Splitternde Knochen, spritzendes Blut und abgerissene Körperteile. Daran denkt man wohl zuerst, wenn man den Titel Mortal Kombat hört. Die Prügelspielreihe bricht seit ihrem Einstand im Jahr 1992 Tabus in Sachen Bildschirmgewalt und bekam dafür schon ordentlich Ärger mit Jugendschützern - nicht nur in Deutschland. Doch das stört Serienmiterfinder Ed Boon und sein Team der Netherrealm Studios nicht im Geringsten: Mortal Kombat X, der zehnte Serienteil (das nicht zum Kanon gehörende Mortal Kombat vs. DC Universe mitgezählt), setzt im Vergleich mit dem in Deutschland wegen Gewaltverherrlichung beschlagnahmten Vorgänger noch eins drauf.
Wurde die Gewalt bereits im Serien-Reboot von 2011 hemmungslos zelebriert und dank schmerzhaft anzusehender X-Ray-Moves und irrwitziger Fatalitys teilweise bis ins Absurde gesteigert, wähnt man sich nun dank Next-Gen-Power mitunter tatsächlich in einem interaktiven Splatterfilm und erwartet, dass jeden Moment ein Schwall Blut aus dem Fernseher schwappt.
Doch die Reihe nur auf die Gewaltdarstellung zu reduzieren, würde ihr unrecht tun. Es steckt auch spielerisch eine ganze Menge in Mortal Kombat: Mit jedem neuen Teil verbesserte die Serie ihre Kampfmechaniken, wurde vom tumben Prügler mit Blutbonus zu einem auch unter Profis geschätzten Kampfspiel. Nicht umsonst gehörte Mortal Kombat (2011) nun schon dreimal hintereinander zu den Spielen der Evolution Championship Series, einem jährlich ausgetragenen Turnier der weltweit besten Bildschirmprügler. Mortal Kombat X schickt sich an, seinen Vorgänger nicht nur in Sachen vergossenes Pixelblut pro Minute zu überbieten, sondern wird auch spielerisch einige interessante Neuerungen bieten, wie wir beim Anspielen merkten.
Rätselraten um die Prügelknaben
Unser erster Blick im Kämpferauswahlmenü gilt den zahlreichen ausgegrauten Slots: Neben den spielbaren Charakteren Scorpion, Sub-Zero, Cassie Cage, D'Vorah, Kotal Kahn und dem Duo Ferra/Torr sind weitere 18 Figuren ausgegraut. Bevor wir uns in den Kampf stürzen, um die neuen Fighter auszuprobieren, versuchen wir, vertraute Silhouetten in den abgedunkelten Slots zu erkennen. Doch so sehr wir uns auch anstrengen, es sind keine charakteristischen Merkmale altbekannter Kombattanten auszumachen.
Da ist zwar eine Figur mit Hut, doch weder Raiden noch Kung Lao (der ohnehin zu den unzähligen Todesopfern in der Storyline des letzten Spiels zählt) würden sich wohl mit Panamahut ins Getümmel stürzen. Der Rest der angedeuteten Silhouetten ist so beliebig, dass wir beinahe der Meinung sind, einem Scherz der Netherrealm Studios aufgesessen zu sein. Sind das am Ende gar nicht die Silhouetten der Spielfiguren, sondern einiger Entwickler, die in der Preview-Version von Mortal Kombat X als Platzhalter fungieren müssen?
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Und davon mal abgesehen: Wer ist eigentlich dieser Sub-Zero? Laut der Storyline des Vorgängers, der die ersten drei Spiele zusammenfasst und innerhalb einer alternativen Zeitlinie neu erzählt, tötet Scorpion den Eis-Ninja im Zweikampf. Sub-Zero kehrt zwar später als Noob Saibot zurück, doch er ist dann ein völlig anderer Charakter. Der jüngere Bruder des Lin-Kuei-Ninja, der im zweiten Mortal-Kombat-Turnier auf einen Rachefeldzug gegen Scorpion zieht, kann es ebenfalls nicht sein, denn er wird von seinem Clan zum Cyborg umgebaut.
Zudem umfasst die Story von Mortal Kombat X mehrere Jahrzehnte. Handelt es sich bei dem blauen Ninja also vielleicht um den Sohn des Originals oder gar seinen mittlerweile zum Cyber-Shinobi umfunktionierten Bruder? Wir sind sehr gespannt, wie dieses Story-Rätsel im fertigen Spiel aufgelöst wird.
Familienzuwachs
Doch darüber zu sinnieren, ist müßig - wir wollen Action! Statt mit einem guten Bekannten wie Scorpion oder Sub-Zero in den Kampf zu ziehen, fällt unsere Wahl auf Cassie Cage. Sie ist in der Story von Mortal Kombat X die Tochter des Hollywoodstars Johnny Cage und der Army-Braut Sonya Blade. Wir erwarten also eine Mischung der Kampfstile dieser beiden MK-Recken. Doch bevor wir herausfinden, ob wir damit richtig liegen, trifft uns die erste spielerische Neuerung völlig unerwartet bereits im Auswahlmenü: Wir müssen uns zwischen drei »Versionen« von Cassie entscheiden.
Jeder Charakter in Mortal Kombat X hat drei verschiedene Kampfstile - wobei Serienvater Ed Boon uns gegenüber erwähnt, diesen Begriff nicht zu mögen und lieber von »Versionen« zu sprechen. Versionen deshalb, weil die Idee hinter dem Spielelement ist, drei Inkarnationen desselben Charakters zur Auswahl zu haben, die sich spielerisch deutlich unterscheiden. Jede Version verfügt über Special-Moves und Combos, die andere Inkarnationen derselben Figur nicht beherrschen. In Cassies Fall bedeutet das, dass wir uns zwischen »Hollywood«, »Spec-Ops« und »Brawler« entscheiden müssen, bevor der Kampf beginnt.
Cassies Hollywoodversion orientiert sich an Papa Johnny Cage - allerdings nicht durch das Übernehmen von dessen Moves, wie etwa dem Shadow Kick, sondern eher durch die Attitüde, die Cassie hier an den Tag legt. Wie ein Hongkong-Actionheld kann sie etwa beidhändig mit ihren Automatikpistolen ballernd durch die Luft springen und trägt natürlich standesgemäß eine Sonnenbrille.
Die Spec-Ops-Variante orientiert sich erwartungsgemäß eher an Military-Lady Sonya und hat zum Beispiel einen ähnlichen Aufwärtskick im Repertoire. Cool: Cassie kann als Spec-Ops-Kämpferin einen Raketenschlag anfordern: Mit etwas Verzögerung braust dann eine Luft-Boden-Rakete heran und überbringt dem Gegner einen explosiven Gruß aus den US of A.
Im Brawler-Modus setzt Cassie hingegen voll auf die Kraft ihrer zarten Fäuste, die hier grün leuchten, um die besondere Stärke zu verdeutlichen. Ohne besondere Anleihen bei den Kampfstilen ihrer Eltern ist Brawler-Cassie die eigenständigste Variante dieser Figur. Na ja, bis auf ihren X-Ray-Move, der sich bei Johnny Cages legendärem Split-Punch bedient: Ist die Special-Leiste voll aufgeladen, haben die Figuren in Mortal Kombat X wie im Vorgänger einen besonders fiesen Move zur Verfügung, der über die unteren beiden Trigger des Controllers ausgelöst wird.
Das Spiel schaltet dann in eine Röntgenansicht um und visualisiert die verheerenden inneren Verletzungen beim Gegner besonders »geschmackvoll«. Cassie schlägt dabei mit Schmackes zwischen die Beine ihres Widersachers - männliche Kontrahenten dürfen sich dann in einer schmerzhaft anzusehenden Einstellung ähnlich wie beim Hodenschuss aus Sniper Elite 3 von ihren Familienjuwelen verabschieden. Autsch!
Erweiterte Angriffe
Ebenfalls aus dem Vorgänger übernommen sind die »Enhanced«-Moves der Kämpfer: Cassie kann dem Gegner zwar mit ihrer Pistole einen bleihaltigen Gruß vor den Latz ballern, doch was ist besser als ein Schuss? Genau: mehrere! Um den Special-Move zu verlängern, drücken wir zum Abschluss eine Angriffstaste zusammen mit Block. Nun schießt Cassie beidhändig Salven ab. Ja, das ist deutlich eindrucksvoller. Beim Anspielen hat sich die Enhanced-Version des Moves als ein wenig knifflig entpuppt. Nur mit etwas Übung klappen diese Variationen der Angriffe sauber, was sie zu einem Risiko im Kampfgeschehen macht.
Nachdem wir uns ausgiebig mit Cassie beschäftigt und auch ihren Fatality bewundert haben - sie schießt dem Gegner die Kniescheiben weg und verpasst ihm einen Kopfschuss, bevor sie die sprudelnde Wunde mit ihrem Kaugummi verschließt, das sich aufbläht und platzt -, widmen wir uns den übrigen Kämpfern. Erwartungsgemäß überraschen uns weder Scorpion noch Sub-Zero mit wirklichen Neuerungen. Die beiden Ninjas spielen sich im Prinzip genauso wie im Vorgänger, da machen auch die drei Styles keinen allzu großen Unterschied. Veteranen wird's freuen, gehören die beiden doch zu den beliebtesten Figuren des Mortal-Kombat-Universums.
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