Über einen Monat nach Release der PS4- und Xbox-One-Version erscheint Mittelerde: Mordors Schatten nun auch für die PS3 und die Xbox 360. Wer jetzt jedoch denkt, die Entwickler von Monolith hätten die zusätzliche Zeit genutzt, um ihr Open-World-Abenteuer an die altersschwachen Last-Gen-Konsolen anzupassen, hat sich mit der Morgul-Klinge geschnitten: Beide Versionen sind technische Debakel, mitunter ist Mittelerde so hässlich, dass wir uns sogar über jedes Fleckchen texturlosen Schatten freuen.
Doch es bleibt nicht bei grafischen Einbußen, auch spielerisch müssen wir Abstriche in Kauf nehmen. Und das ausgerechnet beim Alleinstellungsmerkmal des Spiels - dem Nemesis-System.
Willkommen in der Flimmerhölle
Doch beginnen wir mit den offensichtlichen Unterschieden im Vergleich zur Current-Gen-Fassung. Egal ob wir Mittelerde auf der Sony- oder auf der Microsoft-Konsole unsicher machen, aufgrund des extremen Kantenflimmerns brennen uns schon nach wenigen Minuten die Sehnerven durch. Schuld ist die fehlende Kantenglättung. Vor allem filigrane Objekte wie Seile oder Gitterstäbe, aber auch die Konturen jeglicher Umgebungsdetails mutieren bei Bewegung der Kamera zu zitternden Pixel-Linien. Obendrein blicken wir auf grob aufgelöste (Charakter-)Modelle und ausgefranste, zuckende Schatten - Szenen, die direkt aus der Flimmerhölle stammen.
Außerdem kommt es immer wieder zu hässlichen Zeilenverschiebungen (Tearing) und Rucklern, auf der PS3 noch häufiger und stärker als auf der Xbox 360. Es reicht schon aus, lediglich die Kamera zu schwenken, um die Bildrate in die Knie zu zwingen. Generell krebst die Framerate an der Grenze zur Unspielbarkeit herum. Insbesondere, wenn wir auf einem gezähmten Caragor durch die Landschaft reiten, verkommt das Geschehen zum Daumenkino. Okay, beide Konsolen haben schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Dass aber selbst das Spielmenü ruckelt, ist dann doch etwas seltsam und ein Offenbarungseid des Entwicklerteams.
Matschiges Mittelerde
Schon auf der PS4 und der Xbox One mussten wir uns mit verwaschenen (Boden-)Texturen zufrieden geben. Auf PS3 und Xbox 360 kann zuweilen von Texturen keine Rede mehr sein - weil die Pixeltapeten manchmal komplett fehlen. Häufig werden wir von der Hässlichkeit Mordors überrascht, weil wir mal wieder zu schnell in ein neues Nebengebiet gestürmt sind. Erst nach mehreren Sekunden ploppen Steine, Grasbüschel und ganze Felsen auf, die anschließend zusehends mit Texturen versehen werden.
Erschreckend: Wir brauchen nicht einmal das Gebiet zu verlassen, es reicht bereits eine 360-Grad-Drehung, dann beginnt das Spiel erneut, alle Objekte und Texturen in den Speicher zu schaufeln. Nicht, dass Mordors Schatten mit Texturen unbedingt besser aussehen würde - die meisten Areale wirken wie Sümpfe; einige Umgebungsobjekte wurden bis zur Unkenntlichkeit abstrahiert.
All diese Probleme betreffen verstärkt die PS3-Version. Die Xbox-360-Fassung läuft etwas runder und bedeutend flüssiger als das Sony-Pendant, besitzt aber eine eigenartig milchige Grafik, die an Kontrast und Schärfe vermissen lässt - was auch an der heruntergeschraubten Auflösung liegen dürfte, die von 720p ungefähr so weit entfernt ist wie der Schicksalsberg vom Auenland. Dadurch sind einige Bildschirmtexte extrem unscharf, ganz zu schweigen von den plastischen Rüstungen der Orks. Uns ist eine niedrigere Auflösung aber allemal lieber als die Ruckelorgie auf der PS3.
Das wohl größte Manko sind die enervierend langen Ladezeiten. Schon das bloße Aufrufen des Spielmenüs bringt die Last-Gen-Versionen aus der Fassung. Mal kurz ein paar Skillpunkte verteilen und weiter geht's? Auf PS3 und Xbox 360 nicht möglich. Selbst vor und nach Videosequenzen ist Däumchendrehen angesagt, stellenweise bis zu 15 Sekunden. Auch beim Sound liegt einiges im Argen. Insbesondere die PS3-Version hat mit heftigen Soundaussetzern zu kämpfen, zudem passen die Effekte nicht immer zum Spielgeschehen.
Nemesis mit Abstrichen
Abgesehen von der miesen technischen Umsetzung gibt es auch spielerische Einschnitte: Das Nemesis-System, das eine dynamische Ork-Hierarchie simuliert, braucht viel Rechenpower und wurde entsprechend für die alte Hardware zurechtgestutzt. Zwar bleibt die Kernmechanik des Nemesis-Systems erhalten, wir treffen im Spiel aber weitaus weniger verschiedene Orks, die zudem fast alle die gleichen Rüstungen und Waffen tragen. Auch der Pool an verschiedenen Namen wurde limitiert. Schon nach wenigen Spielstunden haben wir jede Orkfratze gesehen. Die Tiefe, die Komplexität, die auf PS4 und Xbox One zumindest suggeriert wird, geht damit vollends verloren.
Grafikfehler, Ruckler, Soundprobleme, abgespecktes Nemesis-Feature - im jetzigen Zustand macht Mittelerde: Mordors Schatten keinen Spaß, wir raten dringend vom Kauf ab. Nun liegt es an den Entwicklern, die gröbsten Schnitzer mit Patches zu flicken. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, auf die Last-Gen-Versionen zu verzichten.
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