Ab der Veröffentlichung des Famicom im Jahr 1983 dominiert Nintendo das Heimkonsolengeschäft, seit 1989 ist der japanische Traditionshersteller zudem unangefochtener Herrscher über den Handheld-Markt.
Die Erwartungen an die Nachfolgekonsole zum SNES sind also gewaltig - allerdings nicht nur wegen Nintendos eindrucksvoller Historie: Die interaktive Unterhaltung macht in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre einen Dimensionssprung, die flachen Helden-Sprites und Bitmap-Kulissen der ersten 20 Videospieljahre werden abgelöst durch Polygonfiguren und 3D-Welten.
Auch von Mario, Donkey Kong und Link erwarten die Spieler nun die Eroberung des dreidimensionalen Raums. Da die Nintendo-Ingenieure aber mit 3D nicht viel am Hut haben - der Super-FX-Chip fürs SNES, der 1993 im Starwing-Modul rasante Polygonoptik berechnet, stammte von den englischen Argonaut Software -, vertrauen sie auf ihre US-Kollegen von Silicon Graphics.
Die kalifornischen Grafikprofis versorgen seit Ende der 1980er die Hollywoodstudios mit Render-Hardware (die wegweisenden Effekte in Blockbustern wie Terminator 2 oder Jurassic Park stammen aus SGI-Workstations), und auch in der Spieleindustrie will das boomende Unternehmen mitmischen. Ab 1993 arbeiten Silicon Graphics und Nintendo gemeinsam am »Project Reality« - einer Videospiel-Hardware, die später auf den Namen Ultra 64 getauft wird und schließlich Mitte 1996 als Nintendo 64 in Japan erscheint.
Leistung zum Herauskitzeln
Silicon Graphics stecken hinter beiden Herzstücken des N64: Der NEC VR4300 ist ein kraftvoller 64-Bit-RISC-Prozessor und die leistungsfähigste CPU der fünften Konsolengeneration, gefertigt vom japanischen Elektronikgiganten NEC und entwickelt von den US-Chiparchitekten MIPS, die 1992 von SGI übernommen werden.
Der 64-Bit-»Reality Co-Processor« stammt direkt aus den SGI-Labors und sorgt für die Berechnung und Ausgabe von Bild und Ton. Nintendo protzt mit fortschrittlichen Grafik-Features wie »trilinearem Mip Mapping« oder »Z-Buffering« und spendiert der Konsole satte 4 MB RAM (das - was in der Konsolenwelt neu ist - den verschiedenen Chips gemeinsam zur Verfügung steht).
Die Programmierung des N64 erweist sich jedoch als große Herausforderung: Probleme wie ein mickriger Textur-Speicher und die hohe Latenz beim RAM-Zugriff machen den Entwicklern zu schaffen. Wenige brillante Teams wie Rare oder Factor 5 lernen im Lauf der Zeit, die Eigenheiten der Konsole zu beherrschen beziehungsweise zu nutzen. Viele N64-Spiele aber werden von verschwommener und nebliger Optik geplagt, die in auffälligem Kontrast zur pixelig-kantigeren, allerdings auch klareren Grafik der Konkurrenten Saturn und PlayStation steht.
Collector's Corner
Der Nintendo-Retro-Hype macht zwar auch vor dem Nintendo 64 nicht halt, die Konsole und etliche Spiele sind aber mit etwas Glück noch zum passablen Preis zu erstehen. Ein gut erhaltenes loses Gerät schlägt mit rund 40 Euro zu Buche, Module gibt's ab ein paar Euro - für hochwertige Nintendo-Titel wie Donkey Kong 64, die beiden Zelda-Spiele oder Mario Kart 64 solltet ihr jeweils 15 bis 25 Euro einplanen, in Verpackung natürlich entsprechend mehr.
Schön am N64 als Sammelgebiet: Es ist in puncto Soft- und Hardware-Vielfalt überschaubar, zudem sind Spiele und Konsolen häufig noch in sehr gutem Zustand verfügbar. Wer Konsolenvarianten sammelt, freut sich über ein halbes Dutzend Modelle in verschiedenen transparenten Farben, darüber hinaus gibt es ein knuddeliges Pikachu-N64.
Tief in die Tasche lässt sich selbstverständlich auch greifen: Das 64DD ging seinerzeit lediglich an japanische Randnet-Abonnenten, wodurch nur wenige Laufwerke in westliche Sammlerhände gelangten - hierfür müsst ihr einen hohen dreistelligen Betrag lockermachen. Auch einige Spiele sind selten und/oder höchst gefragt: Mystical Ninja 2, Paper Mario oder Conker's Bad Fur Day erzielen in kompletter Ausstattung mindestens das Doppelte ihrer einstigen Verkaufspreise.
Hauptsache anders
Nintendo beschreitet auch in vielen weiteren Aspekten eigene Wege, wodurch sich die Konsole umfassend von den Mitbewerbern abhebt: Das N64 lässt sich durch ein Expansion Pak um 4 MB RAM Speicher erweitern, was manchen Spielen wie etwa Acclaims Shooter Turok 2 mehr Features, eine höhere Auflösung oder detailreichere Texturen verschafft.
Die Konsole bietet von vornherein vier Controller-Anschlüsse, die Pads lassen sich mit Rumble (für haptisches Feedback) und Transfer Pak (zur Datenübertragung von Game-Boy-Modulen) erweitern.
Am ungewöhnlichsten sind jedoch die Steuergeräte selbst: Der N64-Controller besitzt drei Griffhörner, wodurch neben dem üblichen Steuerkreuz, sieben Knöpfen und drei Schultertasten auch ein zusätzlicher Analogstick auf dem Pad unterkommt - ein Novum in der modernen Konsolengeschichte, das Sony begierig adaptiert und mit der Veröffentlichung des Dual-Analog- beziehungsweise des mit Rumble-Motoren ausgestatteten DualShock-Controllers im Jahr darauf kontert.
In einem maßgeblichen Punkt aber vertraut Nintendo auf veraltete Technik: Statt wie Sega und Sony auf das Zukunftsmedium CD zu setzen, entschließt man sich bei Nintendo erneut für die Nutzung von ROM-Modulen - ein wie sich herausstellt fataler, vielleicht sogar der konsolenkriegsentscheidende Fehler des Mario-Konzerns.
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