curb originalgetreu nachgebaut und gehören ebenso zum Portfolio wie Fantasiekurse an der kalifornischen oder französischen Küste.
Schick: Viele Kurse befahren wir auch zu unterschiedlichen Tageszeiten und Wetterbedingungen, sogar dynamische Verläufe sind hierbei möglich. Eine Strecke fährt sich bei Dunkelheit und Regen beispielsweise deutlich anders als am Tag bei strahlendem Sonnenschein - gerade im Einzelrennen-Modus lässt sich damit herrlich herumexperimentieren.
Im Mechaniker-Paradies
Jedes Fahrzeug in Project Cars können wir ganz nach unseren Wünschen konfigurieren, Upgradeteile wie zusätzliche Spoiler dürfen wir dagegen nicht anschrauben. Vor einem Rennen bestimmen wir zum Beispiel den Reifendruck und selbst mit feinsten Details wie dem Spurlauf, der Übersetzung des Getriebes in einzelnen Gängen oder der Bremsbalance dürfen wir nach Belieben herumhantieren und bei Bedarf als eigenes Setup abspeichern.
Die Einstellungsmenüs wirken ziemlich nüchtern, für alle mit einer ganzen Tankstelle im Blut sind sie aber genau das Richtige, denn Profis kitzeln hier noch ein paar Hundertstel aus dem Fahrzeug heraus. Für alle anderen dürfte dieser Bereich ein Buch mit sieben Siegeln sein, verzagen müssen Anfänger auch dank praktischer Automatikeinstellungen aber trotzdem nicht.
Denn wie für Rennsimulationen üblich stehen etliche Fahrhilfen wie Traktionskontrolle oder eine einblendbare Ideallinie zur Wahl, auf Wunsch können wir uns sogar die Kurven wie in einem Rallyespiel anzeigen lassen - allerdings ohne den entsprechenden Beifahrer-Kommentar. Kleine Wermutstropfen: Sollten wir uns in der Karriere vor einem Rennen entscheiden, die Fahrhilfen anzupassen, müssen wir zuerst umständlich ins Hauptmenü zurück. Außerdem braucht das Spiel nach einer Einstellungsänderung sehr lange, um abzuspeichern. Wir vermuten, dass das aber mit einem zukünftigen Update behoben wird.
Auf eine im Genre liebgewonnene Hilfe verzichtet Project Cars zudem vollständig, denn eine Rückspulfunktion sucht man vergebens. Das unterstreicht einerseits zwar den Realismusanspruch, kann insbesondere bei langen Rennen aber auch ziemlich frustrierend sein. Denn wenn man nach 40 Runden in der letzten Kurve die Kontrolle verliert und mit Getöse in die Bande knallt, tuckert man entweder abgeschlagen ins Ziel oder startet das Rennen direkt neu.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Dein Kommentar wurde nicht gespeichert. Dies kann folgende Ursachen haben:
1. Der Kommentar ist länger als 4000 Zeichen.
2. Du hast versucht, einen Kommentar innerhalb der 10-Sekunden-Schreibsperre zu senden.
3. Dein Kommentar wurde als Spam identifiziert. Bitte beachte unsere Richtlinien zum Erstellen von Kommentaren.
4. Du verfügst nicht über die nötigen Schreibrechte bzw. wurdest gebannt.
Bei Fragen oder Problemen nutze bitte das Kontakt-Formular.
Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.
Nur angemeldete Plus-Mitglieder können Plus-Inhalte kommentieren und bewerten.