Fünf Teenager treffen sich nachts auf einer verlassenen Insel, um dort zu feiern. Heldin Alex hat ihren neuen Stiefbruder Jonas im Schlepptau, mit von der Partie sind außerdem Stoner-Quasselstrippe Ren, die introvertierte Nona und die zickige Clarissa. Die Chemie in der Gruppe ist nicht gerade perfekt.
Wie unpraktisch, dass Alex ausgerechnet in dieser Nacht einen Riss in die Geisterwelt öffnet und aus der Party ein lebensgefährliches paranormales Ereignis macht. Idealerweise ziehen jetzt alle an einem Strang, um die Geschichte gemeinsam mit heiler Haut zu überstehen. Ob das funktioniert, hängt von unseren Entscheidungen ab - denn wir spielen Alex.
Man spricht englisch
Ren steht heimlich auf Nona und fleht uns an, ihr gegenüber nichts auszuplaudern. Clarissa hatte schon früher mit uns zu tun und kann uns aufgrund unserer gemeinsamen Geschichte nicht leiden. Das und mehr erfahren wir, während wir Edwards Island erforschen und mit unseren Gefährten sprechen.
Die Dialoge sind komplett vertont, die Sprecher kennt man aus Tales from the Borderlands, The Walking Dead, The Wolf Among Us und Tomb Raider. Zumindest, wenn man diese im englischen Originalton gespielt hat - Oxenfree gibt's derzeit nämlich nur in englischer Sprache. Auch die Untertitel sind auf Englisch, weshalb gute Sprachkenntnisse für den Genuss dieses Spiels Pflicht sind. Unsere Begleiter sprechen mit uns, während wir die wunderschön gezeichneten Landschaften der Insel erkunden.
Dabei hören wir der Gruppe nicht ständig nur zu. Immer wieder haben wir verschiedene Antwortmöglichkeiten parat, mit denen wir Charakteren wahlweise freundlich, sarkastisch oder patzig begegnen. Die Antworten werden meist nur für wenige Augenblicke eingeblendet - klicken wir nicht schnell genug eine davon an, schweigt Alex. Das ist stellenweise etwas nervig, weil wir unsere Gefährten manchmal mitten im Satz unterbrechen müssen, um eine Antwort zu geben, bevor diese wieder verschwindet.
Keine Splatter-Sequenzen
Den größten Teil des Spiels verbringen wir damit, in recht gemächlichem Tempo durch die Landschaft zu marschieren und dabei den toll geschriebenen Gesprächen der Gruppe zuzuhören. Zwischendrin treten wir mit einem Taschenradio mit der Geisterwelt in Verbindung und spüren Anomalien auf. Einige davon sind durch verzerrte, dämonische Stimmen im Radio, Flimmer-Effekte wie bei einem alten VHS-Tape und mysteriöse Zeitschleifen und Visionen sehr unheimlich. Billige Jumpscares oder übermäßig brutale Horrorsequenzen gibt es keine.
Oxenfree sorgt vor allem durch seine spannende Geschichte und seine clevere Präsentation für Gänsehaut. Das grandiose Sound-Design jagt uns besonders bei der Kommunikation mit den Geistern immer wieder kalte Schauer durch den Rücken. Wer sind diese Geister eigentlich? Was wollen sie von uns? Die Geschichte zieht uns schnell in ihren Bann, auch wenn uns das Gameplay an sich nie herausfordert.
Interaktive Geschichte
Irgendwelche komplizierten Rätsel, Sprungeinlagen oder gar Kämpfe gibt es nicht. Wenn wir nicht durch die Gegend spazieren und mit der Gruppe sprechen, suchen wir in unserem Radio nach der richtigen Frequenz, um den Geistern zu lauschen oder Türen zu öffnen. Für Oxenfree benötigt man Geduld und keine schnellen Reflexe. Viel entspannter kann man eine gute Geschichte kaum erleben, aber wer es eher action-lastig mag, ist hier verkehrt. Und wer absolut alles sehen will, muss ein paar Längen in Kauf nehmen.
So sind überall auf der Insel Anomalien und Briefe versteckt, die zusätzliche Details zur Handlung und einige interessante Hintergrundinformationen enthüllen. Um alles zu entdecken, latscht man viele Gebiete mehrfach ab. Das ist an und für sich nicht schlimm, allerdings gibt es für den wiederholten Besuch eines Areals nicht immer neue Dialoge oder Ereignisse. Eine Schnellreise oder eine Sprintfunktion gibt es auch nicht, darum suchen wir alles im Schneckentempo ab. Da sind wir fast schon dankbar für die relativ kleine Spielwelt. Immerhin geht die stimmige Hintergrundmusik auch nach mehreren Stunden Spielzeit noch gut ins Ohr.
Verschiedene Enden
Als Alex führen wir die Gruppe an und versuchen wahlweise, jeden zu retten oder haben einfach nur unser eigenes Überleben im Sinn. Womöglich haben wir den einen oder anderen unliebsamen Begleiter, an dessen Rettung wir gar nicht interessiert sind? Nutzen wir das schamlos zu unserem Vorteil aus oder setzen wir lieber alles auf Teamwork? Als wir Oxenfree nach knapp fünf Stunden durchspielen, zerbricht durch unser Handeln eine Beziehung, wir haben neue Freundschaften geschlossen, doch ein ehemals guter Freund will nichts mehr mit uns zu tun haben. Immerhin konnten wir dafür sorgen, dass alle Figuren überleben.
Im Abspann sehen wir auch, wie wir im Vergleich zu anderen Spielern gehandelt haben. »Vier Prozent aller Spieler haben ebenfalls diese Entscheidung getroffen.« Ein cooles Feature, denn so sehen wir, wie sich unser Spielerlebnis von dem anderer User unterscheidet. Zudem motiviert das zum erneuten Durchspielen, um zu sehen, wie das Abenteuer endet, wenn wir andere Entscheidungen treffen als beim ersten Durchlauf. Vielleicht sind wir diesmal ja richtig unfreundlich oder halten uns einfach aus den meisten Unterhaltungen raus - das geht nämlich auch.
Quickie für wenig Geld
Oxenfree verfügt über einen einzigen Spielstand, der automatisch gespeichert wird. Mal eben ein altes Savegame zu laden, um an bestimmten Stellen andere Entscheidungen auszuprobieren, ist darum keine Option. Für alternative Spielenden fängt man immer wieder von vorne an - oder schaut auf Youtube vorbei und betrügt sich um rund drei Stunden Spielzeit pro zusätzlichem Durchgang. Ein mehrfaches Durchspielen lohnt sich aber nicht nur wegen der unterschiedlichen Enden. Alex muss sich beispielsweise für einen Begleiter entscheiden, wenn sich die Gruppe aufteilt.
Das ist eine hervorragende Gelegenheit, um Charaktere besser kennenzulernen, mit denen man beim ersten Durchgang nicht oft interagiert hat. Oder wie wäre es damit, bestimmte Gefährten miteinander zu verkuppeln? Zugegeben: Im ersten Moment mag es etwas merkwürdig wirken, wenn sich Alex und ihre Mitstreiter angesichts der unheimlichen, übernatürlichen Phänomene auf Edwards Island über Dinge wie Beziehungen und Schulstress unterhalten. Andererseits lenken sich die Teenager so von den Geistern ab und bewahren einander vor dem Durchdrehen. Meistens jedenfalls.
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